Interview mit Lea-Sophie Cramer

"Amorelie"-Gründerin: Deshalb macht sie bei "Das Ding des Jahres" mit

von Maximilian Haase

Als Lea-Sophie Cramer vor sechs Jahren ihr Unternehmen Amorelie ins Leben rief, sorgte die Gründung für Aufsehen. Eine so junge Frau als Geschäftsführerin, und dann auch noch in einem Start-Up für Erotikspielzeuge? Selbst für den modernen männlichen Entrepreneur des 21. Jahrhunderts eine große Sache. Heute haben sich die Wogen geglättet, und mittlerweile gilt die von Sigmar Gabriel 2014 als "Vorbild-Unternehmerin" ausgezeichnete Anfangdreißigerin als eine der bekanntesten und erfolgreichsten Gründerinnen des Landes. Nun wagt Cramer, deren Unternehmen inzwischen von ProSiebenSat.1 übernommen wurde, als Erfindungstesterin bei "Das Ding des Jahres" (ab Dienstag, 19. Februar, 20.15 Uhr, auf ProSieben) einen weiteren Schritt in die Öffentlichkeit.

Warum sie dort als Unternehmerin und zweifache Mutter ohnehin steht, weshalb sie noch immer Dinge gefragt wird, die ein Mann nie beantworten muss, und wieso sie dennoch kein Promi sein will, erklärt Lea-Sophie Cramer im Interview.

prisma: Sie hatten sich vor "Das Ding des Jahres" bereits schon einmal kurz an einer Art Gründer-Format versucht, das eher nicht so gut lief. Braucht es Start-Up-Mentalität, um es noch mal zu versuchen?

Lea-Sophie Cramer: Der erste Versuch mit Johann Lafer war ja keine richtige Show, sondern nur ein paar Tage, die ich in München verbracht habe, um anzumoderieren. Das lief eher nebenher, als Test. "Das Ding des Jahres" ist nun eine aktive Entscheidung gewesen – und eine große Show. Das ist eine ganz andere Sache, die ich mir vorher gut überlegt habe.

prisma: Wie kam es, dass Sie sich dafür entschieden?

Cramer: Ich habe super viel Spaß daran, neue Dinge zu erleben, immer wieder ins kalte Wasser zu springen und mich weiterzuentwickeln. Bei Amorelie bin ich ja nun bereits im siebten Jahr. Man kann also nicht sagen, dass das wahnsinnig neu wäre. Und da war eine TV-Show noch einmal ein Bereich, den ich sonst nur deshalb kenne, weil wir im Fernsehen Werbung buchen.

prisma: Was haben Sie sich erhofft?

Cramer: Große Erwartungen hatte ich an mich gar nicht, sondern fand es einfach spannend. Ich hatte einfach Lust, die Erfindungen mit auszutesten und zu bewerten. Ich mag die Show, weil es eine sehr freundliche ist. Eine unterhaltende Familiensendung, in der die Kandidaten nicht runtergemacht werden müssen – so wie in manchen Konkurrenzformaten.

prisma: Sie spielen auf die "Höhle der Löwen" an ...

Cramer: Um das nicht falsch zu verstehen: Das ist ein gutes Format, das sehr viel für die Gründerszene beigetragen hat. Gerade in der Außenwahrnehmung – früher hatte man mit Unternehmen ja noch andere Assoziationen. Das ist jetzt, auch dank dieser Sendung, positiver geworden, weshalb ich überhaupt nicht auf dieses Format schimpfen kann. Es ist einfach eine andere Herangehensweise: Bei "Das Ding des Jahres" geht es eher um die Erfinderinnen und Erfinder und deren Produkte, weniger um das Geschäft und den Markt dahinter. Etwas handfester an einer Produktidee festgemacht – und auf Augenhöhe.

prisma: Agieren Sie auf diese Weise auch als Unternehmerin und Chefin im Alltagsgeschäft?

