Moderatorin von "Paradise Hotel"

Angela Finger-Erben: "Viele wollen Influencer werden, Klicks bekommen"

von Maximilian Haase

Als in Deutschland die Corona-Krise ausbrach, war Angela Finger-Erben für Dreharbeiten zu "Paradise Hotel" in Mexiko. Im Interview spricht sie über ihre Liebe zum Trash-TV und wie sie den Lockdown erlebt hat.

Menschen, die sich körperlich nahekommen, obendrein nach einer Fernreise an die schönsten Strände: Was bislang fast ausschließlich positiv konnotiert war, wird infolge der Corona-Krise mit gänzlich anderen Augen gesehen. Umso mehr, wenn es sich um eine Dating-Show im deutschen Privatfernsehen handelt. Dass die Pandemie die Wahrnehmung veränderte, weiß auch Moderatorin Angela Finger-Erben, die noch im März dieses Jahres nach Mexiko flog, um die zweite Staffel der TVNOW- respektive RTL-Produktion "Paradise Hotel" zu drehen. Während in Deutschland der Lockdown alles lahmlegte, schien am karibischen Strand die Welt noch in Ordnung zu sein – und der Körperkontakt flirtwilliger Singles harmlos. Mit Reality- und Dating-Formaten kannte sich die 40-Jährige, die im "Paradise Hotel" (beim Streamingdienst TVNOW bereits seit Mitte Juni und bei RTL ab Dienstag, 30.6., 23 Uhr) ihre Premiere feiert, immerhin schon aus: Vom Dschungelcamp-Nachklapp verschlug es Finger-Erben, die auch das Magazin "Guten Morgen Deutschland" präsentiert, unter anderem ins "Sommerhaus der Stars", auf die "Temptation Island" und zu "Prince Charming". Warum sie von Reality-TV nicht genug bekommt, wie aufregend sich der Dreh gestaltete und wie sich ihr Leben durch Corona veränderte, verrät die gebürtige Nürnbergerin im Interview.

prisma: Wie fühlt es sich für Sie an, "Paradise Hotel" zu sehen – und zu wissen, dass all das vor der Corona-Pandemie gedreht wurde?

Angela Finger-Erben: Das fühlt sich tatsächlich sehr komisch an. Man sieht, wie ich den Kandidaten nahekomme, die wiederum leben zusammen in der Villa und kommen sich ebenfalls nahe – was ja das Konzept der Sendung ist. Wenn ich mir die Show heute anschaue, denke ich: Da war die Welt noch in Ordnung.

prisma: Sie sind kurz vor dem Lockdown zum Dreh geflogen ...

Finger-Erben: Als wir nach Mexiko flogen, war bei uns noch alles total normal. Wir drehten genau in den drei Wochen, als der ganze Umbruch kam. Wir führten ein ganz normales Leben, waren mit dem Team jeden Abend essen, haben uns umarmt und so weiter. Wir gingen in den Supermarkt, es gab sogar Klopapier (lacht). Anfangs wurde in Mexiko auch nicht viel über Corona berichtet. Daher wunderten wir uns schon sehr, als die Berichte aus Deutschland kamen.

prisma: War der Dreh jemals von der Corona-Pandemie bedroht?

Finger-Erben: Nein, wir waren das letzte Team, das noch eine Auslandsreise machen durfte. Eine Kollegin von mir hätte in Südafrika einen Auftrag gehabt – und durfte nur einen Tag nach uns nicht mehr fliegen. Wir hatten also Glück, dass wir im März überhaupt noch geflogen sind. Bei der Rückreise war es dann komplizierter. Da waren wir froh, dass wir einen der letzten Flieger bekamen. Zumal ich meine ganze Familie dabei hatte – das wäre nicht so ganz einfach gewesen.

prisma: Kam mit der Familie auch ein wenig Urlaubsstimmung auf?

