Betroffene berichten

ZDF-Doku: "Engagiert und attackiert – Wenn Politiker zur Zielscheibe werden"

24.10.2022, 08.17 Uhr
von Aylin Rauh

Ein Doku lässt eine Bürgermeisterin und zwei Bürgermeister zu Wort kommen, die wie viele ihre Kollegen zur Zielscheibe wurden. Ausgestrahlt wird sie unmittelbar nach dem Spielfilm "Die Bürgermeisterin", der sich ebenfalls dieses Themas annimmt.

ZDF
"Engagiert und attackiert – Wenn Politiker zur Zielscheibe werden"
Reportage • 24.10.2022 • 21:45 Uhr

In den vergangenen Jahren ist die Anzahl an Bedrohungen und Anfeindungen gegenüber Kommunalpolitikern gestiegen: Laut eines Berichts des Deutschen Städte- und Gemeindebundes ergaben Umfragen, dass zwei Drittel aller Bürgermeister bereits Erfahrungen mit Beleidigungen, Hassnachrichten und Übergriffen machen mussten (Stand 2021). Im Jahr 2019 waren es noch weniger als die Hälfte. Besonders seit der Corona-Pandemie spitzt sich die Lage zu. Direkt im Anschluss an den Spielfilm "Die Bürgermeisterin" (Montag, 24. Oktober, 20.15 Uhr, ZDF) stellt Filmemacherin Lisa-Marie Schnell in der Dokumentation "Engagiert und attackiert – Wenn Politiker zur Zielscheibe werden" Menschen aus der Kommunalpolitik vor, die Hass und Hetze auf schlimmste Art erlebt haben.

Für die um 21.45 Uhr angesetzte Doku hat das Team verschiedene Bürgermeisterinnen und Bürgermeister aus ganz Deutschland in ihrem Alltag begleitet – und mit ihnen über ihre Erfahrungen mit Hass und Hetze gesprochen. "Das Publikum bekommt zu sehen, was Anfeindungen und Hass mit einem machen können", erklärt Lisa-Marie Schnell. "Es geht ganz klar darum, ein Bewusstsein dafür zu schaffen, mit was für einem Ausmaß von Anfeindungen und Hetze sich Lokalpolitiker auseinandersetzen müssen."

Zu sehen sind in dem Beitrag Belit Onay (Bündnis 90/Die Grünen), Oberbürgermeister von Hannover, und Erik Lierenfeld (SPD), der als Bürgermeister in Dormagen bei Köln tätig ist. Aber warum ausgerechnet diese Politiker? "Wir haben zuerst nach Protagonisten gesucht, die sich bereits öffentlich zu diesem Thema geäußert haben. Sowohl bei Erik Lierenfeld als auch bei Belit Onay war es medial bekannt, dass die in den letzten Jahren mit massiven Anfeindungen zu kämpfen hatten", erläuterte Schnell. Als dritte Protagonistin ist Sarah Fischer (CDU) zu sehen, die in Wurzen bei Leipzig für das Bürgermeisteramt kandidierte. Auch sie spricht im Film offen über ihre Erfahrungen.

Bei Onay fühlten sich manche offenbar allein von seinen türkischen Wurzeln gereizt. Er sah sich jedenfalls schon vielfach mit Drohungen und Beleidigungen konfrontiert. "Viele konnten es sich immer noch nicht vorstellen, dass sie von jemandem mit Migrationsgeschichte regiert werden", erklärt die Regisseurin. Lierenfeld sei hingegen "während der Flüchtlingskrise im Jahr 2015 und der Corona-Pandemie mit extremen Morddrohungen überzogen" worden.

"Man merkt ihnen schon an, dass der Hass auf perverse Art zu ihrem Alltag geworden ist. Sie sind immer noch emotional, wenn sie das erzählen", beschreibt Schnell das Auftreten der Protagonisten. Ein großer Halt sei die Unterstützung ihrer Familien: "Sie bringen auch alles zur Anzeige, jede Beleidigung, jeden Hasskommentar und alles, was darüber hinaus geht. Um zu zeigen: Wir lassen uns das nicht gefallen."

Bedrohung für die Demokratie

Vielen Menschen sei es nicht bewusst, welche Auswirkungen dieser Hass auf das gesamte Land haben kann. "Wenn ich mich in meinem Ort politisch engagiere, versuche diesen Ort zu einem besseren zu machen und dafür Drohbriefe bekomme, mir tote Tiere vor die Haustür gelegt oder sogar meine Autoreifen zerstochen werden, überlege ich mir natürlich ganz genau, ob ich dieses kommunalpolitische Engagement weiter ausführen möchte", erklärt Schnell. Unter dem Strich, das macht der Film unmissverständlich deutlich, ist die Entwicklung also nicht weniger als eine Bedrohung der Demokratie.

Aber warum machen die Protagonisten in ihrem Amt einfach weiter? Was treibt sie an, weiterhin für ihre Stadt und die Menschen vor Ort zu arbeiten? Lisa-Marie Schnells Antwort kommt direkt: "Bei vielen Menschen ist es einfach der Glaube an die Demokratie. In der Kommunalpolitik kann man vieles gestalten, mehr als in anderen Bereichen. Man sieht die Früchte der eigenen Arbeit anders als im Bundestag viel schneller. Diese Unmittelbarkeit ist für viele das, was sie reizvoll finden."

Ohne Frage soll diese Dokumentation nicht nur Einblicke in die Gemütslage der leidgeprüften Kommunalpolitiker gewähren, sondern auch als Appell an das Publikum verstanden werden. "Am Ende können sich die Zuschauerinnen und Zuschauer selbst an die Nase fassen", stellt die Filmemacherin klar: "Bei jeder Hassnachricht und jeden Brief braucht es die Solidarität der Bevölkerung – Menschen, die sich gegen solche Hassformen stellen und für eine vernünftige Diskussionskultur eintreten."

"Engagiert und attackiert – Wenn Politiker zur Zielscheibe werden" – Mo. 24.10. – ZDF: 21.45 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren