01.03.2021 Was ist wirklich sinnvoll?

Immunsystem mit Medikamenten stärken

Von Annette Bulut
Die Einnahme von Medikamenten zur Stärkung des Immunsystems ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sinnvoll.
Die Einnahme von Medikamenten zur Stärkung des Immunsystems ist nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen sinnvoll. Fotoquelle: picture alliance / dpa Themendienst | Christin Klose

    Mit einem starken Immunsystem hat der menschliche Organismus die wichtigste Waffe, um einem Infekt vorzubeugen oder ihn zu bekämpfen. Ein gesundes Abwehrsystem gewinnt durch eine Armee von Antikörpern das Gefecht gegen Krankheitserreger. Um es gegen Angriffe von Bakterien und Viren zu wappnen, hilft vor allem ein gesunder Lebensstil.

    Dieser beginnt mit ausreichend Bewegung, gesunder Ernährung und weitgehendem Verzicht auf Alkohol sowie Nikotin. Zu viel oder zu wenig zu essen kann übrigens auch schädlich fürs Immunsystem und die Abwehrkräfte sein. Zu viele ungesunde Produkte zu konsumieren, die wenig Ballaststoffe oder viel Fett, Salz oder Zucker enthalten, schwächen die Körperabwehr. Ungesundes Essen trägt zum Infekt-Risiko bei. Gutes Essen unterstützt hingegen das Immunsystem. Es wird Krankheiten weder heilen noch verhindern. Aber eine richtige Ernährung kann den Körper auf eine bessere Bekämpfung von Krankheiten vorbereiten.

    Eine frische, ausgewogene Ernährung mit ausreichend vielen vitaminreichen Lebensmitteln ist ganz besonders wichtig. Sie ist der wichtigste Baustein für die Stärkung der Immunabwehr. Faktoren wie Stress, zu wenige Stunden Schlaf und ungesunde Lebensmittel schwächen die körpereigene Abwehr. Diese Faktoren können sogar die Darmflora verändern. Eine schlechte Darmflora kann auch der Grund für ein schwaches Immunsystem sein. Eine gesunde Darmflora hingegen verdrängt schädliche Organismen. Sie bietet Schutz vor Viren und Bakterien. Eine starke Immunabwehr hängt also eng mit der Darmflora zusammen. Lieber nicht sofort bei Darmbeschwerden zu einem Präparat oder Medikament greifen, sondern für ausreichend ausgewogene Ernährung und sanfte, natürliche Mittel wie Flohsamen oder Leinsamen sorgen. Dann kann das Verdauungsorgan mit ausreichend gesunden Bakterien im Darm seine Abwehrkraft von allein stärken.

    Aktuell ist es natürlich ganz besonders wichtig, das Immunsystem zu unterstützen. Denn der Verlauf einer Corona-Infektion hängt neben vielen anderen Faktoren auch mit dem Immunsystem und seiner Abwehrkraft zusammen. So haben ältere Menschen allein bedingt durch ihre Lebensjahre ein schwächeres Immunsystem. Generell gilt: Ab 60 Jahren wird das Immunsystem von Jahr zu Jahr zu schwächer.

    Die Menschen, bei denen das Coronavirus einen schlimmeren Verlauf verursacht, gehören häufig zu einer Risikogruppe. Unabhängig vom Alter sind Raucher besonders gefährdet. Der Grund: Raucher weisen ein spezielles Enzym vermehrt in der Lunge auf. Das wiederum ist wichtig für den Eintritt des Virus in die Zellen. Statt also nur einem Eingang bieten Raucher dem Virus damit gleich mehrere Eintrittspforten. Außerdem ist das Immunsystem von Rauchern durch den Nikotinkonsum ohnehin geschwächt. Rauchen schwächt die körpereigene Abwehrkraft massiv. Ein Rauchverzicht kann die Abwehrkräfte wieder stärken.

    Medikamente, die das Immunsystem schwächen

    Immun sind beispielsweise viele Menschen aufgrund einer Krebserkrankung nicht. Sie haben durch ihre Erkrankung und Chemotherapie ein geschwächtes Immunsystem. Die Körperabwehr schwächen auch andere Krankheiten wie Autoimmunerkrankungen und deren Therapien mit sogenannten Immunsuppressiva wie Cortison.

    Ebenso sind Menschen mit Erkrankungen des Herz-Kreislaufsystems oft aufgrund von Arzneimittel-Einnahme immungeschwächt. Dazu gehören Personen mit einer schweren Herzerkrankung und auch Bluthochdruck-Patienten. Diese Menschen haben bei einer Infektion mit SARS-CoV-2 häufiger einen schwereren klinischen Verlauf. Sie sollten deshalb ihr Immunsystem stärken.