Finger-Erben: Das ist Arbeiten und für die Familie Urlaub in einem. Ich bin schon viel weg – und mein Mann wuppt das super mit den zwei Kindern. Aber ich arbeite ja nicht rund um die Uhr. Und die freie Zeit ist dann schon Qualitytime. Wir wohnten direkt am Meer und schauten uns jeden Abend den Sonnenuntergang an.

prisma: War es für eine Zusage zu "Paradise Hotel" Voraussetzung, Ihre Familie mitnehmen zu können?

Finger-Erben: Ja – vor allem, weil meine Kinder noch so klein sind. Und es waren diesmal auch nicht nur zwei Wochen, wie bei "Temptation Island". Da hatte ich Anna, die war damals zwei Jahre alt. Aber da flog ich allein und das war okay. Das war jetzt eine andere Situation. Lilli ist so klein – die möchte ich nicht einen Monat alleine lassen. Da bin ich zu sehr Mutter (lacht).

prisma: Wie war es dann, wieder nach Deutschland zurückzukehren?

Finger-Erben: Wir wussten wir nicht, was zu Hause auf uns zukommt. In Mexiko war alles normal – und dann kommst du zurück und darfst noch nicht einmal deine besten Freunde richtig begrüßen.

prisma: Konnten Sie sich an die Krise gewöhnen?

Finger-Erben: Ehrlich gesagt habe ich das auch als schöne Zeit in Erinnerung. Wir waren viel mit den Kindern in der Natur. Auch wenn wir immer viel draußen waren, sind wir vorher nie wirklich in Wälder ins Umland gefahren. Da merkten wir erst mal, wie schön das ist (lacht)! Wir mussten zu Hause bleiben, wir durften nichts machen – eigentlich ein totaler Luxus. Ebenso luxuriös ist es, keine Termine zu haben: Wie schön ist das! Aber auch schön, als es vorbei war.

prisma: Spüren Sie auch die Auswirkungen auf ihre Arbeit?

Finger-Erben: Bei meiner Arbeit hat sich nichts geändert. Nach der Produktion in Mexiko machte ich ganz normal "Guten Morgen Deutschland". Tägliche Nachrichten setzt man jetzt nicht eben mal ab. Aber klar: Abstand im Studio, Masken tragen und Hände desinfizieren – das klappt schon alles.

prisma: Bei der Produktion von "Paradise Hotel" lief ja zuvor alles noch vergleichsweise normal ...

Finger-Erben: Ja, es war großartig, ein Teil davon zu sein. Auch, hinter die Kulissen zu schauen, in der Regie zu sein, die Bildschirme zu beobachten. Das war spannend, da Mäuschen zu spielen und zu schauen, wie sich so was entwickelt. Man entdeckt auch schnell Charaktere, die man sympathischer findet, mit denen man sich identifizieren kann. Und man schaut, ob es denen wirklich um Liebe geht, oder ob die taktisch vorankommen wollen und es nur aufs Geld abgesehen haben.

prisma: Wie "authentisch" sind die Kandidaten Ihrer Ansicht nach?

Finger-Erben: Man merkt ziemlich schnell, wer ein Spiel spielt. Wenn junge Leute heute bei so einem Format mitmachen, haben die es oft darauf abgesehen, viele Instagram-Follower zu generieren. Viele wollen Influencer werden, Klicks bekommen, Werbeverträge erhalten. Und klar: So ein Format hilft einem dabei. Man kann sich auch vor der Kamera ausprobieren – und vielleicht wird es zum Karrieresprungbrett. Aber es gibt natürlich auch andere Kandidaten.

prisma: Welche Typen gibt es noch?

Finger-Erben: Diejenigen, die Spaß haben wollen. Und dann die, die schon sehr lange Single und auf der Suche nach der großen Liebe sind. Das ist sehr gemischt – und das funktioniert bei solchen Reality-Formaten spitze.

prisma: Reality-Fernsehen als Karrieresprungbrett – ist das ein neueres Phänomen?

