Interview über Stalking

Josefine Preuß: "Dann gehst du durch die Hölle"

von Sarah Kohlberger

Stalking ist ein brisantes Thema. Das musste auch Schauspielerin Josefine Preuß feststellen, die sich in ihrem neuen Film "Dein Leben gehört mir" ausgiebig mit dem Problem auseinandergesetzt hat – und einiges für sich dazugelernt hat.

Josefine Preuß hat es in ihrem aktuellen Film "Dein Leben gehört mir", der am 1. April, 20.15 Uhr auf SAT.1 ausgestrahlt wird, mit einem brisanten Thema zu tun: Stalking. Sie spielt eine junge Frau namens Malu, eine Ärztin, die ihren vermeintlichen Mister Right kennenlernt. Doch Hannes (Vladimir Burlakov) entpuppt sich als gefährlicher Psychopath. Er stellt ihr nach und beginnt damit, Stück für Stück Malus Leben zu zerstören. Im Interview spricht die 33-jährige Schauspielerin auch über eigene schlimme Erfahrungen mit dem Thema und denkt darüber nach, wie Stalkern das Handwerk gelegt werden könnte.

prisma: Stars wie Sandra Bullock, Halle Berry oder Taylor Swift werden oder wurden schon von Stalkern belästigt. Was geht in Ihnen vor, wenn Sie von solchen Fällen hören?

Josefine Preuß: Es bewegt mich natürlich. Aber man muss auch ganz klar unterscheiden: Wenn ein Fan einen Künstler stalkt, dann geschieht dies zumeist, weil sich diese Menschen in ein öffentliches, mediales Bild verliebt haben und sich da mehr und mehr reinsteigern – das ist einfach eine falsche Projektionsfläche. Viel schlimmer und weitaus verbreiteter aber ist das Stalking in privaten Beziehungen, so wie wir es in unserem Film zeigen. Darüber wird leider nicht so oft berichtet, es gibt keine Schlagzeilen – weil es immer noch ein Tabu-Thema ist.

prisma: Warum?

Preuß: Weil Stalking mit so viel Scham verbunden ist. Viele Betroffene trauen sich nicht, darüber zu sprechen, weder im Freundes- und Familienkreis, noch bei der Polizei. Man ist vor dem Gesetz eben immer noch in der Beweispflicht, also muss eigentlich erst etwas passieren, bevor die Polizei bei privaten Stalking-Fällen wirklich aktiv wird. Man kriegt das nur nicht so mit. Wenn Stalker Stars und Prominente belästigen, lesen wir das in den Medien.

prisma: Haben Sie selbst schon Erfahrungen mit Stalking gemacht?

Preuß: Ich hatte als Jugendliche eine Situation. Aber genau durch diesen Film, durch diese Thematik und meine Recherche ist mir sehr bewusst geworden, dass es besser ist, bei so alten Geschichten und generell bei solchen Themen kein Öl ins Feuer zu gießen. Das lernt man: Es ist besser, abzuschließen. Deswegen würde ich meine privaten Erfahrungen lieber nicht mehr thematisieren und aussprechen.

prisma: Sind Sie durch Ihre Erfahrungen misstrauischer geworden?

Preuß: Ich bin sensibilisiert, nicht misstrauisch. Und vorsichtig, wen man wann und wie schnell ins Leben lässt, auch in die eigenen vier Wände. Wir haben im Film diesen Extremfall mit Malu, die sich nach einer gescheiterten Beziehung in einer neuen Partnerschaft aufgefangen fühlt. Aber alles passiert so schnell, vor allem die Verlobung, und sie kommt bald an den Punkt, an dem sie denkt: "Moment mal, das ist eigentlich alles zu gut." Manchmal kommen Menschen darüber zum Nachdenken, nach dem Motto: "Wenn alles so schön rund läuft, dann ist da vielleicht doch ein Haken."

prisma: Was steckt eigentlich hinter dem Verhalten eines Stalkers?

