Senioren-Dating bei SAT.1

"Hotel Herzklopfen": Comedy – aber ohne Zynismus

Ist es fair, nach Liebe suchende alte Menschen in eine Show zu stecken, in der sie "altersungerechte" Dinge tun sollen? Der Kölner Moderator und Comedian Lutz van der Horst hat sich dazu Gedanken gemacht.

In der neuen SAT.1-Kuppelshow "Hotel Herzklopfen – Spät verliebt!" treffen zwei Dutzend Senioren aufeinander, um die vielleicht letzte Liebe ihres Lebens zu finden. Der furchtlose "heute show"-Reporter Lutz van der Horst, zudem Autor renommierter Comedy-Formate wie "Switch Reloaded", "Harald Schmidt" oder "TV Total", moderiert den betagten Schweizer Alpentrip gemeinsam mit Youtuberin Sarah Mangione und "Frühstücksfernsehen"-Moderator Daniel Boschmann. Wie soll man die Show bewerten – als unmoralisches Spiel mit alten Menschen oder wunderbare Lebenshilfe, die das Herz wärmt?

prisma: Man kennt Sie als Autoren renommierter Comedy-Formate oder furchtlosen Reporter der "heute show". Was machen Sie in einer SAT.1-Kuppel-Show für Senioren?

Lutz van der Horst: Ich finde, das ist ein tolles Format. Nachdem ich mir das belgische Original angeschaut hatte, wollte ich da gerne dabei sein. Gewissermaßen ist das auch Comedy – aber ohne Zynismus. Gleichzeitig ist es eine Sendung fürs Herz. Eine Mischung, die man im TV sehr selten findet.

prisma: Das Moderatoren-Trio kommentiert die Liebesbemühungen der Senioren aber auch komödiantisch, wenn die Kandidaten nicht dabei sind ...

Van der Horst: Ja, aber ich finde, dass wir dabei stets respektvoll bleiben. Ich empfinde es so, dass wir mit den Kandidaten viel gemeinsam lachen. Und niemals über sie. Man kennt da ja ganz andere Paarungs-Shows im deutschen Fernsehen.

prisma: Ein anderer Kritikpunkt könnten die nicht gerade altersgerechten Challenges sein. Sie lassen Ihre Kandidaten mit dem Roller steile Berge herunterfahren oder veranstalten Boxkämpfe an der Playstation!

Van der Horst: Genau das finde ich gut. Wir zeigen keine alten Leute, die alte Sachen machen. Das sind alles Menschen, die unglaublich viel Energie haben. Mit den Challenges hatten die kein Problem. Eher im Gegenteil. Es war schön zu sehen: Die Leute haben sich etwas zugetraut – und waren danach immer stolz auf sich. Hätten wir einen Häkelwettbewerb veranstaltet, wäre die Show gähnend langweilig.

prisma: Was war für Sie die verblüffendste Erkenntnis aus der Show?

Van der Horst: Dass alte Menschen heutzutage nicht mehr alt wirken. Die Oma auf dem Schaukelstuhl mit Katze auf dem Schoß – die gibt es nicht mehr. Unsere Kandidaten waren allesamt sehr fitte, rüstige Menschen.

prisma: Dann ist die sogenannte "Würde des Alters" auch eine Art Gefängnis? Weil man den Menschen nur noch wenig Energie oder Ekstase zugesteht?

Van der Horst: Ja, genauso ist es. Die Senioren aus unserer Show muss man nicht vor sich selber schützen. Sie können die Verantwortung für sich übernehmen. Viel mehr als so manche jungen und sehr jungen Kandidaten, die man in anderen Shows sieht.

prisma: Soweit man es vorab sehen konnte, wirkt Ihre Show sehr anstrengend!

Van der Horst: Ja, das war ein durchaus straffes Programm. Wir lebten eine Woche gemeinsam mit den Kandidaten in einem Schweizer Berghotel. Jeden Tag gab es diverse Aufgaben. Am Abend waren wir Moderatoren aber in der Regel deutlich geschaffter als die Senioren. Und die, die nicht mehr so fit waren, wussten genau, an welchen Stellen sie kürzertreten mussten.

prisma: Woran merkten Sie, dass die Alten fitter waren als Sie selbst?

