Dritter Teil "Still ruht der See"

"In Wahrheit": Leiser Ermittler-Krimi aus dem Saarland

von Eric Leimann

Im dritten Film der ZDF-Reihe "In Wahrheit" muss Saar-Ermittlerin Judith Mohn (Christina Hecke) das triste Umfeld Jugendlicher aus einem Ghetto durchleuchten. Ein Problem dabei: Die Kommissarin ist selbst dort aufgewachsen. ARTE zeigt den leisen, aber soliden Ermittler-Krimi als Vorabpremiere.

ARTE
In Wahrheit: Still ruht der See
Kriminalfilm • 19.04.2019 • 20:15 Uhr

Saarlouis klingt nicht gerade nach großer, weiter Welt. Doch auch die 35.000 Einwohner-Stadt an der Grenze zum französischen Lothringen hat seit Mitte 2017 ihre eigene TV-Ermittlerin – die empathische Kommissarin Judith Mohn (Christina Hecke). Schon aus den beiden Vorgänger-Fällen "Mord am Engelsgraben" (2017) und vor allem "Jette ist tot" (2018) ließ sich ein Interesse der Drehbuchautoren Miguel Alexandre (auch Regie) und Harald Göckeritz für Jugend-Themen herauslesen. Der dritte Fall "Still ruht der See" spielt nun komplett im Milieu einer Gruppe Jugendlicher, ohne dass dieser Umstand besondere Lebensfreude aufkommen ließe – eher im Gegenteil.

Der 16-jährige Marlon wird von seiner Mutter (Bernadette Heerwagen) tot in einem See gefunden. Blaue Flecken am Körper des Jungen weisen darauf hin, dass er zuvor geschlagen wurde. Neben dem familiären Umfeld haben Mohn und ihr Kollege Freddy Breyer (Robin Sondermann) eine Gruppe Jugendlicher auf dem Kieker, die sich über das Opfer posthum lustig zu machen scheinen. Wie kann man nur so böse sein? Doch im Arme-Leute-Ghetto, wo der dritte "In Wahrheit"-Film spielt, ist das Leben eben härter als anderswo. Niemand weiß das so gut, wie Kommissarin Judith Mohn selbst, denn sie ist – das erfährt der Zuschauer bald – hier aufgewachsen. Mohns Ermittlungen steht dieser Umstand jedoch eher im Wege, denn die Begegnung mit der eigenen Vergangenheit ist für die Kommissarin sichtbar alles andere als einfach.

Wiedersehen mit der Mutter nach 20 Jahren

Christina Hecke spielt die vorsichtige Annäherung ihrer Figur mit der eigenen Vergangenheit überzeugend. Ohnehin ist es ein wenig schade, dass die Autoren der Psychologie ihrer Ermittler so wenig Raum schenken. Judiths Begegnungen mit ihrer Mutter (Steffi Kühnert) – nach 20 Jahren Funkstille – gehören zu den besten Szenen, die der leise, eher konservativ geschriebene Ermittler-Krimi bislang hervorbrachte. Auch in diesen Szenen geht es wie im Fall selbst um das Gefühl der Enttäuschung, welches über allen Beziehungen dieses Ghetto-Geflechts schwebt: die Enttäuschung der Kinder über ihre Eltern. Die Enttäuschung der Eltern darüber, dass ihre Kinder anders wurden, als man es sich erhofft hatte. Und natürlich: Die Enttäuschung der Zukurzgekommenen über den Lauf der Welt.

Der erste "In Wahrheit"-Film holte 2017 mit über sechs Millionen ZDF-Zuschauern überragende Quoten. Die Folgeproduktion "Jette ist tot" musste mit 4,36 Millionen Zuschauern dagegen stark Federn lassen. Beide Krimis liefen – wie auch der neue – als Vorpremiere bei ARTE. Mit Christina Hecke (40) entschied man sich bei der Besetzung der Hauptrolle für eine ausgewiesene Charakterdarstellerin.

Der ZDF-Saarkrimi, dessen doppelsinniger Titel sich daher ableitet, dass wahre Kriminalfälle die Drehbuchautoren zu ihren Plots inspirieren, ist sicherlich nichts, was das Siegel "innovative Krimikunst" verdienen würde. Hier wird befragt, ermittelt, kombiniert und schließlich ein Täter gefunden. Meist gibt es dabei für alle Beteiligten wenig zu lachen, die Tonalität ist gediegenes Moll. Dennoch liegt bei Fall drei eine gewissen Spannung in der Luft, denn das Geflecht unglücklicher Jugendlicher verfängt und rührt dann doch. Trotz oder vielleicht auch gerade wegen all der dargestellten Härte und Tristesse, mit der sich junge Lebensverlierer in spe hier begegnen.

Ein Gesicht unter den jungen Darstellern, das des 23-jährigen Matti Schmidt-Schaller (in der Rolle des Lukas), sollte man sich schon mal merken. Der jüngste Sohn des Schauspielers Andreas Schmidt-Schaller (SOKO Leipzig) und Halbbruder von Kollegin Petra Schmidt-Schaller, scheint gerade auf dem Karriere-Vormarsch befindlich. In der ersten Folge der famosen ZDF-Krimiserie "Schwartz und Schwartz" mit Devid Striesow und Golo Euler spielte er den unglücklichen Luxus-Sohn des von Ulrich Noethen verkörperten Tatverdächtigen. Nicht nur im Armen-Ghetto kann Aufwachsen ganz schön deprimierend sein.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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