Joan Baez - Mit lauter Stimme
06.12.2024 • 21:45 - 23:30 Uhr
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Originaltitel
Joan Baez - I'm a Noise
Produktionsland
USA
Produktionsdatum
2023
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Joan Baez und Beth Gibbons: Starke Stimmen, sensible Seelen

Von Eric Leimann

Mit dem Porträtfilm "Joan Baez – Mit lauter Stimme" sowie einem exklusiven Konzert von Ex-Portishead-Sängerin Beth Gibbons widmet ARTE den Freitagabend zwei einzigigartigen weiblichen Stimmen, die in sensiblen Seelen wohnen. Der Baez-Film lief auf der Berlinale 2023 – und in den Kinos.

Auch wenn am 6. Dezember mit dem Nikolaus traditionell ein männlicher Held im Fokus steht – ARTE arbeitet antizyklisch und präsentiert ein Abend-Programm, bei dem Frauen im Mittelpunkt stehen. Nach Martina Gedeck im Dominik Graf-Film "Deine besten Jahre" geht es mit zwei Musikerinnen weiter, deren einzigartige Stimmen man wohl unter Millionen wiedererkennen würde. Und doch wohnen sie beide in fragilen Seelen. Dem ungewöhnlichen Porträtfilm "Joan Baez – Mit lauter Stimme", der 2023 auf der Berlinale lief und anschließend in den Kinos, folgt um 23.30 Uhr (oder in der ARTE-Mediathek) ein 45-minütiger Konzertmitschnitt der ehemaligen Portishead-Sängerin Beth Gibbons, die im Mai 2024 ihr Soloalbum "Lives Outgrown" veröffentlichte. Im Juli führte sie es live, aber ohne Publikum vor prächtiger Kulisse auf: "Beth Gibbons in der französischen Nationalbibliothek" sind die 45 Minuten mit neuen Songs einer der rätselhaftesten Sängerinnen der Popgeschichte betitelt.

Im Juli 2019 spielte Joan Baez das letzte Konzert ihrer Abschiedstournee – eine Zeit, die im Dokumentarfilm "Joan Baez: I am a Noise" (Originaltitel des Films) festgehalten wird. ARTE zeigt das ungewöhnliche Musikerinnen-Porträt, das 2023 auf der Berlinale und in ausgewählten Kinos lief, nun im Free-TV. Die eindreiviertel Stunden der Regisseurinnen Karen O'Connor, Miri Navasky und Maeve O'Boyle sind aber viel mehr als nur die Begleitung der letzten Konzerte einer exakt 60 Jahre andauernden Live-Karriere. Sie sind auch mehr als der übliche Rückblick auf die Stationen einer großen Karriere zwischen Folk-Hype, der schwierigen Liebesbeziehung zu Bob Dylan und Baez' langjährigem politischen Aktivismus. Der Film ist fast eine Art Psycho- und Familientherapie im Bewegtbild.

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Sehr jung wurde Joan Baez aus Staten Island, New York, eine landesweit populäre Folksängerin. Sie brachte ihrer mexikanisch-schottisch-stämmigen Familie viel Geld nach Hause. Doch die beiden Schwestern und Eltern waren nicht glücklich darüber. Zwischen den sehr unterschiedlichen, hochsensiblen Schwestern herrschte viel Liebe, aber auch eine toxische Konkurrenz.

Faszinierende Klangreise mit der mysteriösen Beth Gibbons

Joan Baez und ihre jüngere Schwester Mimi litten beide unter Depressionen und manischen Schüben. Der Psychiater und seine Behandlungspläne waren früh Teil des Familienalltags. Die Akademikerfamilie Baez, religiöse Quäker, hatte als Einwanderer (der Vater war Mexikaner) unter Ausgrenzung und Rassismus zu leiden. Wenn man die glockenhelle Stimme der jungen Joan Baez hört oder und ihr anmutiges Auftreten betrachtet, vermutet man nicht, dass die bald 84-Jährige lebenslang unter psychischer Krankheit und ihrer dissoziativen Persönlichkeitsstörung litt. Hinzu kamen in der Familie spät offengelegte Missbrauchsvorwürfe gegenüber dem Vater, die nie ganz geklärt wurden. Die mittlerweile verstorbenen Eltern stritten sie stets ab.

Die ganze Geschichte ist deshalb so spannend, weil Familie Baez ihren Alltag oft filmte und fotografierte. Dazu wurden Interview sowie therapeutische Familiensitzungen auf Audio-Tape festgehalten. Der Film montiert diese Dokumente aus sieben oder acht Jahrzehnten zu einer faszinierenden, rätselhaften Reise in das komplexe Verhältnis von fünf Menschen, von denen Joan Baez die letzte Überlebende ist.

Wie Joan Baez gilt auch die britische Sängerin Beth Gibbons als eine prägende Stimme der Pop-Geschichte. Während der 90er-Jahre erfand die Frau aus dem südenglischen Exeter mit Kreativpartner Geoff Barrow und der Band Portishead einen völlig neuen Sound, den man damals etwas hilflos TripHop nannte – ob seiner hypnotischen Beats. Während viel Musik jener Ära längst vergessen ist, blieben die Hits von Portishead in Erinnerung. Vor allem wegen Beth Gibbons einzigartiger Stimme. Die hypersensible Sängerin war stets öffentlichkeitsscheu. Selten trat sie auf, und so gut wie nie gab Gibbons Interviews. Was ein Grund dafür sein mag, dass sie erst im Mai 2024 nach endloser Pause ein Soloalbum veröffentlichte. Im Juli 2024 stellten Gibbons und ihre Band "Lives Outgrown" in der französischen Nationalbibliothek vor. Ohne Publikum, aber im einzigartigen, 1916 von Jean-Louis Pascal entworfenen "Ovalen Saal" des Prachtgebäudes. Mit dem Begriff Popmusik ist Gibbons neue Musik kaum zu greifen. Eher darf man sich auf eine dramatisch-faszinierende Klangreise mit der mysteriösen Beth Gibbons einlassen.

Joan Baez – Mit lauter Stimme – Fr. 06.12. – ARTE: 21.45 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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