    Auch Personen mit bereits bestehenden Lungenerkrankungen haben aufgrund ihrer Erkrankung ein geschwächtes Immunsystem. So gibt es für Patienten mit einer chronisch obstruktiven Bronchitis (COPD) ein erhöhtes Risiko, da die Lunge oft stark vorgeschädigt ist. Sie weist aus dem Grund nur noch wenige Reserven für eine Lungenentzündung auf. Bei akuten Verschlechterungen müssen Betroffene Cortison nehmen. Das Medikament wirkt systemisch, das bedeutet: Es schwächt das Immunsystem. Auch Personen, die an einer Lungenfibrose leiden, sind betroffen. Bei dieser Erkrankung baut die Lunge gesundes Gewebe in nutzloses Bindegewebe um und vernarbt. Auch hier werden Cortison-Präparate als Therapie eingesetzt.

    Vitamin oder Nahrungsergänzungsmittel?

    "Mich erreichen immer wieder Anfragen von meinen Patienten, ob man nicht durch Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln das Immunsystem stärken könnte", berichtet Dr. Heinz-Wilhelm Esser, Oberarzt und Facharzt für Innere Medizin, Pneumologie und Kardiologie aus Remscheid, auch bekannt als Doc Esser. Seine Antwort sei aber stets dieselbe: Mit dem Kauf von Nahrungsergänzungsmitteln stärken die Patienten vor allem den Geldbeutel des Herstellers und nicht ihr Immunsystem. Sein Tipp: "Investieren Sie Ihr Geld lieber nicht in ein Präparat, sondern in regionale Superfoods, frisches Obst mit viel Vitamin C, und gehen Sie viel raus an die frische Luft. Einen besseren Boost für unser Immunsystem gibt es nicht." Wer sich ausgewogen ernähre, sich viel an der frischen Luft bewege, Sport treibe und wenig Alkohol konsumiere, müsse sich keine Sorgen um seinen Mineralien-, Spurenelement- und Vitaminhaushalt machen. Durch unkontrollierte Zufuhr der oft überdosierten Kapseln, Säfte und Brausetabletten könne sogar ein gesundheitlicher Schaden entstehen.

    "Ausnahmen bestätigen jedoch die Regel", sagt Doc Esser und nennt die typischen Beispiele für eine sinnvolle Einnahme von Nahrungsergänzungsmitteln: Vitamin D, Folsäure und Eisen. "Je älter wir werden, desto unzureichender stellt unser Körper mithilfe der Sonnenstrahlung das wichtige Hormon Vitamin D her. Bei vielen über 70-Jährigen und bei nahezu allen über 80-Jährigen stellen wir Mediziner einen Vitamin D-Mangel fest. Krankheit oder Immobilität können diesen Mangel verstärken. Hier sollte unbedingt eine Supplementierung erfolgen", rät Esser. Auch jüngere Menschen könnten an einem Vitamin D-Mangel leiden. Das kommt zum Teil durch Sonnenschutzcremes zustande, die einen Teil der wichtigen UV-B Strahlung absorbieren; zum anderen, weil sich einige auch im Sommer viel zu viel in geschlossenen Räumen aufhalten. So können sich die Vitamin D-Speicher nicht aufladen. Folsäure wird Schwangeren für eine gute Kindesentwicklung empfohlen, ebenso wie Jod. Eisen sollte nur bei einem nachgewiesenen Mangel ergänzt werden.

    Starke Abwehrkräfte mit pflanzlichen Mitteln

    Immun wird der Körper nie vollständig gegen alle Infekte, aber die Stärkung der Abwehrkräfte mit pflanzlichen Mitteln hilft, um nicht schwer zu erkranken. Dabei unterstützen und stärken besonders: Vitamin A, Vitamin C, Vitamin E, Vitamin B12, Vitamin D3 sowie Omega-3-Fettsäuren und Mineralstoffe. Ein pflanzliches Arzneimittel zur Infektabwehr aus der Apotheke ist Angocin Anti-Infekt N. Es kann die Beschwerden bei akuten Erkrankungen der Bronchien, Nebenhöhlen und dem Blasen-Nieren-Trakt lindern.

    Vitamin A steckt in vielen Lebensmitteln, beispielsweise in Leber, Seefisch, Fleisch, Eiern, Milchprodukten, Karotten, Tomaten, Aprikosen und Spinat. Das Vitamin ist für gesunde Schleimhäute ganz wichtig. Schleimhäute sind eine effektive Schutzbarriere gegen Bakterien und Viren. Mit einer solchen Auswahl ist es einfach, jeder Mahlzeit Lebensmittel mit hohem Nährstoffgehalt hinzuzufügen. Omega-3-Fettsäuren sind besonders gesund und kommen in bestimmten Fischarten vor. Mit dieser Ernährung lässt sich eine Erkältung häufig vermeiden.

    Frisches Obst mit viel Vitamin C und Gemüse, Vollkornprodukte und Nüsse stärken den Körper. So kann der Körper sich auf eine bessere Bekämpfung von Krankheiten vorbereiten. Vitamin C kann die Produktion weißer Blutkörperchen stimulieren. Sie sind für die Bekämpfung von Infektionen von entscheidender Bedeutung. Zitrusfrüchte, Erdbeeren, rote Paprika und Kiwis sind reich an Vitamin C. Tipp: Vitamin A trägt vor allem zur normalen Funktion des Immunsystems bei. Das Vitamin gilt auch als Fänger freier Radikaler. Das sind aggressive Sauerstoffmoleküle. Sie entstehen durch Stress und schädliche Umwelteinflüsse.

    Tipp: Die Goji Beere soll eine sehr hohe Konzentration an Vitaminen und Antioxidantien besitzen. Damit kann sie die natürliche Abwehr gegen einen Infekt unterstützen. Ihr wird eine heilsame Wirkung nachgesagt für das Immun-, und Herz-Kreislaufsystem. Sie soll auch gegen Schlafprobleme und Bluthochdruck helfen. In Asien gilt sie als Frucht der Langlebigkeit, Vitalität und Lebensenergie. Die Frucht zählt zu den nährstoffreichsten Früchten der Welt. Patienten, die gerinnungshemmende Medikamente einnehmen müssen, wird der Verzehr von Goji Beeren jedoch nicht empfohlen. Der Grund ist eine gefährliche Wechselwirkung mit Vitamin-K-Antagonisten. So bezeichnet man Präparate, die Lungenembolien oder Venenthrombosen vorbeugen.

    Immunsystem bekämpft Krebs mit Antikörpern

    Und noch eine gute Nachricht zum Schluss: das Immunsystem kann Antikörper aktivieren und so in die Lage versetzt werden, bösartige Krebszellen zu erkennen und zu eliminieren. Dieser vielversprechende schulmedizinische Ansatz als Alternative zur Chemotherapie nennt sich Immunonkologie (IO). Derzeit laufen weltweit über 800 Studien bei ganz unterschiedlichen Krebserkrankungen. "Durch diese Therapien sehen wir zum ersten Mal, dass es bei Patienten mit weit fortgeschrittenen Erkrankungen zu einer langanhaltenden Rückbildung und Kontrolle der Tumore kommt, die über viele Jahre anhält wie wir bei Hautkrebs oder Lungenkrebs inzwischen beobachten konnten. Ein weiteres besonderes Merkmal dieser Therapieform ist deren breite Wirksamkeit bei sehr vielen Krebserkrankungen", sagt Professort Peter Brossart, Direktor der Klinik für Hämatologie und Onkologie am Universitätsklinikum Bonn.

    Spricht die Therapie an, kann bei einigen die Tumorerkrankung langanhaltend zurückgedrängt werden. "Mit solchen Ergebnissen hat keiner gerechnet. Die zum Teil über Jahre andauernde und Krebsarten übergreifende Wirksamkeit ist die Besonderheit dieser Therapieform", erklärt Brossart. Neben Haut- und Lungenkrebs kann die Immunonkologie unter anderem bei Blasen-, Nieren-, und Brustkrebs helfen. Allerdings kann sie auch Nebenwirkungen auslösen wie Juckreiz, Durchfall, Entzündungen, Stoffwechselstörungen und Autoimmunerkrankungen. "Wenn Nebenwirkungen auftreten, können diese gravierend sein. Doch früh erkannt, kann ein erfahrener Arzt gut gegensteuern", so Brossarts Erfahrung. Er rät deshalb auch dazu, sich nur in einem spezialisierten Zentrum behandeln zu lassen. "Die Immunonkologie hat ein riesiges Entwicklungspotential und wird das Gesicht der Krebsbehandlung enorm verändern", ist sich der Experte sicher.

    Weitere Tipps rund um ein starkes Immunsystem:

    Über die Autorin: Annette Bulut ist Diplom-Journalistin und hat eine Rundfunkausbildung in Köln absolviert. Nach beruflichen Stationen in Düsseldorf und München als Kommunikationsberaterin ist sie seit vielen Jahren freie Journalistin mit Schwerpunkt Medizin, Gesundheit und Ernährung. Sie schreibt regelmäßig Beiträge für Online- und Printmedien. Ihr Ziel: Gesundheitsthemen verständlich und lebensnah mit vielen nützlichen Informationen zu vermitteln.

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