Die ARTE-Serie "Hafen ohne Gnade" erzählt ein Familiendrama aus der französischen Hafenstadt Le Havre. Gewerkschaftsführer Pierre Leprieur (Olivier Gourmet) muss sich zum 60. Geburtstag seinen Dämonen stellen: Drogengeschäfte und Organisierte Kriminalität haben auch seine Familie erreicht.
Jede Familie ist ein Widerspruch in sich, denn sie strebt nach Erhalt, aber auch nach Abgrenzung und Auflösung. Zumindest ist dies im Drama-Genre zumeist der Fall. Die sechsteilige ARTE-Serie "Hafen ohne Gnade" wirft diesen ewigen Erzählt-Topos anhand der Familie Leprieur aus Le Havre mal wieder in den Ring: Zum 60. Geburtstag wird Gewerkschaftsführer Pierre Leprieur (Olivier Gourmet), der sein ganzes Berufsleben im Hafen verbrachte, mit seinen Dämonen konfrontiert. Die Überraschungsparty zu seinem Ehrentag endet jäh, als sein jüngster Sohn Simon (Panayotis Pascot) mit kriminellem Freund und einem amerikanischen Sportwagen voll mit Kokain erwischt wird. Der schnelle Schlitten stammt aus dem Autohaus des älteren Bruders Jean (Pierre Lottin). Gut, dass es da noch das Musterkind von Pierre und seiner Frau Laurence (Astrid Whettnall) gibt: Tochter Emma (Margot Bancilhon) hat in Paris Jura studiert und soll nun als Anwältin ihren kleinen Bruder vor Gericht rausboxen.
Über sechs Episoden zeigt der bretonische Regisseur Vincent Maël Cardona die Zerrissenheit einer Familie, in der sich auch Merkmale der Gesellschaft und des Individuums in ihr widerspiegeln: Wie schafft man es, seine moralischen Ansprüche in einer Welt voller Druck, Zwänge und Verführungen zu wahren? Stellvertretend dafür steht die Figur des knurrigen Familienvaters Pierre, der früher große politische Kämpfe für Gerechtigkeit und bessere Arbeitsbedingungen organisierte, und dann dabei zusehen musste, wie Drogengeschäfte und "Einbrüche" der eigenen Werte seinen Hafen und die Familie in die Doppelmoral führten.
Eine Stärke der gut fotografierten Serie aus der nordfranzösischen Industriestadt sind das Spiel von Hauptdarsteller Olivier Gourmet oder auch seiner Filmtochter Margot Bancilhon, die für ihre Rolle einen Schauspielpreis auf dem Festival Séries Mania in Lille gewann. Eine Schwäche der Erzählung sind die zu expliziten "Lerninhalte", die über Kommentare des Ich-Erzählers Pierre den Zuschauenden gleich mitliefern, wie die Handlung zu interpretieren ist. Der philosophische Off-Kommentar macht die knapp sechsstündige Erzählung jedenfalls nicht besser.
ARTE zeigt an zwei Donnerstagabenden jeweils drei Folgen am Stück. Die Episoden vier bis sechs laufen am 15. Februar, ab 22.25 Uhr. In der ARTE-Mediathek ist die Familien-Krimi-Serie vom 31. Januar bis zum 15. März 2024 verfügbar.
Hafen ohne Gnade – Do. 08.02. – ARTE: 21.40 Uhr