Film im ZDF

"Gut gegen Nordwind": eine altmodische virtuelle Liebe

20.06.2022, 08.21 Uhr
von Julian Weinberger

Zwei Menschen lernen sich zufällig per E-Mail kennen und lieben. Romanverfilmung mit Nora Tschirner und Alexander Fehling in den Hauptrollen.

ZDF
"Gut gegen Nordwind"
Drama • 20.06.2022 • 20:15 Uhr

Mittels eines einfachen Wischs nach rechts oder links manövriert sich die Generation Internet durch unzählige Dating-Apps. Ob ernsthafte Beziehung oder unverfänglicher Spaß – Tinder & Co. versprechen, das oft so undurchdringbar scheinende Liebeslabyrinth zu entwirren und einsame Herzen zusammenzubringen. Wie so viele Facetten des Lebens ist längst auch die intimste Sphäre des Menschseins technologisiert. Beinahe antiquiert wirkt da die Prämisse des Liebesdramas "Gut gegen Nordwind" (2019), das den Romanbestseller von Daniel Glattauer auf die Leinwand bringt. Es erzählt von Leo (Alexander Fehling) und Emma (Nora Tschirner), die sich durch einen Tippfehler in einer E-Mail-Adresse zufällig kennenlernen und eine virtuelle Brieffreundschaft entwickeln, die ihre Leben gehörig durcheinanderwirbelt. Regie führte von Vanessa Jopp. 2019 kam der Film in die Kinos, jetzt folgt die Free-TV-Premiere im ZDF.

Leo, ein Linguistikdozent an einer Uni, weiß zwar alles über die Eigenheiten von Sprache, doch im wahren Leben scheitert er immer wieder daran, die richtigen Worte zu finden. Seine Freundin Marlene (Claudia Eisinger) lässt ihn am ausgestreckten Arm verhungern, macht erst Schluss mit ihm, um dann zurückzukommen und sich erneut aus dem Staub zu machen. Mitten in diesem Gefühlschaos erreicht Leo eine E-Mail, in der eine gewisse Emma Rothner ein Zeitungsabo kündigen will. Obwohl er der Unbekannten schnell begreiflich macht, dass ihr in der Adressatenzeile ein Fehler unterlaufen ist, entwickelt sich ein reger Schriftverkehr zwischen den beiden.

Erst von kurzen, sprachlich gewitzten Sticheleien geprägt, vertrauen sich Emma und Leo immer intimere Dinge an und tauschen sich über lang gehegte Wünsche oder die kleinen Ärgernisse des Alltags aus. Ob beim Kochen, Autofahren oder im Baumarkt – stets haben die beiden das Handy griffbereit, in der Hoffnung auf das erlösende "Pling" einer eingehenden Nachricht. Auf ihrer virtuellen Insel würden sie sich gegenseitig die ehrlichste Version von sich selbst präsentieren, wie Leo betont. Umso erschütterter ist er, der längst Gefühle für Emma entwickelt hat, als sie ihm gesteht, Familie zu haben und glücklich mit Bernhard (Ulrich Thomsen) verheiratet zu sein. Trotzdem kann auch Emma die Anziehung zwischen sich und Leo nicht leugnen. Als die beiden den Wunsch entwickeln, sich in der Realität zu treffen, stellt sich die Frage: Ist es das Risiko wert, die virtuellen Scheuklappen fallen zu lassen?

Fazit: Das starke letzte Drittel versöhnt

Regisseurin Vanessa Jopp lässt sich lange Zeit, in das Leben Leos einzutauchen. Emma hingegen bekommt erst nach einem Drittel des Films ein Gesicht. Eigentlich ein kluger Schachzug, um die Fantasie der Zuschauer anzuregen und sie auf eine ähnliche Reise mitzunehmen, wie sie Leo erlebt.

Mit zunehmendem Verlauf des Dramas tritt immer deutlicher hervor, dass ein guter Roman nicht auch zwangsläufig eine gute Filmadaption nach sich ziehen muss. Die beiden Hauptfiguren sitzen gefühlt die Hälfte des Films vor dem Computer oder starren auf ihr Handy, während aus dem Off eine Stimme die ausgetauschten Nachrichten vorliest.

Dass "Gut gegen Nordwind" dennoch einen soliden Eindruck hinterlässt, liegt am starken letzten Drittel des Films. Erst dann gelingt es Alexander Fehling und Nora Tschirner, die emotionale Eindimensionalität aufzubrechen und den Zuschauer mit einer Intensität zu fesseln, die der restliche Film nicht erreicht.

"Gut gegen Nordwind" – Mo. 20.06. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren