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"Der Barcelona-Krimi: Entführte Mädchen" – der Zuschauer braucht Geduld

Ein junges Mädchen ist seinem Peiniger gerade so entkommen. Nun ist  Luisa völlig verstört und spricht nicht mehr. Der dritte "Barcelona-Krimi" gibt sich leider ziemlich realitätsfern und mag nicht so recht in Gang kommen.

ARD
Der Barcelona-Krimi: Entführte Mädchen
Krimi • 21.05.2020 • 20:15 Uhr

Wenn deutsche Schauspieler Kommissare in fremden Ländern spielen, ist das nie ein leichtes Spiel, zumal sich der sterile Synchronton häufig als zusätzliches Ärgernis entpuppt. Ist der Plot spannend genug, vergisst man derlei Hindernisse als Zuschauer schnell: Okay, das geht, diese Story könnte genau so nach Athen, Lissabon oder eben Barcelona gehören – im Glücksfall werden einem gar die Probleme der Einheimischen nähergebracht. Der dritte "Barcelona-Krimi" aber könnte in seiner realitätsfernen Ausgedachtheit auch irgendwo sonst auf der Welt spielen. Es wurden (und werden) hier auf grausame Weise mehrere Mädchen entführt, gefesselt, in Kisten gestopft und nach ihrem Ableben entsorgt. Alles ein bisschen viel – zumal ja auch die Ermittlerfiguren ihren Anteil an der seriellen Erzählung wollen.

Der Fall "Entführte Mädchen" verlangt vom Zuschauer viel Geduld, denn natürlich werden zunächst die Polizisten neu eingeführt und falsche Verdachtsspuren gelegt. Es gibt ja auch allerhand Neuigkeiten auf dem Revier: Fina Valent (Anne Schäfer) steigt zur Chefin der Abteilung auf. Das will erörtert sein, da mag sich Xavi Bonet, der Kollege (Clemens Schick), noch so einverständig zeigen. Dass eine(r) hinter dem Schreibtisch sitzen mag, statt auf der Straße die hoffentlich frische Luft Barcelonas zu atmen, kann er sowieso nicht verstehen. Geschenkt, die feminine Beförderung ist inzwischen wohl Autorenpflicht.

Einigermaßen Leben gewinnt der Barcelona-Film, als sich Xavi, der brave Polizist mit dem Ganovenblick, mit einem verstört aufgefundenen Mädchen berufshalber anzufreunden beginnt. Luisa (fantastisch in ihrer schwierigen Rolle: Emilia Packard) ist nach der ihr widerfahrenen Gewalt verstummt. Ihr die Zunge zu lösen, und sei es mit einem Trikot des FC Barcelona oder mit einem von Xavi getanzten Macho-Rave, das ist eine bleibende Nummer. Schade, dass dann gleich wieder ein schlauer Polizeipsychologe als Profiler eingreifen und den Fall (falsch) erklären muss. Aber auch eine allzu emsige Knochen-Pathologin trägt nicht allzu viel zur authentischen Verankerung des Falles bei.

Die Gentrifizierung Barcelonas, die Stadt als Zuzugsort der Betuchten und – bis dato – überkochendes Touristenziel wird Thema des nächsten Barcelona-Krimis in einer Woche sein ("Blutiger Beton", am 28.05.). Diesmal hat man es mit einem letztlich austauschbaren Schauerstück zu tun (Mädchenmorde!), das lange braucht, bis es in die Gänge kommt. Die Regisseurin Isabell Šuba überzeugte 2015 mit ihrem Spielfilmdebüt "Männer zeigen Filme & Frauen ihre Brüste", einem Mockumentary, einer gespielten Dokumentation also, in der es um die Eitelkeiten des Filmbusiness auf dem Filmfestival von Cannes und die dort herrschende Skepsis gegenüber Regiefrauen ging. In ihrem TV-Erstling ist sie jedoch leider allzu sehr um die Erfüllung von TV- Serienklischees bemüht.

Erst spät, als sich der um die eigene Achse gedrehte Fall zu lösen beginnt, legt dieser Barcelona-Krimi endlich seine Genrefesseln ab. Mitreißend und mutig werden dann mittels Botoxspritzen Schmerzgrenzen überschritten, lugen Täteraugen höchst gefährlich durch Schlüssellöcher. Doch diese Linie – vom Serienkrimi zum kühn gemachten Thriller – findet der Film erst spät, lange Zeit verzettelt er sich in konventionellen Zutaten und Mustern des Genres.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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