Cramer: Ich glaube, ich bin eine sehr nahbare Managerin. Ich sitze mittendrin, habe meine beiden Kinder mit im Büro. Da versuche ich, transparent und echt zu sein, auch, was eigene Fehler betrifft. Diese Augenhöhe und dieses Miteinander halte ich für wichtig.

prisma: Fanden Sie es angenehm, dass es nicht so sehr um Wettbewerb ging?

Cramer: Ich fand es schön, mal nicht entscheiden zu müssen, das mache ich sonst schon genug (lacht). Interessant war, dass ich ganz oft anders entschieden hätte als das Publikum. Das war lehrreich. Auch mit den Teams sprachen wir danach in unterschiedlichsten Konstellationen – etwa Lena und ich bei einem Handtaschenprodukt.

prisma: Kannten Sie Ihre Mitstreiter Lena Gercke, Joko Winterscheidt und Hans-Jürgen Moog vorher schon?

Cramer: Gar nicht. Ich hatte noch keinen von ihnen getroffen. Einen Abend vorher haben wir uns kennengelernt und ein bisschen gequatscht. Das war sofort eine Wellenlänge, ich war gleich Teil des Teams. Sie haben es mir unfassbar leicht gemacht, da wird man nicht als TV-Neuling behandelt, sondern als ganz normaler Mensch (lacht).

prisma: Wie wirkte der Alltag des TV-Geschäfts auf Sie im Vergleich zum Unternehmensalltag?

Cramer: Es ist wirklich etwas ganz anderes. Während der Drehtage versuchte ich immer, mir Zeiten rauszukratzen, um meinen Job zu machen. Man sitzt ewig in der Maske oder im Styling – Dinge, die für mich sonst keine Rolle spielen. Sonst habe ich den ganzen Tag über viele Meetings, esse zwischendurch, muss Entscheidungen treffen. Im TV hingegen wird sehr viel vorbereitet – und zum Zeitpunkt der Show musst du dann da sein und abliefern. Ich mag diesen Nervenkitzel total. Vor den Shows war ich auch total aufgeregt.

prisma: Also Aufregung in einem positiven Sinne – kein Lampenfieber?

Cramer: Ich liebe den Adrenalinschub. Aufgeregt ist man, weil man nicht weiß, wie man so rüberkommt. Und ich hoffte, so rüberzukommen, wie ich wirklich bin. Joko sagte mir, dass er auch noch ab und an Aufregung hätte. Ich fürchtete vor allem, entweder ganz viel oder gar nicht mehr zu reden (lacht). Das wäre doof gewesen. Ich fand einen guten Mittelweg, denke ich. Aber selbstkritisch ist man danach schon.

prisma: Inwiefern ist es für Sie wichtig, dass Ihr Unternehmen – etwa in der TV-Öffentlichkeit – auch mit Ihrer Person verknüpft wird?

Cramer: Ich bin da sehr ambivalent. Durch den Erfolg von Amorelie kam ich ja in eine kleine Öffentlichkeit. Dafür stehe ich ja. Toll finde ich, durch diese Öffentlichkeit Reichweite zu bekommen, um Dinge zu bewegen. Um für Dinge einzustehen, die mir wichtig sind. In meinem Fall etwa weibliches Unternehmertum. Gleichzeitig jedoch möchte ich keine öffentliche Person werden. Mein Ziel ist es nicht, Promi zu werden.

prisma: Dabei steht Ihr Privatleben immer auch mit im Fokus – eben weil Sie als Frau und Mutter Unternehmerin sind. Inwiefern nervt es, etwa Fragen zur Vereinbarkeit von Kindern und Beruf gestellt zu bekommen, die man einen Mann nie fragen würde?

