Deutschstunde
11.10.2021 • 20:15 - 22:10 Uhr
Fernsehfilm, Drama
Lesermeinung
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Vergrößern
Originaltitel
Deutschstunde
Produktionsland
D
Produktionsdatum
2019
Altersfreigabe
12+
Fernsehfilm, Drama

Wieviel Schuld trägt der Einzelne?

Von Andreas Fischer

Regisseur Christian Schwochow hat sich an die Verfilmung von Siegfried Lenz' "Deutschstunde" gewagt und aus dem Klassiker der deutschen Nachkriegsliteratur eine meisterliche und zeitgemäße Parabel über Anpassung und Widerstand, über Pflichtbewusstsein und blinden Gehorsam gemacht.

"Deutschstunde" nannte Siegfried Lenz seinen Roman, der, gleichwohl kontrovers diskutiert, als eines der bedeutendsten Werke der deutschen Nachkriegsliteratur gilt. Ein passender Titel, weil sich der Klassiker mit dem beschäftigt, was die Deutschen im Nationalsozialismus ausmachte.

Der Polizist Jens Ole Jepsen (Ulrich Noethen) verrichtet 1943 in dem norddeutschen Kaff Rugbüll seinen Dienst: Er ist besessen davon, seine Pflichten zu erfüllen und ordnet seinem Gehorsamkeitsstreben alles unter. Dass er Befehle ausführen muss, die Unrecht sind, hinterfragt er nicht. Er funktioniert einfach und opfert dafür auch seine alte Freundschaft mit dem Maler Max Ludwig Nansen (Tobias Moretti), einem mitfühlenden, liberalen Menschenfreund und Patenonkel von Jepsens Sohn Siggi (Levi Eisenblätter).

Die Jugendfreunde haben sich auseinandergelebt – und nun will Jepsen mit aller Macht einen Befehl aus Berlin ausführen: Die Nationalsozialisten haben beschlossen, dass Nansens Kunst "entartet" sei und den Maler mit einem Berufsverbot belegt. Um es zu überwachen, spannt der Polizist seinen Sohn ein: Siggi taumelt zwischen Gehorsamkeit seinem Vater gegenüber und der Zuneigung zum Maler, dessen Atelier immer schon ein Zufluchtsort für ihn gewesen ist. Ausgerechnet der Junge muss Stellung beziehen in einer Zeit und vor einem Vater, die gnadenlos sind.

Geschichte wiederholt sich

"Deutschstunde" (2019), im ZDF nun zum ersten Mal im Free-TV, ist kein Film der vielen Worte, sondern ein Film der Beobachtungen und Entwicklungen. Christian Schwochow lässt sich und dem Publikum Zeit, in die Atmosphäre einzutauchen und den Figuren dabei zuzusehen, wie sie zweifeln und sich in inneren Kämpfe verlieren. Nur am Ende wird Schwochow hektisch, nach der Auslassung einiger Jahre der Romanhandlung fragt man sich ratlos, was Siggi antreibt, die Bilder seines Freundes zu stehlen und zu vergraben. Er hat offensichtlich einen Schalter umgelegt, warum erfährt man nicht.

Dass der Film im Dritten Reich spielt, ist im Prinzip nur eine Randnotiz. Der Ort ist der Welt entrückt, ihre Mechanismen greifen dort trotzdem. Darum ging es Lenz schon in seinem Roman, und darum geht es Schwochow jetzt noch viel mehr im Film: um das individuelle Verhalten in einer gleichgeschalteten Unrechtsgesellschaft. Wie macht sich ein einzelner Mensch schuldig, wenn um ihn herum kollektive Verbrechen begangen werden?

Gerade deshalb ist "Deutschstunde" auch Jahre nach den geschilderten Ereignissen aktuell. Regisseur Schwochow und seine Mutter Heide Schwochow, die das Drehbuch schrieb, haben den Stoff des 600-Seiten-Romans knallhart verdichtet. Was sie herausfiltern, ist eine zeitlose Essenz, in der es auch und gerade ums Jetzt geht: Dass sich Geschichte wiederholen kann, ist ein ausgesprochen ungutes Gefühl.

