Schauspieler im Interview

Paul Sedlmeir: "Es menschelt einfach mehr"

von Frank Rauscher

"Riiiiiiiiiiedl!!!" Seit zehn Jahren ist Schauspieler Paul Sedlmeir als tollpatschiger Polizeimeister Martin Riedl im Kultkrimi "Hubert ohne Staller" zu sehen. "Ein Mann mit Nehmerqualitäten." Nun kocht er in "Dahoam is Dahoam".

Was soll man mit so einem nur machen! – Polizeimeister Riedl steht sich im Chaos-Revier von "Hubert ohne Staller" meistens selbst im Weg und befindet sich nicht ohne Grund am unteren Ende der Hierarchiekette: Er ist tollpatschig, unsicher und viel zu gutgläubig für diese Welt – nicht die Softskills eines guten Cops. Weil dieser Riedl aber auch ein unglaublich lieber Kerl ist, ist er als absoluter Sympathieträger eine tragende Säule der ARD-Kultserie (bei Amazon und Netflix, Wiederholungen laufen derzeit noch am Freitagabend im BR, neue Folgen werden gerade gedreht). Der 1981 in Starnberg geborene Paul Sedlmeir prägt den schrägsten Polizisten, der je im deutschen Fernsehen sein Unwesen trieb, bereits seit Serienstart 2011. Inzwischen zieht es den famosen Komödienschauspieler aber auch mal in andere Gefilde. Nach Auftritten etwa in der Amazon-Parodie-Serie "Binge Reloaded" oder der Comedy "Sketch History" mischt er ab Dienstag, 16. März, im BR-Klassiker "Dahoam is Dahoam" (montags bis donnerstags, 19.30 Uhr, BR-Fernsehen) mit – als Koch.

prisma: Herr Sedlmeir, sind Sie in den letzten Jahren in eine Polizeikontrolle geraten?

Paul Sedlmeir: Ja. Das war im Zug auf einer Fahrt nach Wien. Da haben zwei Grenzpolizisten ihre Runde gedreht. Zuerst sind sie an mir vorbei, aber nach wenigen Minuten standen sie wieder vor mir und wollten meinem Ausweis sehen. Ich dachte: Oh Gott, was hab' ich nur falsch gemacht?

prisma: Und wie ging es weiter?

Sedlmeir: Als ich ihnen meinen Ausweis zeigte, sagte der eine Beamte zum anderen: "Ja schau, wusste ich's doch. Der Kollege von 'Hubert und Staller!" Danach wünschten sie mir eine gute Fahrt. Und sie haben sich gewünscht, dass wir nie aufhören sollen zu drehen.

prisma: Klingelt Ihnen also auch im Privatleben hin und wieder dieses laute "Riedl!!" in den Ohren, das jeder Fan der Serie aus dem Wolfratshauser Polizeirevier kennt?

Sedlmeir: Ja, es dröhnt mir schon manchmal in den Ohren, weil es mir immer wieder mal hinterhergerufen wird – ob im Supermarkt, in der Tankstelle, auf dem Weg zur Kita, einfach überall. Aber ich sag' Ihnen was, mich freut es trotzdem. Und es gibt viel mehr Fans, die differenzieren und mich als Paul Sedlmeir sehen und nicht als Riiiiiiiiiiedl. Alles gut.

prisma: Sie haben mit dem Polizeimeister Martin Riedl eben eine echte Marke geprägt. Jeder kennt ihn. Dabei haben Sie einst als Produktionspraktikant hinter der Kamera angefangen. Wie kamen Sie dann eigentlich zu der Rolle?

Sedlmeir: Ich bin ja ein echter Tölzer und sehr gut vernetzt. Als unser Produzent damals auf der Suche nach guten Motiven war, habe ich ihm einen Deal angeboten: Ich helfe Dir – und Du hilfst mir. Im Nachhinein war es ein sehr guter Deal für uns beide (lacht).

prisma: Was wohl die wenigsten wissen: Sie gehören zur großen Hörbiger-Familie, Christian Tramitz ist Ihr Onkel. Als Polizeiobermeister Franz Hubert gehört es seit nunmehr fast zehn Jahren zu seinem Rollenprofil, regelmäßig auf den armen Riedl einzuhacken. Wie hat sich die Zusammenarbeit auf das Verhältnis Onkel-Neffe ausgewirkt?