Cramer: Ja, die schöne Vereinbarkeits-Frage! Darauf werde ich oft angesprochen, obwohl ich das wahnsinnig raushalte. Man findet keinerlei Bilder meiner Kinder oder meines Freundes – oder Informationen über sie. Das ist mein Privatleben, das will ich nicht öffentlich sehen, das ist mir wichtig. Was mir aber auch wichtig ist: zu zeigen, dass es die Möglichkeit gibt, heute als Frau alles zu machen. Und das ist, weil wir die Kinder biologisch nun mal bekommen, für Frauen noch immer schwieriger als für die Männer. Um diesen Weg aufzuzeigen, ist die Öffentlichkeit auch etwas Schönes.

prisma: Welchen Weg wollen Sie anderen Frauen weisen?

Cramer: Dass es mit wahnsinnig viel Anstrengung, Biss und Organisation geht, dass es funktionieren kann. Man trägt schließlich sowohl familiär als auch beruflich eine riesige Verantwortung. Deshalb kann ich verstehen, dass man mich immer noch fragt. Ich nehme diese Rolle an. Nur wenn ich drüber spreche, kann ich etwas bewegen. Aber klar: Die Unternehmer-Männer, die auch Familie haben, werden das nie gefragt. Das finde ich schade – bin aber auch totale Realistin: Derzeit haben wir 13 Prozent Gründerinnen. Das ist so wenig, dass es noch immer ungewöhnlich ist. Aus diesen Gründen redet man darüber und deshalb nervt es mich nicht. Auch wenn ich mir wünschen würde, dass es anders wäre.

prisma: Nehmen Sie wahr, dass die Gleichberechtigung in Sachen Familie langsam zunimmt?

Cramer: Kürzlich kam das Thema auf, ob man Männer loben sollte, wenn Sie sich mehr um die Dinge kümmern, die Frauen schon seit Jahrhunderten tun, Kinder abholen und betreuen etwa. Eigentlich braucht es für Selbstverständlichkeiten ja kein Lob. Aber wir sind alle sozialen Wesen, und auch ich freue mich, wenn ich gelobt werde. Deshalb finde ich das okay. Ich freue mich, dass es sich langsam ändert – und das darf man auch anerkennen, ohne gleich antifeministisch zu sein. Alle, die eine Familie haben und gleichzeitig im Berufsleben stehen, wissen um diese Kompromisse, die man laufend schließen muss.

prisma: Würden Sie sich selbst als eine Art Rolemodel bezeichnen?

Cramer: Nein, das kann man selbst gar nicht tun. Ich möchte nur zeigen, dass es geht. Wenn das nun andere Frauen und auch Männer ermutigt, ist das super. Aber ich möchte mir diesen Titel nicht anmaßen. Zumal es sehr viele verschiedene Personen für verschiedene Dinge als Vorbild gibt.

prisma: Glauben Sie, dass mehr Frauen in führenden Unternehmenspositionen zu einem anderen Führungsstil gesorgt haben?

Cramer: Ich denke, die Management-Stereotypen ändern sich auch im Allgemeinen. Es kann sein, dass Frauen in dieser Hinsicht ein wenig weiter sind und andere Eigenschaften mitbringen, während Männer noch mehr eine Rolle erfüllen. Aber es gibt viele männliche Kollegen, die ehrliche und empathische Seiten einbringen. Diese neuen Arten des Arbeitens und Führens sind unabhängig vom Geschlecht.

prisma: Neben dem Einfluss auf Frauen in Führungspositionen – inwiefern konnte Ihr Unternehmen Amorelie zu einem befreiteren Blick auf Sexualität und Sex-Spielzeug beitragen?

Cramer: Immer weniger Menschen glauben, dass es ein Tabu-Thema sein sollte. Da ist eine starke Veränderung im Gange, und das ist etwas, das wir auch mit angetrieben haben. Mittlerweile gibt es einen ganzen Markt dafür. Als wir anfingen, bekamen die Leute den Mund nicht wieder zu – und viele unsere Mitarbeiter mussten erst mal mit ihren Eltern sprechen (lacht). Das ist konträr zu dem, was wir jetzt erleben. Inzwischen müssen wir schauen, dass die Leute aus den richtigen Motiven bei uns anfangen und nicht nur aus Karrieregründen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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