Neuer Fall im ARD-Krimi

"Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder": Ein Mord erschüttert das Vertrauen im Freundeskreis

14.05.2023, 08.22 Uhr
von Eric Leimann

Der "Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder" führt die Ermittler Tobler (Eva Löbau) und Berg (Hans-Jochen Wagner) in eine moderne Freiburger Patchwork-Familie mit fast erwachsenen Kindern. Das Vertrauen, das dort herrscht, wird durch einen Mord im Freundeskreis erschüttert.

ARD
Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder
Kriminalfilm • 14.05.2023 • 20:20 Uhr

Dass moderne Eltern ihre Kinder – zumal, wenn sie fast erwachsen sind – eher als Partner denn als hierarchisch "Untergebene" betrachten, ist ein Phänomen westlich-aufgeklärter Pädagogik. Im Wohlfühlklima der "woken" Bildungsbürger mag dieser partnerschaftliche Vorsatz besonders stark ausgeprägt sein – weshalb der neue "Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder" mit den Ermittlern Franziska Tobler (Eva Löbau) und Friedemann Berg (Hans-Jochen Wagner) dort sicher gut verortet ist: Miriam Schenk (Susanne Bormann) und Paul Wolf (Christian Schmidt) bilden mit ihren fast erwachsenen Kindern Zoé (Caroline Cousin) und Benno (Aniol Kirberg) seit Jahren eine gut funktionierende Patchworkfamilie. Beide Eltern arbeiten selbständig als Instrumentenbauerin und Klavierlehrer. Pauls Tochter hat gerade Abi gemacht, Benno besucht noch die Schule. Als deren gemeinsamer Freund Chris ermordet aufgefunden wird, brechen Gewalt und Misstrauen in die Komfortzone des schönen Freiburger Miteinanders ein.

Plötzlich schleicht sich der Zweifel ein

Tobler und Berg besuchen Chris' alleinerziehende schwarze Mutter (Dalila Abdallah), die im Rollstuhl sitzt, die Beamten aber höflich und gefasst empfängt. Fassungslosigkeit herrscht hingegen im Patchwork Schenk/Wolf, denn Miriam und Paul können sich nicht vorstellen, dass ihre Kinder etwas mit dem Fall des toten Freundes zu tun haben. Trotz eines Vierergesprächs am Patchwork-Familientisch, bei dem sich alle ihre gegenseitige Unterstützung zusichern, schleicht sich der Zweifel ins Lebenskonstrukt ein.

Benno sucht die Unterstützung seines gut situierten leiblichen Vaters Oliver (Kai Ivo Baulitz), weil er eine größere Summe Geld benötigt. Parallel zum Leben der Eltern und Jugendlichen ihres Falles bekommt es die kinderlose "Franz" Berg auch privat mit einem Teenager zu tun: Nichte Vanessa (Lola Höller), die Tochter ihres Bruders, zieht bei Franziska ein, weil sie sich mit ihren Eltern verkracht hat. Der Aufenthalt bei der "coolen Tante" wird jedoch zum Höllenritt, weil die widerborstige Vanessa mit waghalsigen "Challenges" zur gefeierten Influencerin aufsteigen will.

Worin täuschen wir den Partner – und wo täuschen wir uns selbst?

Drehbuchautorin Astrid Ströher und Regisseur Kai Wessel, die häufig zusammenarbeiten, kreierten fürs Freiburger Dezernat bereits den "Tatort: Saras Geständnis" (2022), in dem Johanna Wokalek eine aus der Haft entlassene Frau spielt, die wieder gemordet haben soll. Ein Lieblingsthema Ströhers, die mit Wessel 2010 auch den viel beachteten Vergewaltigungsfilm "Es war einer von uns" realisierte, ist das Thema Schein und Sein, welches auch die Figuren dieses Krimis umtreibt. Man könnte nun sagen: Handelt nicht beinahe jeder Krimi von falschen Alibis, Behauptungen und einer (versuchten) Täuschung der Ermittler? Ja, aber in Ströhers Plots wird oft der Versuch unternommen, das Kriminalistische etwas "tiefer" zu betrachten: Worin täuschen wir den Partner – und wo täuschen wir uns selbst? Und was passiert eigentlich mit Gemeinschaften wie Familien oder Freundeskreisen, wenn solche Täuschungen auffliegen?

In "Das geheime Leben unserer Kinder" sieht man immer wieder das im "Tatort" selten genutzte filmische Stilmittel der Splitscreen. Hier wird der geteilte Bildschirm dazu eingesetzt, parallele Handlungen der Protagonistinnen und Protagonisten zu zeigen, die nicht immer mit dem übereinstimmen, was diese zuvor zu tun angekündigt haben. Wobei das "geheime Leben" nicht nur zwischen den Generationen existiert, sondern auch durchaus zwischen den Erwachsenen.

Nachwuchsdarsteller im Krimi

Nicht alles am zehnten gemeinsamen Fall von Tobler und Berg ist trotz des interessanten Themas "Was wissen wir eigentlich voneinander?" geglückt. So ist der Erzählstrang mit Toblers Nichte etwas plump geraten und der gesamte Plot an manchen Stellen – in Sachen Logik – durchaus gewagt. Dennoch reißen es die Schauspieler – wie immer fantastisch: Susanne Bormann als Mutter – heraus.

Auch die Nachwuchsdarsteller sollte man auf dem Schirm haben. Aniol Kirberg, der auch in "A Thin Line" bei Paramount+, einer Serie über radikale Umweltaktivisten, überzeugte, ist einer der gefeierten Jungstars der Berliner Theaterszene. Und wem Caroline Cousin, die seine große "Schwester" verkörpert, ebenfalls bekannt vorkommt: Sie spielte erst in der Vorwoche im Kieler "Tatort: Borowski und die große Wut" eine psychisch hochlabile 18-Jährige, die sich mit Axel "Borowski" Milberg am Telefon duellierte. Zwei große "Tatort"-Rollen binnen einer Woche dürften eine spannende Zeit für die 2000 geborene Berlinerin bedeuten, die derzeit am Düsseldorfer Schauspielhaus beschäftigt ist.

Diese "Tatort"-Folgen soll niemand mehr sehen

Seit mehr als 50 Jahren erfreut sich der ARD-Krimi "Tatort" ungebrochener Beliebtheit. Doch es gibt da ein paar Folgen, die tanzen bei der Krimi-Serie aus der Reihe. Es sind Episoden, die aus verschiedenen Gründen nicht mehr im Fernsehen gezeigt werden dürfen. Was passiert geheimnisvolles in den "Tatort"-Folgen, die niemand mehr sehen soll? Was ist so schlimm an den Krimis? Wir haben die verbotenen Filme hier unter die Lupe genommen.

Tatort: Das geheime Leben unserer Kinder – So. 14.05. – ARD: 20.20 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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