ARD-Talkshow

Diskussion über Klimaschutz bei "Hart aber fair": eine gegen alle

von Frank Rauscher

Welcher Partei kann man in Sachen Klimaschutz vertrauen? Zu diesem Thema wurde am Montag bei "Hart aber fair" diskutiert. Klimaaktivistin Pauline Brünger (19) gab eine eindeutige Antwort ...

Noch fünf Wochen bis zur Wahl: Höchste Zeit, dass die TV-Talks aus der Sommerpause kommen – zumal die Nachrichtenlage der zurückliegenden Monate recht wenig mit Begriffen wie "Sommer" oder "Pause" zu tun hatte. Fast logisch, dass Frank Plasberg am Montagabend in seiner ersten "Hart aber fair"-Sendung seit Mitte Juni unter dem Titel "Klimaschutz im Bürger-Check: Welcher Partei kann man vertrauen?" über das übergroße, aber eben auch zentrale Thema Klimaschutz debattieren ließ.

Mindestens ebenso klar war natürlich schon vorher, wie sich so ein TV-Diskurs in Wahlkampfzeiten gestalten würde: Es wird viel über Vergangenes geredet und über Versäumnisse Politik gestritten, ansonsten sagen alle über weite Strecken irgendwie das Richtige, keiner hat am großen Ziel, die Klimawende herbeizuführen, etwas auszusetzen. Nur wenn es um die konkrete Umsetzung geht, ums Finanzielle und um die Realitäten, mit denen man den Bürger irgendwann zwangsläufig konfrontieren muss, erhitzen sich vorübergehend die Gemüter.

Den Part, den anwesenden Politikern (Bundesumweltministerin Svenja Schulze, SPD, CSU-Generalsekretär Markus Blume und Cem Özdemir, B'90, Die Grünen) ihre vielen schönen "Wir müssten/sollen/dürfen ..."-Sätze zurückzuweisen und beinahe schon zynische Phrasen der Marke Klimaschutz könne doch auch Spaß machen (Blume) zu kontern, hat am Montag die Studentin Pauline Brünger, Klimaaktivistin und Sprecherin von "Fridays for Future", übernommen.

Klimaaktivistin fordert mehr Klimaschutz in den Wahlprogrammen

Keine Partei habe ein Wahlprogramm vorgelegt, das mit der "physikalischen Klima-Realität zusammenpasst" und auf die vorberechneten Modelle konkret Bezug nehme. "Eine wahnsinnige Enttäuschung", befand sie – "für jemanden wie mich, der jetzt zweieinhalb Jahre auf der Straße steht, weil die Bürger:innen sagen: Klimaschutz ist ein Anliegen für mich." Schließlich wolle die "überwältigende Mehrheit der Menschen in diesem Land" den Klimaschutz. Sie forderte die Parteien dazu auf, Programme vorzulegen, mit denen das 1,5-Grad-Klimaschutz-Ziel zu erreichen ist.

Prompt kam die dazu passende Einlassung von Michael Hüther, Wirtschaftswissenschaftler und Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln): "Aber die Menschen wollen es auch vernünftig gemacht haben." Ohne die dafür erforderlichen Mehrheiten, so Hüther, der in der Sendung die Rolle des Erklärers und Vermittlers trefflich erfüllte, sei gar nichts umsetzbar. "Es hilft doch nichts, wenn sie's den Menschen verordnen!", sagte er, und: "Wir sind in einer Demokratie!"

Mehr Wahrheit ist vermutlich nicht in einen Satz zu packen, und das zeigt auch schon das ganze Dilemma einer solchen Debatte, in der von Lastenfahrrädern über Tempolimit bis Braunkohleausstieg vieles abgehakt wurde, was einem zum Thema Klima aktuell so einfällt: Alle haben irgendwie Recht, aber wirklich weiter kommt man auf diese Weise auch nicht. Es braucht den breiten Konsens, denn, so resümierte es ganz zum Schluss der Sendung Michael Hüther: "Wir müssen in Handlung kommen."

