Sonntag am Tatort

"Tatort: Das Muli" - Berlin, ganz tief drin

22.03.2015, 06.00 Uhr
von Detlef Hartlap
Auf einer Indoor-Müllhalde wird eine Leiche gefunden. Einige Spurensicherer, darunter die Hauptkommissare Nina Rubin (Meret Becker, vorne re.) und Robert Karow (Mark Waschke, 2. v. li.) sondieren die Lage.
BILDERGALERIE
Auf einer Indoor-Müllhalde wird eine Leiche gefunden. Einige Spurensicherer, darunter die Hauptkommissare Nina Rubin (Meret Becker, vorne re.) und Robert Karow (Mark Waschke, 2. v. li.) sondieren die Lage.  Fotoquelle: rbb/Frédéric Batier

Manchmal möchte man wegzappen. Weil es zu viel geworden ist, zu hart, zu gemein, zu sehr Gemetzel. Aber man bleibt dran. Dieser Tatort lässt einen nicht los. Selbst wenn sich am Ende Meret Becker und Mark Waschke einmal angelächelt haben, ein einziges Mal in diesem Film, nach einem Finale, das kaum Trost bietet, bleibt das Gefühl, einen Horrortrip erlebt zu haben.

Auf der Zunge liegt der schlechte Geschmack einer Stadt, die man so hautnah vielleicht doch nicht kennenlernen wollte.

"Berlin Alexanderplatz" in der Version von 2015

Diese Stadt heißt Berlin. Und dieser Tatort, der den Titel Das Muli trägt, weil Drogenkuriere so genannt werden, die das Zeug im Magen transportieren, dieser Tatort ist Alfred Döblins Roman "Berlin Alexanderplatz" in der Version von 2015.

Meret Becker spielt eine Kommissarin, die von einem beiläufigen Sexerlebnis frühmorgens nach Hause kommt und gleichsam entblößt vor ihren Söhnen steht – und vor dem resigniert kalten Blick ihres Mannes.

Sicher wäre sie gern eine gute, patente Mutter und Ehefrau, sie zeigt die besten Ansätze, aber sie ist auch eine Gezeichnete ihres Berufes und dieser Stadt.

Der Versuch, sich für ihr nächtliches Ausbleiben, das nicht das erste war, zu entschuldigen, verrinnt im Nichts.

Da geht man besser gleich wieder arbeiten. Von der Familienhölle in den Stadtdschungel, vom Ehekrieg in den Nahkampf mit dem neuen Kollegen.

Misstrauen als Antriebskraft

Mark Waschke gibt diesen Kollegen. Er kommt von der Drogenfahndung, und weil ihm da etwas tödlich aus dem Ruder gelaufen ist, traut man ihm nicht mehr, weil man ihm alles zutraut. Das weiß er, das spürt er. Deshalb verschanzt er sich im Schutzanzug, den man am Tatort trägt, und hinter dem Bildschirm im Büro. Sein Versuch, den Hol-mirmal-Kaffee-Chef rauszukehren, mündet in Peinlichkeit. Meret Becker, die hier den Namen Nina Rubin trägt, wird nicht aufhören, inmitten eines Mordfalls, dem ein zweiter und ein dritter folgen, gegen den Kollegen zu ermitteln.

Die Stadt mag ein Dschungel sein, das Familienleben die Hölle, aber das Misstrauen innerhalb der Polizei bleibt eine große Antriebskraft.

Dieser erste echte Großstadtkrimi in der mehr als 900 Folgen langen Tatort-Geschichte (Drehbuch: Stefan Kolditz) kann sich nicht an nur einem oder zwei Gesichtern festhalten, so faszinierend Meret Becker und Mark Waschke auch spielen. Wobei Meret Becker der Kamera deutlich mehr Facetten von Nina Rubins Seelenleben anbieten darf als Mark Waschke, dessen Figur Robert Karow im Drogenfahnderjob versteinert ist.

Emma Bading als 13-jährige Drogenkurierin

Aber Carolyn Genzkow als Polizei-Hospitantin, Maryam Zaree als Gerichtsmedizinerin und vor allem Emma Bading als 13-jährige Drogenkurierin Jo entlasten durch ihr intensives Spiel die beiden ziemlich besten Feinde im Kommissarsrang.

Und spielt nicht ohnehin Berlin die Hauptrolle? Der Zuschauer wird im Polizeiwagen durch verschiedene Stadtbezirke befördert, gerät an Orte wie Plänterwald, Britz (Müllaufbereitung), unter die Obdachlosen am Bahnhof Zoo und mittenmang hinein in das Flughafensorgenkind BER. Und, Überraschung, manches scheint da inzwischen ganz gut zu funktionieren.

Kneifen gilt nicht

Der neue Berliner Tatort ist der härteste, der je gesendet wurde. Aber kneifen gilt nicht, man muss ihn gesehen haben.

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