Preuß: Das ist psychologisch gesehen ziemlich komplex. Bei meiner Vorbereitung und Recherche zu dem Thema habe ich mich viel mit Fachliteratur beschäftigt. Man unterscheidet bei Stalkern mehrere Grundtypen. Der Stalking-Typ eins, das sind im Grunde wir alle: wenn wir nach einer Beziehung schon mal nach dem Online-Status des Ex gucken oder mal Infos über ihn suchen. Das ist nur oft nicht so schlimm, das sind normale Emotionen. Und dann gibt es eben auch den Stalker der Stufe vier: einen Psychopathen, wie wir ihn in unserem Film erzählen, ein Mensch, der komplett dein Leben zerstört, sich in private und berufliche Bereiche reindrängt und es letztendlich durch böse psychologische Spielchen schafft, sich selbst als Opfer hinzustellen. Hast du es mit dieser Art Stalker zu tun, dann gehst du durch die Hölle.

prisma: Kann man auch Verständnis aufbringen?

Preuß: Ich weiß nicht ... Vielleicht. Stalker haben Probleme, loszulassen. Meistens steckt ein Verlust dahinter, wenn zum Beispiel der Ex-Partner einen neuen Partner hat und man das nicht ertragen kann. Das sind immer tiefe Gefühle, die Stalker dann leider auf das Opfer projizieren.

prisma: Haben Sie einen Rat für Opfer?

Preuß: Promis und bekannten Künstlern wird in der Regel genug geholfen, die haben ihre Bodyguards. Aber ich kann nur appellieren an alle, bei denen es wirklich gefährlich wird: Alles dokumentieren, alles aufschreiben, Fotos machen, schon früh Freunde und Familienmitglieder darauf aufmerksam machen und zur Polizei gehen! Es ist wichtig, dass man den Vorgang wenigstens irgendwie schriftlich aktenkundig aufnehmen lässt, falls dann etwas passiert, damit die nächsten Schritte in unserer schönen bürokratischen Welt schneller gehen. Also geht es darum, den Mut zu haben, sich nicht zu schämen. Ansonsten muss man auf die innere Stimme hören. Sie warnt uns immer noch ein wenig rechtzeitiger.

prisma: Was haben Sie beim Spielen der Malu über sich selbst gelernt?

Preuß: Es ging mir auf jeden Fall ziemlich nahe. Eine große Hilfe war, dass ich meinen Schauspielkollegen Vladimir Burlakov gut kenne und ihm sehr vertraue. Das war wichtig für bestimmte Szenen. Malu ist ein sehr starker Charakter, eine Frau, die das Problem selbst in die Hand nimmt, als die Polizei ihr nicht helfen kann. Diese Grundhaltung bewundere ich sehr. Ich weiß nicht, ob ich den Mut selber aufbringen könnte. Die Frau hat alles verloren: Sie ist kurz vor dem Verlust ihrer Zulassung als Ärztin. Keiner glaubt ihr. Ich denke, wenn man so am Boden ist, dann gibt es nur noch eine Möglichkeit. Und die ergreift Malu.

prisma: Sie stellt ihm eine Falle ...

Preuß: Ja. Ich finde das sehr spannend.

prisma: Wurden Sie nach dem Dreh selbst wieder etwas vorsichtiger?

Preuß: Sagen wir es so: Mich hat die Thematik an sich sehr durchdrungen – zum Teil weit über das übliche Maß hinaus. Ich habe mich auch schon dabei erwischt, wie ich abends spazieren war und mich bei einem Geräusch zuckend umgedreht habe. Ich hatte während der Dreharbeiten schon eine gewisse Grundangespanntheit, das war eine neue Erfahrung. Keine schöne.

prisma: Hätten Sie in dieser Situation anders reagiert als Malu es tat?

Preuß: Das weiß ich nicht, dazu muss ich in diese Situation kommen. Ich kann diese Was-wäre-wenn-Fragen immer so schwer beantworten. Ich glaube, dass Malus Verhalten so eine klare Haltung ist. Sie fängt an zu trainieren, um sich selbst körperlich und psychisch stärker zu fühlen. Sie macht einen Selbstverteidigungskurs, und genau das habe ich als Josefine in Vorbereitung auf den Film auch gemacht.

prisma: Wie viel haben Sie trainiert?

Preuß: Viel. Schon ein, zwei Monate vor den Dreharbeiten war ich regelmäßig drei-, viermal die Woche beim Training. Das nehme ich mit. Ich habe so etwas schon mal gemacht, davon bekam ich eine ganz andere Körperhaltung und -sprache. Man kann mit wenig viel erreichen, wenn man die Bewegungsabläufe und Reflexe des Körpers versteht.

prisma: Geben Sie mal ein Beispiel!

Preuß: Wenn mir jetzt zum Beispiel jemand den Arm um die Schulter legt, und ich möchte das nicht, dann gibt es eine kleine einfache Bewegung, und er wird es nicht mehr machen. Ich kann so ein Training nur empfehlen, das bringt Selbstbewusstsein, und ich glaube, das hilft auch, wenn es tatsächlich hart auf hart kommt.

prisma: Haben Sie zur Vorbereitung auch mit anderen Menschen gesprochen, die von Stalking betroffen waren?

Preuß: Gesprochen nicht. Aber es gibt Seiten und Foren im Internet, da habe ich ein bisschen recherchiert, quergelesen, durfte die eine oder andere Frage stellen und habe ein paar persönliche Schicksale mitbekommen. Das ist echt erstaunlich: Wir erzählen schon einen Härtefall, aber die Realität ist immer noch grausamer als die Fiktion.

prisma: Müsste mehr für den Opferschutz getan werden?

Preuß: Ja. Aber die Gesetze wurden ja schon geändert – denn irgendwann kam der Punkt, an dem man sagte, es darf nicht immer erst etwas körperlich passieren. Trotzdem finde ich, dass Opfer nicht ausreichend, genügend und vorbeugend geschützt werden. Wenn dich jemand 30-mal am Tag mit unterdrückter Nummer anruft, kann die Polizei noch immer nichts machen. Die sagen dir nur, dass man die Nummer ändern oder blockieren soll. Aber wenn es um Sachbeschädigung, zerstochene Reifen oder Einbruch geht, dann wird das definitiv ernst genommen. Und das muss auch sofort aufgenommen werden, denn da ist oft der nächste Schritt, dass dem Menschen etwas passiert, nicht mehr weit.

prisma: Die Dunkelziffer ist extrem hoch ...

Preuß: Ja, viel höher als wir denken. Ich glaube, viele trauen sich nicht und sagen nichts. Ich glaube, es gibt noch ganz andere Zahlen.

prisma: Woran kann das liegen?

Preuß: Die Scham. Die Betroffenen umtreibt die Frage: "Warum ich?" Viele suchen noch einmal das klärende Gespräch, das ist aber komplett das Falsche. Das Beste ist: Totaler Kontaktabbruch. Das ist teilweise schwer. Bei den privaten Schicksalen, von denen ich erfahren habe, ist das mit einem Umzug und der Aufgabe des alten Lebens verbunden gewesen. Aber das ist auch die krasseste Stufe. Wichtig wäre eigentlich, dass der Stalker erkennt, dass er oder sie sich helfen lassen muss. Das ist etwas ganz Tiefes, dieses Nicht-Loslassen, dieses Gefühl des Wegdrängens und dem anderen noch stärker nachstellen. Psychologisch ist das ein ganz spannendes Feld, in beide Richtungen. Für das Opfer nur nicht schön.

prisma: Finden Sie, Filme wie "Dein Leben gehört mir" können etwas bewirken?

Preuß: Unbedingt. Sie gehen gerade in die Wunde rein. Deswegen finde ich auch die Szenen bei der Polizei so interessant: Die Polizistin hat diese Stalking-Geschichte mit ihrem Ex-Mann erlebt, wo ihr sogar die Kinder weggenommen werden. Dieser Film zeigt: Das geht durch alle sozialen Schichten. Und das kann in jedem nächsten Umfeld sein. Es kann jeden betreffen.

prisma: Ihr Vater ist Polizeidirektor. Hat er Ihnen Tipps mit auf den Weg gegeben?

Preuß: Nein. Meine Rollen und das Berufliche trenne ich komplett. Da ist meine Vorbereitung eine andere.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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