Die Engel von Sinjar
20.09.2023 • 23:05 - 01:00 Uhr
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Originaltitel
Anioly Z Sindzaru
Produktionsland
PL, D
Produktionsdatum
2022
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Ein ewiges Trauma im Nordirak

Von Aylin Rauh

Für "Die Engel von Sinjar" begab sich die oscarnominierte Filmemacherin Hanna Polak auf eine gefährliche Mission: Sie begleitete die Jesidin Hanifa, die einen Angriff des IS überlebte und ihre Schwestern aus der Gefangenschaft der Terrororganisation befreien will.

Laut Schätzungen gibt es über eine Million Jesiden auf der Welt, eine ethnische und religiöse Minderheit, die immer wieder verfolgt und getötet wird – besonders im Nordirak, Hauptsiedlungsgebiet der Jesiden. 2014 riss die Terrororganisation Islamischer Staat die Herrschaft der Stadt Sinjar an sich. Missbrauch, Mord und Sklaverei standen auf der Tagesordnung. 2015 war Sinjar immer noch umkämpft. Nach einer neuen Großoffensive im Herbst 2015 teilten Kreise der kurdischen Autonomieregierung am 13. November 2015 mit, dass es gelungen sei, zentrale Gebäude zu besetzen. Noch am selben Tag wurde die Stadt aus der Hand des IS befreit. Nach der Befreiung Sinjars konnten Überlebende wieder zurück zu ihren Familien, viele gelten jedoch bis heute immer noch als vermisst. Doch die Jesiden geben die Hoffnung auf ein Wiedersehen mit ihren Angehörigen nicht auf. So wie Hanifa, die fest entschlossen ist, ihre fünf Schwestern zu finden.

Auf der gefährlichen Mission, ihre Angehörigen nach Hause zu bringen, wurde sie von Filmemacherin Hanna Polak über mehrere Jahre hinweg begleitet. Dabei entstand der überaus bewegende und intensive Dokumentarfilm "Die Engel von Sinjar", der nun zum ersten Mal auf ARTE gezeigt wird.

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Mit exklusivem Material erzählt Polak in dem jederzeit packenden Werk von den Jesiden in Sinjar, die immer noch mit schweren Traumata zu kämpfen haben. Was früher eine Region mit wunderschönen Landschaften war, ähnelte in den Bildern zu Beginn des Films einer massiven Grabstätte, vieles liegt in Trümmern. "Das hat uns der Islamische Staat angetan", erklärt ein Bürger Sinjars, "sie verschonten niemanden. Sie töteten jeden, der ihnen über den Weg lief."

"Ich wünschte, ich hätte sie retten können"

Während unzählige Männer von den Terroristen hingerichtet wurden, wurden Frauen und Kinder entführt – um sie anschließend als Sklaven zu halten und zu verkaufen. Hanifa ist eine der wenigen, die den Angriff 2014 überlebten. Im Film schildern sie und andere Protagonisten die höllischen Details des Angriffs. Sie musste mit eigenen Augen mitansehen, wie die IS-Schergen ihre Schwestern verschleppten. Die mutige Frau ist fest entschlossen, sie zu finden.

Denn das versprach sie ihrem Vater am Sterbebett. "Ich wünschte, du hättest deine Töchter sehen können, bevor du gestorben bist", weint sie im Film aufgelöst an seinem Grab. Obwohl Hanifas Wille stark ist, kostet sie das Versprechen sämtliche Kraft, das Warten ist für sie die reinste Qual. Auch an Suizid denkt sie teilweise. Aber einzelne Lichtblicke motivieren sie. Zu Beginn der Dreharbeiten befinden sich ihre Mutter und zwei ihrer Schwestern in Deutschland, da sie gerettet werden konnten. Mit ihrem Team ist Polak bei dem Wiedersehen dabei.

Im Laufe des Dokumentarfilms wird Hanifa während verschiedener Zeitebenen gezeigt. Dabei immer im Fokus: die Mission, die Schwestern zu retten. Doch dabei begeben sich die Jesidin und Hanna Polak teilweise in Lebensgefahr. Auch Fahrten in der Nacht können eine Bedrohung darstellen, weil Anhänger des IS immer noch angreifen könnten. Zwischendurch reist Hanifa nach Europa, um an Kongressen teilzunehmen und gegenüber Medien auf das Leid der Jesiden aufmerksam zu machen.

Ein Film für den Frieden

Zwar verschwimmen in "Die Engel von Sinjar" die Zeitebenen, man weiß nie genau, wann die Geschehnisse stattfinden, doch das tut kaum etwas zur Sache. Die äußerst emotionalen Aufnahmen sprechen für sich und fangen das Seelenleben von Hanifa und den anderen Protagonisten gut ein. Auch Saeed Murad kommt zu Wort, ein Mann, der dem Kamerateam die Massengräber in der Region zeigt. Saeeds Schwester Nadia Murad ist auf der ganzen Welt berühmt. Sie wurde damals ebenfalls entführt, konnte jedoch nach Deutschland fliehen. 2018 erhielt sie den Friedensnobelpreis und wird in ihrer Heimat als Volksheldin gefeiert.

So macht der Dokumentarfilm, der bereits vor der Pandemie fertiggestellt wurde und 2022 auf dem Human Rights Festival in Genf Premiere feierte, auf das tragische Schicksal von Hanifa und anderer Familien aufmerksam. Die einzelnen Leidensgeschichten lassen das Publikum zum Teil fassungslos zurück.

Obwohl sich der Film hauptsächlich um das Trauma der Jesiden dreht, erfährt das Publikum einiges über ihre Mythologie und Religion. Polak zeigt sowohl aus der Distanz als auch aus nächster Nähe bewegende Aufnahmen und mithin schockierende Szenen. Am Ende ist klar: Auch sie hat ihre eigene Mission – nämlich auf das Leid sowie auf das Recht auf Unabhängigkeit und Frieden der Jesiden aufmerksam zu machen.

Die Engel von Sinjar – Mi. 20.09. – ARTE: 23.10 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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