ARD-Krimi

"Tatort: Das Tor zur Hölle" – Dämonen in Wien?

02.10.2022, 08.37 Uhr
von Eric Leimann

Ein Priester wird ermordet. Es ist der Auftakt zu einem ziemlich okkulten "Tatort" aus Wien, denn der Mann war als Exorzist tätig.

ARD
Tatort: Das Tor zur Hölle
Kriminslfilm • 02.10.2022 • 20:15 Uhr

Mitten in Wien wird ein Priester am Fuß einer Treppe ermordet aufgefunden. Es handelt sich um den im "Befreiungsdienst" tätigen Prälaten Manfred Gabler – einen Exorzisten. Moritz Eisner (Harald Krassnitzer) und Bibi Fellner (Adele Neuhauser) erfahren, dass der Mann mitten in einem – offenbar geheimen – Projekt steckte und sich mit einer unbekannten Person traf. Natürlich hatte der Priester, eine ziemliche B-Movie-Idee, ein Amulett mit dem Satanssymbol bei sich. Moritz und Bibi nehmen im neuen "Tatort" das Umfeld des Toten unter die Lupe und treffen dabei auf Menschen, die Teufelsaustreibungen, Besessenheit und sogar die Suche nach einem angeblich in Wien befindlichen "Tor zur Hölle" ziemlich ernsthaft – aber von unterschiedlichen Disziplinen kommend – betreiben.

Der junge Kaplan Raimund (Lukas Watzl), so etwas wie der designierte Nachfolger des verstorbenen Teufelsaustreibers, Okkultismusforscherin Tea Berkovic (Angela Gregovic) und Psychiater August Sittsam (Sven Eric Bechtolf), der von der Kirche bei Befreiungsdiensten hinzugezogen wird, klären in der Geschichte über die Welt des Teufels und seine irdischen Machenschaften auf. Selbstredend muss es dabei auch wieder eine Figur aus Bibis Vergangenheit geben, die bei den Ermittlungen eine wichtige Rolle spielt. Ex-Zuhälter Günther Dambusch (Roland Düringer) scheint mehr über den Fall zu wissen, lebt aber in einer nervösen Furcht vor den Kräften eines diffusen Bösen und ist deshalb sparsam mit seinen Informationen. Wird er Moritz Eisner und Bibi Fellner, die außerdem noch von Gruselträumen aus ihrer Kindheit verfolgt wird, weiterhelfen können?

Auch eine tatsächlich "besessene" Figur gibt es im Drehbuch des erfahrenen österreichischen Filmemachers Thomas Roth, dessen größter Erfolg als Regisseur wohl das 2008 gedrehte Falco-Biopics "Verdammt, wir leben noch" ist: Die junge Nathalie (Maresi Riegner) spricht zwischendurch unerwartet in fremden Stimmen und soll von einem Dämon besessen sein. Der Austreibungs-Prozess läuft. Könnte eine wiederhergestellte Nathalie, die zu dessen Lebzeiten mit dem toten Priester zu tun hatte, wichtige Erkenntnisse liefern? Dafür müsste die seltsame, mädchenhafte Frau erst mal wieder ganz "bei sich" sein. Moritz und Bibi sollen vor der Tür warten, während der neue Exorzist seinem Dienst nachgeht. Doch geht es in diesem ersten Wiener "Tatort" der Saison 2022/23 überhaupt mit rechten Dingen zu?

Ausflüge in die Welt des Teufels und des Okkulten haben dem "Tatort" in den letzten Jahren selten gutgetan. Der Stuttgarter Fall "Hüter der Schwelle" (2019) war einer der schwächsten der in den letzten Jahre fast stabil herausragenden Schwaben-"Tatorte". Auch das experimentierfreudige Frankfurter Revier tat sich mit dem Horror-"Tatort: Fürchte dich" (2017) keinen Gefallen. Einzig und allein die Dresdner Folge "Parasomnia" (2020) war eine wunderbar stimmungsvolle "Tatort"-Variante des artverwandten Grusel-, Geister- und Haus-Horror-Genres. Der Krimi gelang deshalb, weil die Filmemacher und ihre Figuren das Übernatürliche ernst nahmen.

Nur die Besessene ist ein Lichtblick

Genau das ist jedoch ein großes Problem beim Wiener Okkultismus-Krimi: Er scheint irgendwie selbst nicht so recht an seine Geschichte zu glauben. Gut, Bibi hat Albträume von Geisterbeschwörungen, die sie als Kind erlebte, und sie trifft ein vom Dämon besessenes Mädchen, dessen teuflische Persönlichkeit die erfahrene Ermittlerin durchaus aus dem Konzept zu bringen versteht. Hingegen kommt Moritz Eisner der Part des weltlichen Kritikers zu, der alles Übersinnliche abstreitet und spöttisch kommentiert. Das sonstige Personal des Wiener "Tatort"-Veteranen Thomas Roth (Buch und Regie) ist dann ziemlich offensichtlich dazu da, Zuschauerinnen und Zuschauern die Rechercheergebnisse der Macher Erklärbär-mäßig aus unterschiedlichen Perspektiven nahezubringen: Theorien und Hintergründe zum Okkulten gibt es von Kirchenvertretern, Historikern, Psychiatern und natürlich den Okkultisten und Besessenen selbst.

Leider hat man dabei durchgängig das Gefühl, einem inszenierten Mummenschanz beizuwohnen. Schlimmer noch: Sogar die Figuren des Krimis agieren so chargenhaft, als ob man sich in einem Schmunzelkrimi der nicht allzu anspruchsvollen Sorte befände und ein wenig mit dem Horrorgenre aus einer sehr altmodischen, ironisierenden Ecke gespielt würde.

Eine positive Ausnahme gilt es festzuhalten: Immer dann, wenn die bereits mit vielen Preisen ausgezeichnete junge österreichische Schauspielerin Maresi Riegner als vom Dämon Besessene auftaucht, läuft einem ein Schauer über den Rücken, und man könnte meinen, dieser altbackene "Tatort" könne doch irgendwann noch die Kurve kriegen. Tut er aber nicht: "Das Tor zur Hölle" ist der definitiv schwächste Wiener Beitrag seit einigen Jahren.

Tatort: Das Tor zur Hölle – So. 02.10. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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