Sedlmeir: Mein Onkel ist schon kritisch, das war er von Anfang an. Ich sehe das positiv und habe von ihm, aber auch von anderen Kollegen und Kolleginnen, viel gelernt und profitiert.

prisma: War Riedl von Anfang an so angelegt?

Sedlmeir: Ja, in etwa schon. Am Ende ist natürlich auch wichtig, was der Schauspieler draus macht, insofern habe ich daran schon meinen Anteil.

prisma: Nun sind Sie fast zehn Jahre dabei – in einer Rolle, wie man sie im deutschen Fernsehen in der Form eigentlich noch nie gesehen hat ...

Sedlmeir: Dass wir uns nach wie vor so großer Beliebtheit erfreuen, das ist schon eine tolle Sache, irgendwas müssen wir richtig machen. Und dass mir persönlich so viel Sympathie entgegenschlägt, das freut mich und treibt mich an. Wer liebt es nicht gemocht zu werden?

prisma: Riedl ist aber nicht nur der gutmütige Sympathieträger der Serie, mithin ist er auch der Fußabtreter für seine Kollegen und permanenten Demütigungen ausgesetzt.

Sedlmeir: "Fußabtreter" und "permanente Demütigung" sind aber tüchtig übertrieben. Ja, er bekommt oft sein Fett weg, aber auch, weil er sich selber viel im Weg steht. Er ist einfach ein Pechvogel, das ist es, was die Rolle ausmacht. Aber er liebt seinen Beruf und lässt sich nicht unterkriegen. Ein Mann mit Nehmerqualitäten.

prisma: Riedl ist unter den Fans besonders beliebt. Welchen Reim machen Sie sich darauf?

Sedlmeir: Ach, ich glaube, das ist ein Mix aus vielen Möglichkeiten. Solidarität ist ganz sicher ein wichtiger Aspekt, es ist ja nicht so, dass jeder von uns eine Führungsposition innehat, es gibt immer mehr Indianer als Häuptlinge. Sicher erkennt sich der eine oder andere auch selbst wieder. Und ganz sicher spielt auch Mitgefühl eine Rolle.

prisma: Was macht so eine Rolle auf Dauer mit Ihnen als Schauspieler?

Sedlmeir: Sie macht mich zunächst einmal sehr zufrieden. Ich wollte immer gerne Schauspieler sein, und ich wollte diese Rolle. Und ich fände es ziemlich schön, sie noch ein paar Jahre weiter spielen zu können. Darüber hinaus tummle ich mich ja auch in anderen Formaten und Serien, habe also Abwechslung und komme auch mal aus Wolfratshausen raus.

prisma: Hat es Sie eigentlich überrascht, dass die Serie auch nach dem Ausstieg von Helmfried von Lüttichau noch so gut funktioniert?

Sedlmeir: Natürlich ist es total schade, dass Helmfried ausgestiegen ist. Aber, und das sieht man ja jetzt auch deutlich, die Serie trug sich ja nicht alleine durch ihn. Der Hubert spielt eine genauso große Rolle, und das übrige Team natürlich auch. Von daher muss ich sagen, ich war sicher, dass wir auch in neuer Konstellation sehr gut weitermachen können.

prisma: Die Einschaltquoten von Serien wie "Rosenheim-Cops" oder "Hubert ohne Staller" sind gerade in jüngeren Zeiten hervorragend gewesen. Denken Sie, es gibt einen Zusammenhang zwischen der Pandemie und der Nachfrage nach solchen Formaten?

Sedlmeir: Ich erlaube mir die Bemerkung, dass wir auch vor der Pandemie sehr gute Quoten hatten (lacht). Und wenn sie jetzt noch höher sind als vorher, dann liegt das sicher auch an der Pandemie. Was soll denn der Mensch machen, wenn er zum Daheimbleiben verdonnert ist?

prisma: Warum ist ein "Wohlfühlkrimi" wie "Hubert ohne Staller" grundsätzlich in ganz Deutschland so beliebt?

