Neue Krimi-Folge

"Tatort: Deine Mutter": Ermittlungen in Wiens Rap-Szene

16.09.2024, 09.33 Uhr
von Eric Leimann

Endlich ist die XXL-Sommerpause 2024 vorbei: Im "Tatort: Deine Mutter" untersuchen die Wiener Ermittler Eisner und Fellner einen Mord in der Wiener Rap-Szene und mutieren selbst zu MCs. "Sie stecken dich in old black Leichensack" – ist es nur eine Gangsta-Rap-Floskel oder eine Morddrohung?

ARD
Tatort: Deine Mutter
Kriminalfilm • 15.09.2024 • 20:15 Uhr

Unter Gangsterrappern

"Sie stecken dich in old black Leichensack. Zück die neuf millimètre, entsicher', lad nach und puste dich weg". – Ist es nur eine klassische Gangsta-Rap-Reimfloskel, welche die Wiener "Tatort"-Ermittler Moritz Eisner (Harald Krassnitzer), Bibi Fellner (Adele Neuhauser) und Meret Schande (Christina Scherrer) im Video von Akman 47 (Murat Seven) hören? Oder ist es "genau genommen eine öffentliche Morddrohung", wie Eisner meint. Warum die Polizisten im "Tatort: Deine Mutter", dem ersten freshen nach beinahe unendlich langer Sommerpause des Formats, überhaupt in die Wiener Rap-Szene eintauchen, hat seinen Grund. Ted Candy, gespielt von Aleksandar Simonovski, in der österreichischen HipHop-Szene auch als Yugo oder auch Jugo Ürdens (!) bekannt, liegt erschlagen in einem Parkhaus. Und die bösen Worte seines ehemaligen Förderers und Labelchefs Akman, sie galten ihm.

Offensichtlich gab es "Beef" zwischen dem Altstar und dem jüngeren Superstar der Szene. Vielleicht, weil Ted Candy das Straßenlabel von Akman, das von dessen hochschwangerer Freundin Sarah (Salka Weber) gemanagt wird, verlassen wollte?

Eisner und Fellner, die von HipHop zuvor offenbar wenig Ahnung hatten, belegen in dieser Folge (Drehbuch: Samuel Deisenberg und Franziska Pflaum) einen Crash-Kurs in Sachen Jugend- und Straßenkultur. Wie ernst ist der "Beef", ein Streit unter Rappern, tatsächlich zu nehmen? Moritz Eisner erzählt in einer Szene seiner Freundin Bibi die alte Geschichte von Biggie Smalls aka The Notorious B.I.G. und 2Pac. Der legendäre Streit zwischen East- und West-Coast-Rap in den USA der 90-er endete mit dem Tod beider Protagonisten durch Erschießen.

In der "Tatort"-Tätersuche zwischen schweißtreibendem HipHop-Club und YouTube-Video-Studium werden aber noch andere Dinge verhandelt: Was wollen die Rapper zwischen den Zeilen wirklich sagen? Warum überleben in dieser Szene Misogynie und Homophobie – gerade so, als wäre man noch in den 90-ern? Und weshalb lag der tote Rapper, der ebenso den Drogen zusprach wie seine mit ihm lebende Mutter (Edita Malovcic) dem Alkohol, ausgerechnet vor der Parkhaustür zu Akmans Label? Ist das alles nicht ein bisschen zu einfach?

"Tatort" mit der echten Wiener Rap-Szene

Zunächst die gute Nachricht: Die Musikszene ist im "Tatort: Deine Mutter" gut getroffen. Konzertausschnitte und Videos wirken "real", weil man neben Ted Candy-Darsteller Yugo, der in Rückblenden und Videos relativ viel Screentime für einen Toten hat, weitere echte Rapper besetzt hat: Kiara aka "KeKe" Hollatko spielt Dalia, eine aufstrebende Stimme im HipHop. Francis Ayozieuwa verkörpert ihren Freund, Nachwuchs-Rapper Bashir Ahmadi, der sich mit dem toten Ted Candy das Label teilte. War er eifersüchtig auf den Erfolg des Zugpferdes? Auch Regisseurin Mirjam Unger ("Tage, die es nicht gab") kennt sich in der Szene aus. Sie arbeitete früher als Musikjournalistin und moderierte Jugendsendungen im ORF.

Für das Drehbuch-Team Samuel Deisenberg und Franziska Pflaum, echte HipHop-Fans, erfüllte sich mit diesem Krimi einen Traum: "Alle Themen, die mit der Kultur verbunden sind, wie das Frauenbild, Homosexualität, Drogenmissbrauch, Stardom, Rap als Sprachrohr und Ausdrucksform der weniger Privilegierten haben so ihren Weg in die Geschichte gefunden." Angesichts der starken Musikszenen in diesem Krimi ist es vielleicht zu verschmerzen, dass der Fall an sich nicht völlig überzeugt. Er wirkt ein bisschen lieblos gebaut und schmiert im Vergleich zu jener Sorgfalt, mit der die Szene gezeichnet wird, eindeutig ab- was jedoch zu verschmerzen ist.

Wie Moritz und Bibi Hip-Hop lernten ...

Dafür darf man sich früh im Film, in Minute 17, über eine Szene freuen, die jetzt schon als Alltime-Highlight des bekanntlich recht reifen Wiener "Tatort"-Teams gelten darf: Da werden Eisner, Fellner und ihr ganzer Polizeiapparat selbst Teil einer Rap-Perfomance. Für einen Nachtdreh hat man gar eine Wiener Brücke in einem Problemviertel gesperrt. "Der Musiker Yugo", erzählt Schauspieler Harald Krassnitzer, "hat es uns so weit beibringen können, dass es nicht allzu peinlich wirkt. Er hat uns einen Song aufgezeichnet, den wir Tag und Nacht gehört haben, solange bis wir ihn draufhatten. Wir haben dann versucht, auch seine Moves so gut wie möglich zu imitieren."

Am Ende cruisen Moritz und Bibi durchs nächtliche Wien und führen zum Rap-Sound aus den Autoboxen ein Fachgespräch darüber, welche(r) Rapper(in) aus der Ermittlung der oder die beste sei. Auch das ist eine schöne Schlussszene und überhaupt nicht peinlich – was man im guten, alten "Tatort" auch erst mal schaffen muss.

Tatort: Deine Mutter – So. 15.09. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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