Da wollte nach knapp 75 Minuten auch keiner mehr widersprechen. Das Angenehme bei dieser "Hart aber fair"-Sendung über das Klima war ohnehin ausgerechnet das Klima. Immer wenn es in der Auftaktsendung nach der Sommerpause eine Spur zu hitzig und zu polemisch zu werden drohte, kam ein Diskutant mit einem Versöhnungsangebot daher.

"Wir sollten stolz darauf sein, dass wir Jugendliche haben, die sich für ihre Zukunft interessieren", warf etwa Cem Özdemir ein, als die anderen sich gerade auf die "Fridays For Future"-Aktivistin eingeschossen hatten. Er habe selbst eine Tochter, die sich bei der Initiative engagiert. Und das sei gut so: "Jedes Jahr, das wir verpennen, bedeutet, dass wir später mehr machen müssen, um weniger zu bekommen, und es kostet mehr." Da rate er "als Schwabe nicht dazu", so der Grünen-Politiker.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze verwies auf das Klimaschutzgesetz, welches die Maßnahmen ja bereits verbindlich mache. "Wir steigen aus der Kohle aus, wir steigen aus Atom aus. Und da werden wir deutlich schneller werden müssen." Alarmismus ist ihre Sache jedoch nicht: "Das wird eine schwierige Veränderung, aber eine, die wir meistern können", erklärte sie im besten Wahlkampfmodus, dem sich aktuell offenbar auch Markus Blume verschrieben hat.

Blume verhöhnt Lastenfahrräder-Idee

Der CSU-Mann unterstrich die Leistungen des Freistaats Bayern, der "Spitzenreiter bei den erneuerbaren Energien" sei. Niemand wolle die Welt in einem schlechteren Zustand an die nächste Generation übergeben, es gehe nun um den Weg dahin, so Blume. Der Wandel dürfe "nicht zu dem Preis der Deindustrialisierung" passieren. Er halte es "für falsch, wenn man jetzt versucht, den Menschen zusätzlich noch Angst zu machen". Blumes Devise: "Mit Innovationen, mit Fortschritt, mit neuen Technologien, mit Anreizen geht sehr viel!" Doch alles hat seine Grenzen. Stichwort: "Lastenfahrräder". Blume verhöhnte die grüne Idee, der Staat solle für Lastenfahrräder 1.000 Euro Zuschuss zahlen, als ein "nettes Programm für die grüne Bohème".

Überhaupt das liebe Geld. Frank Plasberg wollte seine mithin etwas zu geschmeidige Diskussion mit einer Gewissensfrage verschärfen: "Schuldenbremse oder Klimaschutz?" – beides zusammen sei kaum finanzierbar. Aktivistin Brünger gab ihm die passende Antwort: "Ich bin 19 Jahre alt und würde die Frage gern an die Politik zurückgeben. Ich glaube nicht, dass ich und Millionen junger Menschen auf der Straße die konkreten Konzepte für alles vorlegen müssen" Was jedoch klar sei: "Wir müssen wahnsinnig viel investieren, dass wir da rauskommen." Es sei davon auszugehen, dass es sehr viel günstiger sei, jetzt das Geld für entsprechende Maßnahmen in die Hand zu nehmen, als später eine viel teurere Zeche bezahlen zu müssen.

Dafür gab es reichlich Applaus im Studio – es war die erste Plasberg-Sendung mit Zuschauern seit Beginn der Pandemie. Und der Gastgeber nutzte den Flow, um Weiteres aus seinem jüngsten Gast herauszukitzeln: "Haben Sie Ihre Wahlentscheidung eigentlich schon getroffen?", wollte er wissen. "Nein", antwortete Pauline Brünger, die nach eigenem Bekunden zum ersten Mal in einer großen Talkshow saß, einmal mehr schlagfertig. "Ich warte immer noch darauf, dass eine Partei kommt und sagt: Wir haben uns verkalkuliert, wir haben Fehler gemacht, wir übernehmen die Verantwortung dafür und passen unser Wahlprogramm der Realität an.


Quelle: red/teleschau – der mediendienst GmbH

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