"Der neue "Polizeiruf 110": Ein Krimi voller Überraschungen









Im dritten Film "Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts" untersuchen die Münchner Ermittler Blohm (Johanna Wokalek) und Eden (Stephan Zinner) den mysteriösen Tod eines Erotik-Produzenten. Die junge Freundin des Opfers stammt aus einer einflussreichen Familie. Unter der Regie von Dominik Graf entfaltet sich ein packender Kriminalfall voller unerwarteter Wendungen.
Darum geht's
Im dritten "Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts" mit den Münchner Ermittlern Cris Blohm (Johanna Wokalek) und Dennis Eden (Stephan Zinner) könnte man schon in der ersten Szene annehmen, das Mordopfer gesehen zu haben: Mia (Emma Preisendanz) liegt regungslos auf dem Sofa. Doch dann die Entwarnung: Die junge Frau ist lediglich bei ihrem Therapeuten Martin Weibel (Michael Roll) während der Psychotherapie eingeschlafen.
Ein Tribut an ihr derzeit anstrengendes Leben. Mia, deren Vater Ralph Horschalek (Martin Rapold) ein bedeutender bayerischer Unternehmer ist, liebt Lucky (Florian Geißelmann). Der ebenfalls noch junge Erotikfilmproduzent lebt in seinem Wohnwagen auf dem Ateliergelände einer Künstlerkolonie. Dort dreht er Streifen mit sich selbst und seiner neuen Freundin in der "Hauptrolle". Die beiden leben eine tabufreie, entgrenzte Liebe – die allerdings weder Mias Therapeuten und erst recht nicht ihrer Familie gefällt. Dann wird Lucky tot in seinem Wohnwagen gefunden.
Bislang bester Fall des Münchner Ermittler-Duos
Im neuen Polizeiruf des Münchner Starregisseurs Dominik Graf, der seit Jahrzehnten immer wieder mal "Tatort"- und "Polizeiruf"-Folgen in seiner Heimatstadt dreht und hier sein Debütwerk fürs neue Team vorlegt, erfährt man in der Folge spannende und detailgetreue Infos über technischen Aspekte von Tatort- und DNA-Analysen. Fast könnte man annehmen: Drehbuchautor Tobias Kniebe und Regisseur Graf sind Hobby-Forensiker. Gut so, möchte man bewundernd zufügen, denn in diesem Krimi wird nicht nur behauptet, dass TV-Fiktion kriminalistische Arbeit beschreibt – man sieht ihr in der ersten Hälfte des Films fasziniert zu, so seriös und fast dokumentarisch wird sie hier beschrieben.
Laboranalystin Franca Ambacher (Jule Gartzke) macht nun eine unglaubliche Entdeckung. Aus Rechtsgründen darf sie darüber eigentlich mit niemandem reden. Im Gespräch mit Cris Blohm schmieden die beiden gerechtigkeitsliebenden Frauen dann aber doch einen Plan, wie man "jenseits des Rechts" den Täter oder die Täterin stellen könnte. Der wendungsreiche und auch in seiner Tonalität erfrischend kreative Fall ist der bislang beste des neuen Münchner Ermittler-Duos.
Hohe Krimikunst: wendungsreich, aber nicht unplausibel
Interessant ist, welche erzählerischen und auch ästhetischen Wendungen der neue Dominik Graf-Krimi nimmt, ohne dass dabei seine Geschichte ins Trudeln gerät. Zu Beginn denkt man über die Beziehung der nach dem Krebstod ihrer Mutter samt Magersucht in Teenietagen nicht wirklich stabilen Mia nach. Ihr Therapeut stellt infrage, ob die Drehs ihrem Selbstwert guttun würden. Daraufhin Mia über Lucky: "Er hat mich so gesehen, wie ich bin. Die Sehnsucht, die Kontrolle zu verlieren – das war wichtig."
Von einer psychologisch interessanten Liebe wandert der Film bald zu einer faszinierenden Tatort-Analyse weiter und wandelt sich schließlich zu einer mit viel subtilen Humor durchsetzten Krimi-Groteske, der vielleicht sogar die Coen-Brüder ("No Country For Old Men") applaudieren würden. Cris Blohm nämlich nimmt das Recht ein Stück weit in die eigenen Hände – während einer Party reicher Kids in der Villa Horschalek.
Plot überrascht
Autor Tobias Kniebe, der eigentlich Journalist und Filmkritiker ist, schreibt nur selten Drehbücher. Wenn er es tut, steckt in den Geschichten des Wahlmünchners allerdings stets eine Menge Finesse. Auch seine letzte Arbeit, der Münchner "Polizeiruf 110: Bis Mitternacht" (2021), entstand in der Zusammenarbeit mit Dominik Graf. Die Folge zeigte Verena Altenberger als Kommissarin "Bessie" Eyckhoff, die nur 24 Stunden Zeit hatte, einen mutmaßlichen Serientäter im Verhör zu einem Geständnis bringen. Die Folge gewann Preise und erntete viel Kritikerlob.
Nicht ganz so vordergründig spannend, aber dennoch hochinteressant ist nun Kniebes und Grafs neuste Zusammenarbeit. Die Suche nach dem Täter bleibt bis kurz vor Ende offen, der Plot überrascht mit immer neuen, aber nicht unplausiblen Wendungen. Passend dazu folgt man Figuren, die sich unerwartet wandeln. Ein ebenso kluger, wie verblüffender Spaß – dieser neue Münchner "Polizeiruf". Wem die junge Episoden-Hauptdarstellerin Emma Preisendanz als Mia bekannt vorkommt: Ende 2020 war die heute 22-Jährige im zweiteiligen München-Dortmund-"Tatort"-Crossover mit dem Titel "In der Familie" zu sehen. Damals spielte sie die Tochter eines Dortmunder Pizzeria-Paares, das den langen Arm der Mafia zu spüren bekommt.
Polizeiruf 110: Jenseits des Rechts – So. 29.12. – ARD: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH