"Die Story im Ersten"

"Russland, Putin und wir Ostdeutsche": Wenn der "große Bruder" Krieg führt

24.10.2022, 08.24 Uhr
von Elisa Eberle

Bis heute fühlen sich viele Menschen in den neuen Bundesländern eng mit Russland verbunden. Warum ist das so?  "Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche" sucht nach Antworten.

ARD
Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche
Reportage • 24.10.2022 • 20:15 Uhr

Die Zahlen sprechen für sich: 50 Prozent der Ostdeutschen sprachen sich in einer im Juli 2021 vom Meinungsforschungsinstituts Forsa durchgeführten Umfrage für ein engeres Verhältnis zwischen Deutschland und Russland aus. In Westdeutschland hielten dies lediglich 25 Prozent für eine gute Idee. Ähnlich sah das Ergebnis einer Forsa-Umfrage im März 2022 aus: 65 Prozent der Ostdeutschen sprachen sich damals für eine Anklage Putins vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag aus. 27 Prozent waren dagegen. In Westdeutschland lag das Ergebnis bei 92 Prozent Für- und sechs Prozent Gegenstimmen. Woher rührt diese enge Verbundenheit zu Russland, die insbesondere in den ostdeutschen Bundesländern bis heute fortzubestehen scheint? Warum sind die Gräben zwischen den sogenannten "alten" und "neuen" Bundesländern mehr als 30 Jahre nach dem Mauerfall immer noch präsent? Die ARD-Journalistin Jessy Wellmer sucht in der Reportage "Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche", die in Zusammenarbeit mit dem Filmautor Falko Korth entstand, nach Antworten.

Jessy Wellmer wurde 1979 in Güstrow, einer Kleinstadt im heutigen Mecklenburg-Vorpommern, geboren. Die Verbindung zu Russland war in ihrer Familie schon immer präsent: Ihre Mutter war Russischlehrerin und interessierte sich für russische Literatur und Musik. Im Rahmen der Reportage besucht Wellmer ihre Eltern, aber auch Freunde der Familie, die als ehemalige DDR-Bürger einen ganz eigenen Blick auf Russland haben: Hat sich ihre einst so positive Haltung zu Russland seit dem Angriff auf die Ukraine verändert?

"In der DDR wurde die Sowjetunion immer als der große Bruder gefeiert", sagt Wellmer im Interview. "Das ganze aufgesetzte Getue um die deutsch-sowjetische Freundschaft" habe vielleicht oft genervt, doch je länger die DDR-Zeit zurückliege, umso "schöner und romantischer" stelle es sich im Rückblick für manche Ostdeutsche dar. "Die Liebe zu Russland" sei außerdem eine Möglichkeit, "sich vom Westen abzugrenzen", erklärt Wellmer: "Viele Ostdeutsche fühlten sich vom Westen von oben herab behandelt und vielen geht es jetzt wieder genauso". Ihre Devise für den Film sei daher, den Menschen zuzuhören und ihnen klarzumachen: "Da ist jemand, der nicht gleich reingrätscht und draufhaut. Im besten Fall können sich so die Gesprächskanäle wieder öffnen."

Auch außerhalb ihres privaten Umfelds trifft Wellmer Menschen, die mit ihrer Einstellung gegenüber Putin hadern: Der Gitarrist der Ostrock-Band Silly, Uwe Hassbecker, etwa verteidigte Putin lange in Diskussionen mit Freunden. Seit dem Angriff auf die Ukraine ist er jedoch massiv enttäuscht. Auch Linken-Urgestein Gregor Gysi hinterfragt das einst positive Russland-Bild seiner Partei. In Lubmin in Mecklenburg-Vorpommern hingegen trifft Wellmer den örtlichen SPD-Chef Frank Tornow, der erklärt, warum er sich nach wie vor für die Inbetriebnahme von Nord Stream 2 ausspricht.

"Hart aber fair"-Runde diskutiert über Doku

Direkt im Anschluss an die Reportage ist Jessy Wellmer in der Polit-Talkshow "Hart aber fair" zu Gast. Unter Moderation von Frank Plasberg wird sie dabei von ihren Dreherfahrungen berichten. Die deutsche Abhängigkeit von russischem Gas ist auch in "Geschichte im Ersten: Deutsche und Russen – Frieden und Krieg" (22.50 Uhr) Thema: Unter Regie von Artem Demenok blickt der Film auf die Beziehung beider Länder seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion 1991. Die zelebrierte "Männerfreundschaft" zwischen Wladimir Putin und Ex-Kanzler Gerhard Schröder wird dabei ebenso angesprochen wie die aggressive Rhetorik Putins auf der Münchner Sicherheitskonferenz 2007. Warum wurden Putins fatale Ambitionen vor allem in Deutschland so lange unterschätzt? Und womit lässt sich das Verständnis für seine Politik in Teilen der deutschen Öffentlichkeit erklären? Zur Beantwortung dieser und weiterer Fragen kommen in dem Film unter anderem die Schriftsteller Ingo Schulze und Wladimir Sorokin, der außenpolitische Berater von Bundeskanzler Helmut Kohl Horst Teltschik und der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck zu Wort.

Die Story im Ersten: Russland, Putin und wir Ostdeutsche – Mo. 24.10. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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