ARTE-Doku

"Coldplay – A Head Full of Dreams": Vom Studentenwohnheim nach Glastonbury

von Julian Weinberger

Wie wurde aus vier Freunden von der Uni eine der bedeutendsten Bands des Jahrtausends? Filmemacher Mat Whitecross versucht sich an einer chronolgischen Aufarbeitung der Erfolgsgeschichte von Coldplay.

ARTE
Coldplay – A Head Full of Dreams
Dokumentarfilm • 21.08.2020 • 21:45 Uhr

An großen Visionen hat es Chris Martin offenbar noch nie gefehlt. Voller Selbstbewusstsein steht er 1998 da, mit 21 Jahren, pickelig und mit Zahnspange und posaunt hinaus, in zwei Jahren werde er mit seiner Band Coldplay als Headliner beim legendären Glastonbury Festival auf der Bühne stehen. Vier Jahre später wurde aus der leicht größenwahnsinnigen Ankündigung Realität, und Coldplay war aus der Musikwelt nicht mehr wegzudenken. Wie aus vier Jungs, die nur an der Uni waren, um Musiker kennenzulernen, eine der bedeutendsten Bands des Jahrtausends wurde, erzählt der Dokumentarfilm "Coldplay – A Head Full of Dreams", den ARTE nun erstmals im Free-TV zeigt.

Dafür geht Filmemacher Mat Whitecross, der zahlreiche Musikvideos der Band produzierte, ganz zurück zu den Ursprüngen, ins Jahr 1997 und an das University College London. Zahlreiche Archivaufnahmen zeigen Videos von Martin, wie er seine Kommilitonen im Studentenwohnheim an der Gitarre unterhält oder wie die vier Musiker unter beengten Verhältnissen ihre erste EP "Panic" aufnehmen. Dieses Archivmaterial ist das große Pfund des Films. Es strahlt Authentizität aus und erlaubt es den Zuschauern über so manches PR-Gebaren hinwegzublicken.

Schon ein Jahr nach der Gründung der Band sollte ihre Karriere massiv an Fahrt aufnehmen – dank eines Tipps in der renommierten Musikzeitschrift NME. "Ein Absatz hat unser ganzes Leben verändert", erinnert sich Martin an diesen Wendepunkt. Was folgt, ist ein Plattenvertrag, das erfolgreiche Debüt-Album "Parachutes" und TV-Auftritte. "Ich liebe es, erkannt zu werden. Das zeigt, dass wir cool sind und es den Reiz des Neuen noch nicht verloren hat", schwärmt Frontmann Martin in einem Mitschnitt aus dem Jahr 2000.

Doch "Coldplay – A Head Full of Dreams" verkommt trotz der Rekapitulation der beeindruckenden Erfolgsgeschichte von Chris Martin, Jonny Buckland, Will Champion und Guy Berryman nicht zur unreflektierten Heldenschau. Auch schwere Episoden der Bandgeschichte werden nicht ausgeklammert – ob künstlerische Krisen, kreative Dellen oder persönliche Schicksalsschläge. Dazu gehört auch, dass die Band einst Schlagzeuger Will Champion rauswarf, nachdem ein penibler Produzent ihm seine Eignung für Studioaufnahmen abgesprochen hatte. "Ich bin froh, dass es passiert ist, weil es eine sehr wichtige Lektion darüber war, woran wir unbedingt festhalten müssen", blickt Gitarrist Jonny Buckland auf damals zurück.

Heute tourt Coldplay durch die ganze Welt und spielt Auftritte von Bangkok über Paris bis nach Seoul und Sao Paulo. Ihre Konzerte sind zu Entertainment-Darbietungen der Extraklasse geworden, samt Feuerwerken, Konfettiregen und gigantischen Bühnenbildern. Trotzdem: Die Freundschaft zwischen den vier Musikern habe sich auch nach 20 Jahren im Schweinwerferlicht kaum verändert, wie Buckland im Film beschreibt. "Wir sind wie eine Familie, eher Brüder als Freunde. Wir fragen uns alle, was wir tun würden, hätten wir uns nicht getroffen", pflichtet Bassist Guy Berryman bei.

Insgesamt funktioniert "Coldplay – A Head Full of Dreams" vor allem für Coldplay-Fans hervorragend. Rasant geschnittene Konzertausschnitte wechseln sich mit unterhaltsamen Anekdoten der Bandmitglieder ab, und Mat Whitecross bietet interessante Einblicke in die Arbeit im Studio oder im Proberaum. Neutrale Zuschauer, die sich von der Sichtung der Musikdoku eine Erklärung des Phänomens Coldplay wünschen, werden am Ende hingegen etwas enttäuscht die Segel streichen.

Im Anschluss an "Coldplay – A Head Full of Dreams" bleibt ARTE im Thema und zeigt ab 23.20 Uhr Paul Dugdales Konzertfilm "Coldplay 2012 Live – Highlights der Mylo Xyloto-Tour" (2012).


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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