Finger-Erben: Jürgen aus der ersten "Big Brother"-Staffel wusste das noch nicht, dass der mal so eine fette Karriere machen würde. Aber heute ist das sehr viel schnelllebiger geworden. Es gibt viel zu viele, die über Instagram Influencer werden. Und es ist einfacher geworden. Früher habe ich etwa lang drüber nachgedacht, ob ich wirklich private Storys über mich sehen will. Heute wird das einfach gemacht. Alles ist viel schneller, greifbarer und privater. Das nutzen viele für sich.

prisma: Spiegelt das eine gesellschaftliche Entwicklung?

Finger-Erben: Klar. Die Jugend wächst so auf. Die eifern den Prominenten nach. Das sehe ich auch bei uns: Früher haben wir Fotos von Agenturen angefragt – mittlerweile wird unsere Sendung ebenfalls von Instagram bestimmt. Weil die Promis so freizügig geworden sind und auch Geschichten mit Problemen posten. Und darüber berichten wir natürlich auch gerne.

prisma: Kann das Fernsehen nur auf diese Weise bei der jungen Generation bestehen?

Finger-Erben: Das glaube ich nicht. Es hat sich einfach das ganze System verändert. Früher hat man sich eine Programmzeitschrift genommen und etwas angestrichen. Heute streamt man und schaut schon in der Bahn. Es gibt andere Zielgruppen und ein anderes Sehverhalten. Wenn "Paradise Hotel" auf TVNOW gut läuft, sind wir alle zufrieden.

"Reality-TV ist auch nicht nur Party"

prisma: Was muss ein solches Reality-Format denn mitbringen, um gut zu laufen?

Finger-Erben: Es funktionieren ja nicht alle. Aber ich glaube die Formate, in denen es um Partnerwahl geht, schaut man sich in Zeiten von Tinder gern an. Man identifiziert sich mit den Charakteren und fiebert mit ihnen mit.

prisma: Wie konnten Sie persönlich als Moderatorin die Distanz wahren?

Finger-Erben: So schwer war das nicht. Ich war nicht laufend in der Villa, in der die Teilnehmer gewohnt haben. Wenn ich reinkomme, gibt es immer irgendwelche Neuigkeiten, die oft nicht gerade positiv sind. Deshalb haben die Kandidaten eher Respekt vor mir (lacht).

prisma: Wo hat es Ihnen besser gefallen: im "Paradise Hotel" oder auf "Temptation Island"?

Finger-Erben: Mir hat es überall gefallen. Einfach, weil ich meinen Job liebe. Ich mach da keinen Unterschied. Du fliegst ins Paradies und arbeitest da – es geht ja nicht besser!

prisma: War es für Sie ein Ziel, Reality-TV zu machen – oder sind Sie da reingeraten?

Finger-Erben: Ich bin totaler Trash-TV-Fan! Ich war sehr oft als Reporterin im Dschungelcamp – und dort merkte ich, dass ich dafür echt brenne. Für mich ist es das Beste. Ich mag es mit den Leuten zu reden, das ist ein großer Spaß. Und so kam ich langsam zu den anderen Formaten.

prisma: Haben Sie je befürchtet, dass derlei Produktionen sich auf Ihre Seriosität auswirken könnten?

Finger-Erben: Nein, ich bin ja keine seriöse Nachrichtensprecherin (lacht)! Da hat jeder seine Vorlieben – und ich würde mich nie in den Nachrichten sehen. Aber Reality-TV ist auch nicht nur Party, sondern auch herausfordernd. Viel Vorbereitung und Konzentration ...

prisma: Was ist die größte Herausforderung?

Finger-Erben: Du musst dich auf die Leute einlassen. Das sind ja keine Freunde, du musst ihnen auch Widerworte und Konter geben. Ich studiere die Kandidaten ganz genau – welche Charaktere sie haben, welche Vorlieben, woher sie kommen. Ich will wissen, mit wem ich es zu tun habe.

prisma: Was sagen Sie zu dem bisweilen erhobenen Vorwurf, man würde manche Leute vorführen?

Finger-Erben: Jeder, der teilnimmt, ist volljährig und weiß, worauf er sich einlässt. Da wird keiner ins kalte Wasser geworfen oder vorgeführt. Wie sie sich dann präsentieren – dafür sind die Leute selbst verantwortlich.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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