Sonntag am "Tatort"

"Tatort" Bremen: Viel Wind um nichts

12.06.2015, 11.00 Uhr
von Detlef Hartlap
Nach dem Mord an einem Umweltaktivisten ermitteln die Bremer Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) am Tatort.
BILDERGALERIE
Nach dem Mord an einem Umweltaktivisten ermitteln die Bremer Kommissare Inga Lürsen (Sabine Postel) und Stedefreund (Oliver Mommsen) am Tatort.  Fotoquelle: Radio Bremen/Jörg Landsberg

Was ein verzwickter Plot hätte werden können, ist am Ende ein kreuzbraves Geschichtchen um Geschäftemacher, die sich nicht aufs Geschäftemachen verstehen.

Mit Wind Kohle machen – das ist der Gedanke, der dem neuen Bremer Tatort zugrunde liegt. "Wer Wind erntet, sät Sturm" heißt er im Titel, was überdeutlich verkündet: Windenergie ist auch nicht recht und obendrein verdammt blutig.

Ja, was darf es denn bitte schön sein, wenn nicht Wind? Kohle macht Dreck und erwärmt die Erde über die ohnehin illusorischen zwei Grad plus hinaus; Kernenergie geht gar nicht, und die Sonne ist eine anspruchsvolle Freundin, die solange funktioniert, wie die Subventionen fließen.

Ein Plot mit Netz und doppeltem Boden

Den Autoren Wilfried Huismann, Dirk Morgenstern und Boris Dennulat schwebte, das lässt sich zuweilen ahnen, ein Plot mit Netz und doppeltem Boden vor, eine Geschichte, in der niemand der Gute ist und niemand der ganz Böse. Alles ist irgendwie Skandal. Alles ist irgendwie Betrug. Alles ist irgendwie gieriges Finanzgehabe, doch ein Drama zum Fürchten oder auch nur zur gespannten Teilnahme wird daraus nicht.

Da haben wir den buchstäblich alles riskierenden Naturschützer (Helmut Zierl), der nächtens raus zum Windpark auf hoher See schippert und die Welt mit Videos von Vögeln erschüttern will, die von den unablässig durch den Wind schneidenden Rotorflügeln getötet worden sind. Kann das sein?, fragt sich der Zuschauer. Ist das Fake? Vor allem aber drängt sich sofort der Verdacht auf, der Filmer wolle vor allem vor seiner Ex-Frau und seiner kleinen Tochter Eindruck schinden.

Helmut Zierl legt sich mächtig ins Zeug. Aber er ist niemand, der in den Film reinziehen könnte; dazu verströmt er zu viel schlecht gespielten Hass und fanatische Besserwisserei.

Heinze bleibt eher ein Abziehbild

Da ist der Windunternehmer (Thomas Heinze), der mit ein paar Claims in der Nordsee großen Reibach machen möchte, jedoch den gierigen Atem von Banken, Kapitalgesellschaften, Hedgefonds (was auch immer) im Nacken spürt. Thomas Heinze gibt sich alle Mühe, ein Stehaufmännchen vorzustellen, das von keiner Macht der Welt unterzukriegen ist und zur Not auch vor Bestechung nicht zurückschreckt. Doch auch er bleibt, wie Zierl, eher ein Abziehbild - keiner, mit dem man fiebern würde.

Achten Sie auf die Belegschaft seiner Windrotorenfabrik: Die Männer dürfen aufmarschieren wie in einem Western, sie dürfen grimmig gucken oder auch einsichtig, sie dürfen nicken. Sie sind Puppen. Belegschaft geht anders, Herr Baxmeyer!

Florian Baxmeyer ist der Tatort-Hausregisseur von Radio Bremen. 2014 inszenierte er eine Gewaltfantasie ("Brüder"), die bis zur Groteske übertrieb, aber in sich stilvoll war, so dass man sich das gerne ansah. So ganz nebenbei lieferte Baxmeyer mit diesem Film (es geht um eine tyrannische Immigrantenfamilie) eine perfekte Vorlage für die bald einsetzenden Pegida-Demonstrationen.

Danach kam "Alle meine Jungs", wiederum eine Gewalt- oder Allmachtsfantasie. Drunter machen es Bremen und Baxmeyer nicht. Immerhin war die Mafia-Werdung einer Müllwerker-Truppe (mit freundlicher Unterstützung eines Behörden-Ganoven) auch wieder recht charmant in Szene gesetzt. Dergleichen hilft, wenn der Inhalt Stuss ist.

Zuletzt kopierte Baxmeyer "Die Wiederkehr des Martin Guerre" (oder auch "Sommersby", die amerikanische Adaption von "Martin Guerre"), indem er eine verlorene Tochter nach Jahr und Tag heimkehren ließ. Ist sie's? Ist sie's nicht? Dank zweier außergewöhnlicher Schauspielerinnen – Gabriela Maria Schmeide als Mutter; Gro Swantje Kohlhof als Tochter – war der Film ein Ereignis.

Ein Tatort zum Vergessen

Nun also viel Wind um nichts. Annika Blendl gibt eine ins lukrative Zertifikatswesen gewechselte Naturschützerin und muss in einem fort leidend bis traurig aussehen. Rafael Stachowiak führt die Finanzmafia ins Gefecht und darf folgerichtig ein bisschen irre aus der Wäsche gucken.

Ein Tatort zum Vergessen. Zumal die Bremer TV-Kommissare zu den unauffälligsten ihrer Branche zählen. Die Leiche, die alle Ermittlungen auslöst, stellt einen neuen Nebensächlichkeitsrekord in der Tatort-Geschichte auf. Wenn Sie nicht ohnehin Besseres zu tun haben – gehen Sie raus in Sonne und Wind. Beides sind erstklassige Energielieferanten, beides tut einfach gut. Besser jedenfalls als Tatort gucken ...

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