Erinnert an "The Big Bang Theory"

Netflix-Serie "Atypical": Seltsam ist das neue cool

von Amelie Heinz

Ein 18-Jähriger der Sex möchte? An sich nichts Ungewöhnliches. Doch wenn er Autist ist, gestaltet sich das Ganze schwieriger, als sich ein "normaler" Mensch vorstellen kann ...

Sam (Keir Gilchrist) will in naher Zukunft unbedingt Brüste sehen. Das ist für einen 18-jährigen Teenager erst einmal nicht ungewöhnlich. Doch Sam ist Autist, was bedeutet, dass er sehr spezielle Interessen hat – Pinguine sind für ihn einfach das größte. Außerdem ist Sam nicht so gut, was soziale Interaktion und soziales Verständnis betrifft. Soll heißen: Andere in seinem Alter halten Sam für einen pinguinverliebten Freak, und die Chance, bald Brüste zu sehen, geht für den Jungen leider gegen Null. Dessen ist er sich sehr wohl bewusst: "Ich bin ein Spinner – das sagen jedenfalls die anderen!" Doch Sam findet, es sei nun höchste Zeit, etwas an seinem Sonderling-Status zu ändern. Er begibt sich auf die Suche nach einer Freundin. Und wie die Netflix-Serie "Atypical" zeigt: Sam stellt sich dabei auch nicht viel dümmer an, als andere Jungs in seinem Alter. Nur eben anders.

Wie viele Jungs und Mädels wie Sam gibt es eigentlich? Das ist gar nicht so leicht zu beantworten. Die Frage nach der Häufigkeit von Autismus konnte bis heute nämlich nicht eindeutig geklärt werden. Inzwischen gibt es Meinungen darüber, dass unter 10.000 Kindern ungefähr 15 bis 40 von Autismus oder dem Asperger-Syndrom, der leichteren Form der Krankheit, betroffen sind. Einzelne Experten gehen von 300.000 bis 400.000 Betroffenen allein in Deutschland aus. Wie gut Autisten im Leben zurechtkommen, hängt von ihrer Intelligenz ab. Die Bandbreite reicht von überdurchschnittlicher Intelligenz bis hin zur geistigen Behinderung.

Wie schwierig das Leben für die Betroffenen und deren Familien sein kann, zeigt die Coming-of-Age-Serie sehr eindrucksvoll – auch dank der großartigen Schauspieler. Mutter Elsa (Jennifer Jason Leigh) zum Beispiel gesteht, dass sie bis heute panisch aufspringt, wenn das Telefon klingelt, weil sie immer befürchtet, dass Sam wieder einmal einen Zusammenbruch hatte. Sein Vater Doug (Michael Rapaport) wiederum lässt durchblicken, dass er auch nach 18 Jahren nicht wirklich versteht, wie er einen solchen Sohn haben kann: "Ich wünschte, wir hätten nur eine Sache gemeinsam." Glücklicherweise sind die Episoden dabei keineswegs deprimierend, sondern wahnsinnig lustig.

Das Konzept von "Atypical" könnte jedenfalls aufgehen, erinnert die Serie doch ein wenig an eine andere Erfolgssitcom, die seit 2007 auf allen Kanälen läuft. Auch wenn die Macher von "The Big Bang Theory" nie bestätigten, dass Dr. Dr. Sheldon Cooper im Autismus-Spektrum liegt, so erinnert Sam doch sehr an nerdigen Physiker mit Vorliebe für Züge – nur dass Sam eben auf Pinguine abfährt und "Atypical" noch ein wenig einfühlsamer an das Thema herangeht. Man gönnt Sam trotz seiner bisweilen merkwürdigen Verhaltensweisen auf jeden Fall aus tiefstem Herzen, dass er sein Ziel irgendwann erreicht: Brüste zu sehen. Und Zuneigung zu erfahren.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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