"Wer zögert, ist tot"

"Tatort" aus Frankfurt: Cats and Dogs

von Eric Leimann

Ein junger Mann wird von Tätern mit Hundemasken entführt. Er selbst ist ein Katzenfan. Kann das Zufall sein? Der erste "Tatort" nach der Sommerpause kommt aus Frankfurt.

ARD
Tatort: Wer zögert, ist tot
Kriminalfilm • 29.08.2021 • 20:15 Uhr

"Wenn ich der Entführer wäre, würde ich doch den tätowierten Finger abschneiden", sagt der alles andere als sympathisch gezeichnete Wirtschaftsanwalt Konrad Seibold (Bernhard Schütz) im Frankfurter Tatort "Wer zögert, ist tot". Die Ermittler Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch) erschaudern etwas, auch wenn sie schlechte Menschen gewohnt sind. Seibolds erwachsener Sohn Frederick (Helgi Schmid) wurde von einer Hundemasken tragenden Gangster-Squad direkt vom Golfplatz entführt. Seine Ex-Partnerin Bille Kerbel (Britta Hammelstein) und eben der fiese Vater haben jeweils einen Finger des Gefangenen zugeschickt bekommen. Konrad Seibold, ein vermögender Misanthrop und einzig und allein seiner Rassekatze zugetan, zweifelt allerdings stark an der Echtheit des Verbrechens.

Sohn Frederick, ein Glamour-Hallodri mit Stärken auf dem Golfplatz und als Plattensammler, ist mit dem Vater zerstritten – und meist knapp bei Kasse. Auch Ex-Freundin Bille hat längst den Daumen über Frederick gesenkt, beurteilt den Vater ihrer beiden Kinder, der sich nie groß für die Kleinen interessierte, jedoch weitaus milder als dessen Erzeuger. Dennoch stellt sich bald heraus, dass die abgetrennten Finger tatsächlich nicht von Frederick stammen.

Als in einem Wald die Leiche einer jungen Frau entdeckt wird, weisen dort gefundene Indizien nicht nur in Richtung des Entführungsfalles Frederick Seibold, sondern auch zum Sportstudio von Conny Kaiserling (Christina Große). In diesem Gym werden Frauen in Selbstverteidigung trainiert. Ermittler Brix überredet seine im Zustand akuter Melancholie befindliche Freundin Fanny (Zazie de Paris), sich dort anzumelden, um Selbstbewusstsein zu tanken und "undercover" zu ermitteln ...

Dass im Frankfurter "Tatort" auf dem kriminalistischen Schwebebalken zwischen Drama und Komödie balanciert wird, ist in letzter Zeit eher Regel denn Ausnahme. Manchmal kamen bei dieser durchaus ein bisschen an den Coen-Brüdern orientierten Methode tolle Filme heraus, wie zum Beispiel der hessische "Fargo"-Wiedergänger "Falscher Hase" (2019). Dann wieder blieben die ambitionierten Frankfurter wie zuletzt in der Agentenfamilien-Dramedy "Funkstille" ein bisschen blutleer in ihrem Konzept stecken.

Bei "Wer zögert, ist tot" hatte Autorin und Regisseurin Petra Lüschow ("Petting und Pershing") offenbar eine Menge Themen im Kopf: das bittere Porträt einer hochgradig dysfunktionalen Vater-Sohn-Beziehung wird mit der Selbstermächtigungs-Ballade rund um eine Gruppe benachteiligter Frauen kontrastiert. Daneben gibt es sprechende Hunde als Entführer mit Niedlichkeitsfaktor, Katzen-Witze und so manche, vor allem männliche Figur, die fast schon wie im Münsteraner "Tatort" derb überzeichnet und damit ein wenig klamottig wirkt.

Petra Lüschow, die auch als Filmdozentin arbeitet, hat in diesem Sommer bereits ihren nächsten Frankfurter Fall "Finsternis" abgedreht. Er wird Janneke und Brix 2022 beschäftigen. "Im Zentrum meiner Geschichten", sagt Lüschow, "stehen ambivalente, verletzliche Figuren, die tapfer kämpfen, aber nicht immer gewinnen. Mich interessiert, warum wir gefangen bleiben und was uns gefangen hält, aber das Tragische, das dem zugrunde liegt, lässt sich im Komischen oft besser präzisieren. Komik ist gewandelter Schmerz."

Das Zitat könnte so oder so ähnlich wahrscheinlich auch von den Coen-Brüdern stammen, deren dunkelhumoristisch-philosophische Werke das Weltkino seit den 80-ern bereichern. Dass der Grat zwischen in Belanglosigkeit abkippende Groteske und großer tragikomischer Filmkunst schmal ist, beweist dieser 13. Fall von Janneke und Brix. Er ist zwar nicht völlig misslungen, aber – in einem wohlgemerkt sehr starken Œuvre – dennoch einer ihrer schwächsten.

Tatort: Wer zögert, ist tot – So. 29.08. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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