Sedlmeir: Das liegt ganz sicher auch an dem bayerischen Background. Und daran, dass wir zwar aufregende Fälle lösen müssen, dabei aber doch eher gemütlich und menschlich agieren. Und an der Abwesenheit von brutaler Gewalt, was unsere Serie zur Familienserie macht. Es menschelt einfach mehr, das ergibt den Wohlfühl-Effekt, von dem hier die Rede ist. Außerdem: Es gibt keine schönere Kulisse als das Oberland, meine Heimat. Und ich kann mir nicht vorstellen, dass es irgendjemanden gibt, der das anders sieht. Von daher: Das Oberland müsste eigentlich im Hauptcast mit aufgeführt werden, das hätte es sicher verdient.

prisma: Nun steigen Sie in ein anderes bayerische Wohlfühluniversum ein: Bei "Dahoam is Dahoam" sind Sie künftig als Koch zu sehen? Können Sie eigentlich kochen?

Sedlmeir: Als Familienvater musst du zumindest ein bis drei Gerichte kochen können, sonst bist du verloren. Und es versteht sich, glaube ich, von selbst, dass es sich nicht um Drei-Sterne-Küche handelt. Ich bin super gut in Nudeln mit Ketchup, Pommes mit Ketchup und Wiener mit Ketchup. Zu der Rolle kam ich ganz einfach: Man hat mich angefragt, und ich hatte Zeit und Lust. "Dahoam is Dahoam" ist ein sehr erfolgreiches Format beim BR, und es war sehr interessant, einmal ein Teil davon zu sein. Und ich wäre kein guter Schauspieler, wenn ich nicht mehr als nur eine Rolle spielen könnte.

prisma: In anderen Formaten, etwa in "Sketch History" oder zuletzt bei Amazon in "Binge Reloaded", arbeiten Sie viel mit Maske und Kostüm. Hat das auch ein bisschen mit dem langen Riedl-Schatten zu tun, oder machen Ihnen solche Comedy-Auftritte einfach besondere Freude?

Sedlmeir: Nein, das hat nichts mit dem Riedl zu tun. Ich bin einfach generell lustigen Formaten zugewandt, und das Arbeiten mit Maske und Kostüm ist eine tolle Erfahrung.

prisma: Welche Ihrer Rollen in "Binge Reloaded" hat Ihnen am besten gefallen?

Sedlmeir: Ich habe tatsächlich keinen Favoriten, mir hat alles großen Spaß gemacht. Auch die Zusammenarbeit mit den Kollegen vor und hinter der Kamera. Es war mir ein Fest.

prisma: Wissen Sie, ob Henry Cavill Sie schon mal in der "Witcher"-Maske gesehen hat?

Sedlmeir: Gute Frage! Haha. Soweit ich weiß, erholt sich Henry Cavill momentan von einer Muskelverletzung, und deswegen liegen die Dreharbeiten für die neue "Witcher"-Staffel auf Eis. Falls sich der Heilungsverlauf hinziehen sollte, kann ich jederzeit einspringen. Den Unterschied würde sicher niemand merken.

prisma: Wissen Sie schon, ob und wie es mit "Binge Reloaded" weitergeht?

Sedlmeir: Ja, das weiß ich: Es geht weiter, und am "Wie" arbeiten wir gerade.

prisma: Man hat ansonsten das Gefühl, dass eher immer weniger gelacht wird. Ob im Fernsehen oder in den Sozialen Medien: Es dominieren die Debatten rund um die Corona-Pandemie. Brauchen wir also eigentlich nicht viel mehr Formate, die uns da ein bisschen rausholen?

Sedlmeir: Ich glaube nicht, dass weniger gelacht wird. Aber der Quotendruck bei den Sendern ist so hoch, dass ein Format sich nicht mehr stetig entwickeln kann. Da würde ich mir bei den Verantwortlichen mehr Mut wünschen. Dass "Sketch History" eingestellt wurde, ist natürlich total schade, so ein tolles Format. Aber: Wo sich eine Tür schließt, öffnet sich eine andere. Mehr will ich noch nicht verraten.

prisma: Wäre die Zeit nicht auch reif für ein "Riedl"-Spin-Off?

Sedlmeir: (lacht) Jetzt, wo sie es sagen! Ja, klar! Wann soll ich wo hinkommen? Ich bin dabei!


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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