"Tatort" Frankfurt: Ein Toter legt den Polizeiausweis vor
Insidergags und Beiläufigkeiten: Der zweite Tatort mit Margarita Broich und Wolfram Koch verschenkt sein Thema.
Frankfurt mit seiner zu "Mainhattan" hochstilisierten Skyline ist selten, vielleicht noch nie so schön ins Bild gerückt worden wie in der Tatortfolge "Hinter dem Spiegel". Die Kamera von Armin Alker geht ganz nah ran an die Banken- und Versicherungstürme, auf dass sie fett und gewalttätig wirken und ein Geheimnis bergen; dann wiederum lässt er sie im Verein mit der untergehenden Sonne von Ferne wirken, und gegen Ende grüßen sie beiläufig vom Rand des Blickwinkels.
Man sucht nach naheliegenden oder auch feinsinnig um die Ecke gedachten Korrespondenzen zu der Filmhandlung, doch sucht man vergebens. Der Film ist genial fotografiert, ein genialer Film ist er nicht.
Konsequent elektronisch und immer am Ball
Es gibt noch etwas, das Hinter dem Spiegel von anderen Tatortfolgen abhebt: die Musikuntermalung – sie ist konsequent elektronisch und im Gegensatz zu den schönen Bildern durchaus immer am Ball des Geschehens. Leider hält es der Hessische Rundfunk für nicht angebenswürdig, den Komponisten zu nennen, der diese Musik, die irgendwo hoch zwischen den Türmen entstanden sein muss, um in die Niederungen des gewöhnlichen Stadtlebens und Verbrechens abzusinken, geschrieben hat.
Muss man die Story erzählen? Sie ist so konventionell wie Zahnbelag. Folg der Spur des Geldes, die alte Krimi-Weisheit. Der Zuschauer muss nicht mal nach den vielen Tätern und auch nicht nach dem übelsten unter ihnen suchen, er kennt sie alle nach fünf bis fünfzehn Minuten. Nur Anna Janneke (Margarita Broich) und Paul Brix (Wolfram Koch), die neuen Frankfurter Kommissare in ihrem zweiten Fall, kennen sie nicht.
Erzählen wir lieber von den lustigen Beiläufigkeiten. Gleich beim ersten Toten hat Anna Janneke ihre Kamera vergessen, weswegen sie den Fritzen von der Spurensicherung bittet, noch mal alles besonders genau zu fotografieren.
Da lacht die Fernseh- und Theaterbranche, der Zuschauer lacht nicht. Er weiß nicht, dass Margarita Broich eine bekannte und leidenschaftliche Fotografin ist, die ihre Kamera nie vergisst. Soeben erschien von ihr ein wunderbarer Bildband – "Wenn der Vorhang fällt" -, in dem sie ihre Schauspielerkollegen unmittelbar nach dem Schlusspfiff, wie man im Sport sagen würde, also nach Ende der Vorstellung mit der Kamera beobachtet.
Zwischen Mafia und DFB
Ein anderer Insidergag ist die Lokalisierung eines Vergnügungsparks namens "Fun City" im Frankfurter Stadtteil Niederrad. Dort will die Russen-Mafia - folge dem Geld! -, investieren, um anderweitig erworbene Penunzen clean zu waschen. Tatsächlich ist gerade eine andere ehrenwerte Gesellschaft drauf und dran, in Niederrad gigantisch zu investieren, der Deutsche Fußball Bund, besser bekannt als DFB.
Das Engagement kommt auf eine etwas seltsame Art im Verbund mit dem Frankfurter Magistrat zustande, denn an Ort und Stelle in Niederrad laufen seit mehr als hundert Jahren Galopprennpferde um die Wette. Der Frankfurter Bevölkerung ist es, wie sich bei einer Befragung zeigte, nicht unbedingt recht, dass die Pferde den Fußballern (es soll eine "Fußball-Akademie" entstehen) weichen müssen.
Bevor wir es vergessen: Dieser Tatort lässt einen Toten wiederauferstehen. Der leicht retardierte Patty Schneider (Henning Peker) findet es klasse, dass er beim erschossenen Simon Finger (Dominique Horwitz) einen Polizeiausweis findet. Was macht er damit? Er leiht sich unter Vorlage des Ausweises Geld für einen Spielautomaten. Selten so gelacht.
Berufstugend und Berufskrankheit zugleich
Ein Thema hat der Tatort auch. Es heißt Misstrauen. Anna Janneke misstraut ihrem Kollegen Brix. Misstrauen dürfte unter Polizisten alles andere als selten sein. Es ist Berufstugend und Berufskrankheit zugleich. Misstrauen, einmal entfacht, ist kaum zu löschen. Es kann sich wie eine Autoimmunkrankheit sogar gegen das eigene Ich richten.
Davon ist Anna Janneke weit entfernt. Sie durchlebt allenfalls eine Misstraulinette, soll heißen: Verdächtigung light. Das Drehbuch (Erol Yesilkaya) hatte weder den Mumm noch vielleicht das Vermögen, das Misstrauen unter Kollegen wuchern zu lassen und in tragische Verwicklungen zu führen.
Am Ende glauben wieder alle ganz fest aneinander. Anna Janneke als Mutti vom Dienst, Paul Brix als der grauhaarige Bub, auf den man ein bisschen achten muss.
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