"Hart aber fair"

Ukrainischer Militärchef fordert Putin-freies Europa

15.03.2022, 08.31 Uhr
von Lena Rittmann
Der russische Präsident Wladimir Putin.
Der russische Präsident Wladimir Putin.  Fotoquelle: picture alliance / AP Images | Maxim Shipenkov

Am Montagabend diskutierte Frank Plasberg in der Sendung "Hart aber fair" im Ersten mit seinen Gästen über das Thema: "Auf der Flucht vor Putin – wie können wir helfen?" Das Ergebnis: eine ernüchternde Analyse.

Wie radikal die russischen Truppen von Wladimir Putin aktuell die Städte in der Ukraine zerstampfen, zeigt sich direkt zu Beginn der Sendung, als Moderator Frank Plasberg zum Vize-Bürgermeister der von Bomben getroffenen ukrainischen Stadt Mariupol schaltet. Seine Einschätzung der Lage: "Eigentlich gibt es unsere Stadt nicht mehr". Über die Rolle Deutschlands in diesem Krieg diskutieren Sozialsenatorin Katja Kipping (Die Linke), SPD-Parteivorsitzende Saskia Esken, Politikwissenschaftler Markus Kaim und WDR-Journalist Vassili Golod.

Bei einem Punkt sind sich die Gäste einig: die aktuelle Hilfsbereitschaft, die die deutsche Bevölkerung den vor Putin flüchtenden Menschen entgegenbringt, darf nicht abreißen. Markus Kaim stellt fest, dass Migration nicht zum ersten Mal als politische Waffe eingesetzt wird und geht davon aus, dass Putin dies als ein geeignetes Instrument ansehe, um den Westen zu spalten und zu schwächen.

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Die Sozialsenatorin in Berlin, Katja Kipping, hebt die Hauptstadt als gutes Beispiel hervor, wie die Strukturen für eine schnelle Aufnahme der geflüchteten Menschen gelingen kann. Zu Beginn des Krieges habe Berlin in einer Nacht das geschafft, was alle restlichen 15 Bundesländer zusammen geschafft hätten. Da sich Deutschland aber auf eine noch viel größere Flüchtlings-Zahl einstellen müsse, werde nun eine bundesweite Verteilungsregelung nötig sein. "Wir müssen hier auf Strecke agieren – wir reden nicht mehr von Wochen, sondern von Monaten oder vielleicht Jahren", so Kipping.

"Völkermord vor den Augen Europas"

Der Gouverneur und Militärchef von Czernowitz, Sergiy Osachuk, richtet sich mit klaren Worten an das hilfswillige, dennoch aus seiner Sicht zu zögerliche Deutschland. Eine Versorgung von Flüchtlingen sei zwar wichtig, entscheidender sei jedoch die Bekämpfung der Ursache, sprich die sofortige Beendigung des von Putin geführten Krieges. "Es ist ein Völkermord vor den Augen Europas", so Osachuk. Er richtet sich damit auch deutlich an diejenigen, die sich immer noch in Putin hineinzudenken zu versuchen. "Statt Putin zu verstehen, muss ein Putin-freies Europa aufgebaut werden". Was Osachuk von Deutschland erwartet: Waffen und stärkere wirtschaftliche Sanktionen. Und das schon heute und nicht in Form von die Zukunft betreffenden Androhungen.

Und bei diesen Themen schwindet die Einigkeit der Talk-Gäste schnell. Zwar sollte eine weitere Eskalation durch einen militärischen Einsatz der Nato in der Ukraine verhindert werden, jedoch stellt SPD-Vorsitzende Saskia Esken fest, dass in aktuellen Zeiten ebenso gilt: Sag niemals nie.

Auch beim Ausschöpfen der nicht-militärischen Maßnahmen, wie ein Energie-Embargo gegen Russland, sieht Politikwissenschaftler Markus Kaim Grenzen. Es sei zwar positiv anzusehen, dass private Haushalte einen eingeschränkten Konsum und höhere Energie-Preise für den Frieden in Europa in Kauf nehmen. Der größte Teil des russischen Gases werde jedoch von der Industrie benötigt – nicht von privaten Haushalten. Müsse die Industrie auf die Energie verzichten, müssten sich die Deutschen auf ganz andere, steigende Kosten – etwa im Lebensmittelbereich – einstellen.
Auch Kipping ist sich sicher, dass Sanktionen diesen Ausmaßes nur mit einem massiven sozialen Ausgleich gelingen: "Die Bereitschaft zur Massenumverteilung muss gegeben sein, sonst ist diese Maßnahme gewagt."

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