Dokumentarfilm

"Sturm auf das Kapitol": minutiöses Protokoll im Ersten

06.01.2022, 08.23 Uhr
von Maximilian Haase

Genau ein Jahr ist es her, dass ein Mob aus Trump-Anhängern das Kapitol in Washington stürmte. Eine Doku im Ersten zeichnet die Vorgänge minutiös nach.

ARD
Sturm auf das Kapitol. Der Angriff auf die US-Demokratie
Dokumentation • 06.01.2022 • 22:15 Uhr

Martialisch dreinschauende Typen in Trump-Kluft motivieren sich gegenseitig mit Kampfparolen; als Mob ziehen sie entschlossen Richtung Kapitol, wo gerade die Wahlniederlage ihres Idols besiegelt werden soll. Es sei ihr Haus, sie hätten das Recht, es zu betreten, brüllen sie. Dann eskaliert die Lage, Absperrgitter fliegen auf die Sicherheitskräfte, die Polizei wirft Rauchgranaten, wird schließlich aber von der Masse überrannt. Es sind beeindruckende Bilder, die den Zuschauer von Beginn an mitreißen: Die in den USA und Großbritannien bereits gefeierte Dokumentation "Sturm auf das Kapitol. Der Angriff auf die US-Demokratie", rekonstruiert die schockierenden Ereignisse vom 6. Januar 2021 minutengenau. Nun, zum Jahrestag des Kapitolsturms, wird der als "realer Politthriller" angekündigte Film von Autor und Regisseur Jamie Roberts auch im Ersten ausgestrahlt.

Die gemeinsam von HBO, BBC und SWR produzierte Dokumentation zeichnet anhand von teilweise unveröffentlichtem Material – darunter Handy- und Videoaufnahmen der Angreifer, Bodycams der Polizisten und Überwachungskameras aus dem Kapitol – nach, was in den denkwürdigen vier Stunden geschah, als die Grundpfeiler der US-Demokratie zeitweise zu wackeln schienen. Atmemberaubende Bilder zeigen bis ins Detail, wer sich am Sturm beteiligte, die Trump-Anhänger scheinen auf Anonymität im Netz wenig Wert zu legen – manche streamten den Angriff gar online live. Man sieht Anhänger der rechtsextremen Organisation "Proud Boys", Verschwörungstheoretiker von QAnon, wild Kostümierte, aber auch scheinbar normale Menschen, die den Wahlausgang nicht anerkennen wollten – und dem Aufruf des Noch-Präsidenten Donald Trump gefolgt waren, zum Kapitol aufzubrechen.

Auch die Ereignisse im Kapitol selbst, nachdem die Scheiben gesplittert waren und der Mob sich Zutritt verschafft hatte, werden in ungesehenen Aufnahmen dokumentiert – mit einer fast schon gespenstischen Nähe. Zu sehen ist der berühmte Wikinger, der die Titelseiten schmückte, zu sehen sind aber auch jene "angry white men", für die das ganze kein Spiel war. Während die einen nur aus Lust an der Sensation mitgemacht hätten, sei eine weitere Gruppe wirklich gewaltbereit gewesen, berichtet einer der Befragten, die in Interviews zu Wort kommen. Gesprochen haben die Filmemacher nicht nur mit Polizisten, Politikern und Journalisten, sondern auch mit Trump-Anhängern und Mitläufern, die aus ihrer bisweilen erschreckend naiven Perspektive von ihrer Motivation berichten.

Gerade die Aufnahmen aus dem Inneren des Gebäudes verdeutlichen, wie wahrscheinlich ein großes Blutbad an jenem Tag hätte sein können – und wie nah die Bedrohung für die Abgeordneten war, die sich im Kongress verstecken mussten, bevor sie in geheime Escaperooms fliehen konnten.

Zum heldenhaften Symbol des 6. Januar geriet beispielsweise Eugene Goodman von der Kapitol-Polizei. Der Beamte hielt die Angreifer im Alleingang zurück, wie der Film dokumentiert, lenkte sie vom großen Saal weg – und verzichtete darauf, mit dem Ziehen der Waffe die Situation vollends eskalieren zu lassen.

Sturm auf das Kapitol. Der Angriff auf die US-Demokratie – Do. 06.01. – ARD: 22.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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