Van der Horst: Zum Beispiel daran, dass die abends bis Mitternacht durchgefeiert haben, während ich mich da schon längst ins Bett verabschieden musste. Ich finde, diese Energie ist eine schöne Botschaft an etwa gleichaltrige Zuschauer, aber auch an die jüngeren: Siehe da, man muss im Alter nicht gediegen sein, man kann auch mal feiern und richtig die Sau rauslassen.

prisma: Trotzdem startet das Format nicht in der Primetime, sondern am sehr frühen Abend. Vielleicht, weil man unsicher ist, ob Zuschauer alte Körper im TV unattraktiv finden?

Van der Horst: Nein, das glaube ich nicht. Wir starten mit einer Doppelfolge am Sonntag, um 17.55 Uhr, und laufen auch in den Folgenwochen auf diesem bei SAT.1 erfolgreichen Sendeplatz. Ich glaube, dass die Zuschauer mehr und mehr Lust darauf haben, alte Menschen im Fernsehen zu sehen. Vor allem dann, wenn man diese Senioren mit ganz viel Energie in einem neuen Umfeld erlebt. Das hat eine sehr positive Wirkung auf den Zuschauer.

prisma: Darum sollte man sich das Ganze ansehen?

Van der Horst: Ja. Ich glaube, dass die Sendung glücklich macht. Wir Moderatoren waren immer wieder sehr gerührt von den Kandidaten. Wir hatten, das darf man ruhig mal zugeben, immer wieder Tränen in den Augen.

prisma: Was können die Jungen von den Flirt- und Paarungs-Techniken der Alten lernen?

Van der Horst: Zum einen eine gewisse Gelassenheit. Zum anderen haben ältere Menschen mehr zu erzählen, weil sie einfach mehr Lebenserfahrung besitzen. Ich habe privat viel Zeit mit den Kandidaten verbracht. Wie gesagt, wir lebten im selben Hotel, frühstückten gemeinsam und so weiter. Mit vielen Leuten habe ich immer noch Kontakt.

prisma: Sie sprechen von der Gelassenheit des Alters. Man könnte ja auch annehmen, die Leute stehen unter besonderem Stress, weil sie es vielleicht als ihre letzte Chance erachten, noch mal jemanden zu finden.

Van der Horst: Das hätte so sein können, diesen Eindruck hatte ich aber nicht. Ich fand die Kandidaten sehr authentisch. Nach dem Motto: Entweder ich finde hier jemanden – oder eben nicht. Dass die Kandidaten sie selbst sind und bleiben dürfen, ist für das Format total wichtig. Wir haben keine einzige Szene nachgestellt. Vorformuliert waren nur unsere Kommentare, mit denen wir manche Bilder im Nachhinein betextet haben.

prisma: Hat sich die Stimmung während Ihrer gemeinsamen Zeit verändert?

Van der Horst: Irgendwie schon. Ich hatte den Eindruck, dass die Gruppe im Laufe der Zeit immer kindischer wurde. Das Ganze hatte etwas von Klassenausflug. Das Seltsame war nur: Wir Moderatoren, also die Jungen, fühlten uns wie die Lehrer, also die Erwachsenen (lacht).

prisma: Dürfen Sie etwas über die Erfolgsquote verraten? Wie viele Paare haben sich während dieser Show gefunden?

Van der Horst: Ich darf natürlich überhaupt nichts verraten. Nur so viel: Wir waren überrascht!

prisma: Sie sprachen am Anfang von Comedy. Was finden Sie an diesem Format lustig?

Van der Horst: Zum Beispiel, dass die Alten sehr selbstironisch mit sich umgehen. Auch das findet man bei anderen Kuppel-Shows eher nicht. Selbstironie ist das, was beim "Bachelor" blöderweise komplett fehlt. Nicht umsonst ist Ironie eine Eigenschaft, die beim Älterwerden gut hilft. Wenn das eigene Welken schon nicht besonders erfreulich ist, muss man wenigstens darüber lachen können.

prisma: Kommen wir mal von der Show weg. Sie sind berühmt für Ihre dreisten Interviews, zum Beispiel in der "heute show". Sind Sie privat genauso angstfrei?

Van der Horst: Privat bin ich eher ein zurückhaltender, auf jeden Fall aber sensibler Mensch. Absurderweise kann ich diese Zurückhaltung sofort abschalten, wenn eine Kamera angeht.

prisma: Sie haben also neben Ihrer eigenen Identität eine zweite – die nur im Fernsehen funktioniert?

Van der Horst (lacht): Wenn man so will, ja. Das Ganze hat jedoch etwas Therapeutisches. Weil ich die Zurückhaltung vor der Kamera immer wieder überwinde, hat mich das auch im Privaten selbstbewusster werden lassen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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