Schwochows jüngster Politthriller, "Je suis Karl" (Kinostart: 16. September), schlägt einen ähnlich mahnenden Ton an. Der Film handelt von Maxi Baier (Luna Wedler), einer jungen Frau, die bei einem Terroranschlag in Berlin ihre Mutter und ihre Zwillingsbrüder verliert. Geblieben ist ihr nur ihr Vater (Milan Peschel). Als Maxi Karl (Jannis Niewöhner) kennenlernt, gerät sie mitten hinein in eine europäische Jugendbewegung, die von dem charismatischen Studenten angeführt wird. Zunächst steht der Spaß im Vordergrund – Partys, mitreißende Reden, plötzlicher Ruhm. Doch als Maxi langsam wieder ins Leben zurückfindet, dämmert ihr: Karl und seine Bewegung wollen sie und ihr Schicksal lediglich für ihre Ziele instrumentalisieren.

"Deutschstunde" – Mo. 11.10. – ZDF: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Darsteller

Vielseitig einsetzbarer Schauspieler: Ulrich 
Noethen, hier in "Von Mäusen und Lügen"
Ulrich Noethen
Tobias Moretti beim Hamburger Filmfest 2021.
Tobias Moretti
Dank "Die Päpstin" zu internationaler Bekanntheit: Johanna Wokalek.
Johanna Wokalek
Louis Hofmann in der Netflix-Serie "Dark".
Louis Hofmann
Marek Harloff

Das beste aus dem magazin

Dr. David Kubosch
Gesundheit

Wenn Atmen, Bücken oder Drehen zum Problem werden

Rundrücken durch ständiges Sitzen? Wie sich der Rücken auf den ganzen Körper auswirkt und welche Maßnahmen helfen, erklärt ein Experte für Rückengesundheit.
Die Vulkaninsel La Réunion.
Reise

Sehnsuchtsorte im Jahr 2026

prisma stellt mögliche Reiseziele fürs nächste Jahr vor und verrät, an welchen Orten besondere Erlebnisse auf Urlauber warten.
Johannes B. Kerner steht auf einer Treppe.
HALLO!

Johannes B. Kerner über das Weihnachtsfest: "Familie geht über alles"

Johannes B. Kerner moderiert rund um Weihnachten drei Sendungen. Mit prisma hat er über deren Besonderheiten gesprochen und erklärt, warum ihm die Jahreszeit so gut gefällt.
Dr. med. Heinz-Wilhelm Esser ist Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie am Sana-Klinikum Remscheid und bekannt als "Doc Esser" in TV und Hörfunk sowie als Buchautor.
Gesundheit

Adventszeit: Genießen mit gesunder Gelassenheit

Die Weihnachtszeit muss nicht ungesund sein. Mit ein paar einfachen Tipps kann man die Adventszeit genießen, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Entscheidend ist, was man das ganze Jahr über macht.
Oliver Mommsen vor einem Weihnachtsbaum.
HALLO!

Oliver Mommsen über seine Rolle in "Eine fast perfekte Bescherung"

Im Weihnachtsfilm „Eine fast perfekte Bescherung“ müssen die Anwohner eines Berliner Viertels an Weihnachten ihre Wohnungen verlassen, weil eine Weltkriegsbombe entschärft wird. In einer Turnhalle findet sich eine bunt gemischte Truppe zusammen, die nun mit dieser Situation umgehen muss. Oliver Mommsen spielt Pfarrer Klaus Meier. Mit prisma hat er über den Film und über Weihnachten gesprochen
Carsten Henn lehnt an einer Wand.
HALLO!

Carsten Henn: „Wein ist ein bodenständiges Produkt“

Bestsellerautor Carsten Henn ist thematisch breit aufgestellt. Neben seinen Bestsellern wie „Der Buchspazierer“ und „Sonnenaufgang Nr. 5“ hat er sich einen Namen als Verfasser kulinarischer Kriminalromane gemacht. Da blitzte seine Liebe für den Wein schon hier und da auf. In seinem neuen Weinbuch schenkt der renommierte Weinjournalist und Weinbauer sein fundiertes fachliches Know-how nun einzigartig praktisch und unterhaltsam ein: Mit 66 wohldosierten und klug ausgewählten Fragen nimmt er seine Leser in „Simply Wine“, erschienen bei ZS, mit in die Welt des Weins. prisma hat mit ihm über sein neues Buch gesprochen.