Intensivmediziner begrüßt Abschaffung von 50er-Inzidenz als Maßstab
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hat sich für eine Abkehr von der 50er-Inzidenz als Maßstab für Einschränkungen ausgesprochen. Der DIVI-Präsident Prof. Dr. Gernot Marx hält diese Entscheidung für richtig.
Seit einigen Wochen steigt die Anzahl an Neuinfektionen in der Corona-Pandemie wieder kontinuierlich an. Dennoch will der Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) die Sieben-Tage-Inzidenz von 50 als Kriterium im Infektionsschutzgesetz streichen. Ist diese Entscheidung zum derzeitigen Zeitpunkt richtig? Dunja Hayali bat den Prof. Dr. Gernot Marx, den Präsidenten der Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI) im Rahmen des "ZDF-Morgenmagazin" am Dienstagvormittag um seine Einschätzung.
"Wir befürworten den Entschluss von Gesundheitsminister Spahn", betonte Intensivmediziner Marx mit Verweis auf die steigende Impfquote. Die Sorge, dass man durch diese Entscheidung dem Infektionsgeschehen hinterherrennen würde, teilte er nicht: "Die Abkehr von der 50er-Inzidenz heißt ja nicht, dass wir die Inzidenz nicht mehr als relevant betrachten." Man wisse inzwischen, dass etwa sechs Prozent aller Infizierten mit Corona in den Krankenhäusern behandelt werden müssen. Doch genau deshalb sei die Betrachtung der Neuaufnahmen und der Belegungsquote der Intensivstationen wichtig.
Angaben des Robert-Koch-Insituts zufolge seien am vergangenen Montag 1,28 Menschen pro 100.000 Einwohner hospitalisiert worden. In seinem Heimatbundesland Nordrhein-Westfalen sei dies von den Einrichtungen gut zu verkraften, sagte der Intensivmediziner: "Das stellt überhaupt keine Bedrohung des Gesundheitssystems dar." Allerdings, räumte er weiter ein, sei die Frage, ab welchem Wert eine Überlastung des Gesundheitssystems drohen könnte, nicht leicht zu beantworten: Man müsse die Lage jeden Tag anschauen. Die Tatsache, dass die Zahl der Intensivpatienten derzeit doppelt so hoch wie noch vor vier Wochen sei, bereite ihm durchaus Sorge. Anfang des Jahres sei man mit knapp 6.000 Intensivpatienten tatsächlich an die Grenzen gestoßen: "Dort mussten wir Patienten aus bestimmten Regionen in andere Regionen verlegen. Das hat es zuvor in Deutschland noch nicht gegeben. Und ich glaube, in diesen Bereich dürfen wir nicht noch einmal kommen."
Zuletzt warb der 55-Jährige noch einmal fürs Impfen: "Ich denke tatsächlich, dass der Impfstatus Freiheiten ermöglicht", erklärte er. Das sei genau richtig. Wichtig sei es nun, die noch nicht Geimpften dazu zu bringen, sich zu informieren und anschließend impfen zu lassen. Denn: "Wir Bürgerinnen und Bürger dieses Landes haben es nach wie vor selbst heute noch in der Hand, wie steil die Kurve in der vierten Welle verlaufen wird, und ich hoffe, sie ist flach."
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH