Hauptrolle im ARD-Zweiteiler

Katharina Wackernagel spielt Aenne Burda: "Nähen habe ich nie gelernt"

von Rupert Sommer

Die Bande zwischen der ARD und dem Verlag Hubert Burda Media sind eng: So strahlt das Erste – wie zuletzt am 16. November – nicht nur die alljährliche "Bambi"-Verleihung aus, die auf eine Initiative der Burda-Zeitschrift "Bunte" zurückgeht. Nun wird auch ein wichtiges Stück der Verlagsgeschichte zum ARD-Stoff – und das gleich in mehrfacher Hinsicht: Katharina Wackernagel, bekannt aus den "Stalsund"-Krimis im ZDF, spielt im zweiteiligen ARD-Mittwochabendfilm "Aenne Burda – Die Wirtschaftswunderfrau" (5. und 12. Dezember, jeweils 20.15 Uhr) die starke Modemagazin-Macherin, die sich mit ihrem Plan für das Schnittmuster-Heft "Burda Moden" in der Nachkriegszeit gegen viele Widerstände durchsetzen musste.

Ob Wackernagel die richtige Besetzung für die resolute, modeverliebte Unternehmerin war, kann man am Mittwoch, 12. Dezember, um 21.45 Uhr, in der ARD in der Dokumentation "Aenne Burda – Die Königin der Kleider" mit realen Archivbildern abgleichen.

prisma: Frau Wackernagel, könnten Sie mit einem Schnittmusterbogen überhaupt noch etwas anfangen?

Katharina Wackernagel: Nicht wirklich. Ich habe das nicht gelernt. Meine Mutter hat auch nicht genäht. In unserer Familie kamen die nicht vor. Ich würde aber sagen, dass ich handwerklich nicht so unbegabt bin. Ich kann Regale zusammenbauen und auch mal eine Lampe anbringen. Aber ich fürchte, würde man mir einen Schnittmusterbogen, ein paar Meter Stoff und eine Nähemaschine geben, dann käme im besten Fall ein Tragebeutel dabei heraus.

prisma: Allerdings: Die Burda-Schnittmusterbögen waren ja schon mehr als nur eine komplizierte Frickelei, sondern ein Fenster in eine elegante Welt.

Katharina Wackernagel: Das kann ich absolut nachvollziehen. Mir leuchtet das Konzept voll und ganz ein, wie Aenne Burda darauf gekommen war, den Frauen die Schönheit wiederbringen zu wollen. Die Stoffe waren damals ja wieder vorhanden. Nur die Frauen wussten natürlich nicht, wie sie sich Haute Couture aus Frankreich selber nähen konnten. Der Gedanke, sie dabei anzuleiten, ist doch super! Wir sind heutzutage so an die Kurzlebigkeit der Dinge gewöhnt. Man kauft sich T-Shirts im Zehnerpack.

prisma: Ex und hopp – ohne Wertschätzung für Qualität.

Katharina Wackernagel: Eben. Damals aber konnte man sich ein unbezahlbares Kostüm eines eleganten Designers zum Vorbild nehmen – und es zu Hause nachschneidern. Fast unabhängig davon, wie viel Geld man hat. Es hängt ja vermutlich nur von dem Stoff ab, den man sich wählt. Eine geniale Idee, finde ich!

prisma: Auch wenn man selbst zu Nadel und Faden greifen muss.

Katharina Wackernagel: Die Idee der Schnittmusterbögen war eben aus der Zeit heraus geboren. Eine Alternative gab es damals einfach nicht. Frauen, die damals wenig Geld hatten, waren gezwungen, alte Kleider aufzutragen – zum Teil sogar Wehrmachtsmäntel ihrer Männer. Und ihren Kindern haben sie von Generation zu Generation den gleichen, 27 Mal gestopften Pulli weitergegeben. Natürlich waren die Schnittmusterbögen von Aenne Burda da etwas Bodenständiges. Aber sie spielte auch mit dem Wunsch, einfachen Frauen die Mode der höheren Klasse zugänglich zu machen.

prisma: Um Aufstiegsträume zu ermöglichen?

Katharina Wackernagel: Es ging nicht um die Mode von Supermodels. Sondern um das Angebot: Du als Frau kannst dir etwas schneidern, in dem du dich schön fühlst! Dadurch gab Aenne Burda den Frauen auch Selbstbewusstsein.

prisma: Für echte Frauen-Emanzipation ist es aber wohl noch zu früh in der Zeit, die Sie im Film schildern, oder?

Katharina Wackernagel: Ich habe darüber auch ein Gespräch mit Hubert Burda, der ja der jüngste Sohn von Aenne Burda ist, geführt. Er sagte mir, seine Mutter hätte das Wort "Emanzipation" entschieden von sich gewiesen.

prisma: Tatsächlich?

Katharina Wackernagel: Sie nahm das für sich nicht als Hauptanstoß an, die Emanzipation der Frauen voranzubringen. Ich finde aber: Was sie gemacht hat, ist der Grundstein der Emanzipation. Aenne Burda hat den Frauen die Möglichkeiten geben, sich schön und damit selbstbewusst zu fühlen. Damit konnten sie sich ein stückweit aus dem befreien, was damals einfach noch der Zeit geschuldet war: Die Frau damals war mit den Männern nicht auf Augenhöhe.

prisma: Sie meinen die noch streng patriarchale Nachkriegsgesellschaft.

Katharina Wackernagel: Na klar. Wenn eine Frau ihren Mann im Krieg verloren hatte, musste sie auf eigenen Füßen stehen und anfangen zu arbeiten. Eine Frau wie Aenne Burda allerdings hätte sich ja auch zurücklehnen und sagen können, dass sie mit einem erfolgreichen Mann verheiratet ist. Zudem hatte sie ja auch eine Haushälterin, die sich mit um die Kinder kümmerte. Sie wollte sich aber nicht mit dieser reinen Familienrolle abgeben. Sie wollte etwas aufbauen. Und sie hatte ihre Unabhängigkeit auch auf anderen Feldern gesucht.

prisma: Mit ihrem Führerschein und dem schönen VW-Käfer im Film?

Katharina Wackernagel: Sie wollte eben selbst fahren, wohin sie wollte – und dabei nicht auf ihren Mann angewiesen sein. Ihre Reisen nach Berlin hat sie auch durchgesetzt – obwohl man zu dieser Zeit dafür ja noch die Einwilligung des Ehemanns brauchte. Auch mit ihrem Mann wollte sie auf Augenhöhe sein. Sie war also durch und durch "emanzipiert", auch wenn man das damals noch nicht so sagte.

prisma: Wie kam denn dieser spannende Stoff zu Ihnen?

Katharina Wackernagel: Zunächst mal der ganz übliche Weg: Das Drehbuch wurde mir angeboten, ich habe an einem Casting für die Rolle teilgenommen. Als ich sie bekommen haben, setzte ich mich erst mal mit der Biografie von Aenne Burda auseinander. Dabei merkte ich aber auch schnell, dass ich mich von dem Druck lösen muss, einen Menschen zu spielen, der ja tatsächlich gelebt hat. Und eines Tages sitzt ihr Sohn vor mir und sagt mir ins Gesicht: Du hast meine Mutter gespielt!

prisma: Schon etwas verwirrend.

Katharina Wackernagel: Es ging darum, sich davon ein Stück zu befreien. Ich beschloss, ihren Charakter zu meiner Figur, zu meiner Rolle zu machen. So konnte ich mich der Aufgabe auch wieder annähern, wie ich das mit jedem anderen Drehbuch mache. Trotzdem: Es war für mich – wie es auch für jede andere Schauspielerin gewesen wäre – eine wunderbare Rolle, weil Aenne Burda eine so vielschichtige Frau war. Und mit einem facettenreichen Gefühls- und Charakterleben, dass es zu erzählen gab.

prisma: Eine Rolle, die Ihnen Stoff bot.

Katharina Wackernagel: Es macht natürlich Spaß, jemanden zu spielen, der in der einen Szene herumschreit und den gesamten Laden auf den Kopf stellt. Und in der nächsten Szene fährt sie lauthals lachend mit den Kindern durch Offenburg.

prisma: Schon anders als Ihre Stralsunder Kommissarin. Fällt es Ihnen bei einer Rolle, die Sie selbst mit geschaffen haben, leichter, unbefangen zu spielen?

Katharina Wackernagel: Das stimmt. Aber emotional ist mir Aenne Burda näher als Nina Petersen, die ich als Figur zwar schon lange kenne und schon über die Jahre begleite. Trotzdem findet so ein Krimi mit dem ganzen Polizeialltag in meinem privaten Leben viel weniger statt als ein Ehekrach. Wenn ich die Figur emotional betrachte, konnte ich bei Aenne Burda viel mehr aus eigenen Erfahrungen schöpfen – auch wenn ihre Zeit 70 Jahre zurückliegt.

prisma: Trotzdem: Hat Sie nicht auch der Realitätsabgleich etwas eingeschüchtert? Man kann sich ja schnell Artikel vorstellen, in denen Fotos von der realen Aenne Burda ihren Rollenfotos in der Maske gegenübergestellt werden.

Katharina Wackernagel: Das hätte mich hemmen und ein stückweit verrückt machen können, wenn die Regisseurin Franziska Meletzky darauf bestanden hätte, dass wir uns immer an das realistische Vorbild halten. Dann hätte ich nicht frei spielen können. Einmal ganz abgesehen davon, dass es doch natürlich auch Spaß macht, sich mit der Biografie von jemanden zu beschäftigen. Diese Chance hat man ja nicht so oft als Schauspielerin. Trotzdem hat sich auch die Regisseurin das Drehbuch und die reale Biografie von Aenne Burda so zu Eigen gemacht, dass sie sagen konnte: Ich erzähle die Geschichte – in dem Bogen, in den Momente, die ich herausgreife. Natürlich wird es am Ende immer jemanden geben, der behauptet: Dass was bei uns in zwei Tagen erzählt wird, hat eigentlich zwei Jahre gebraucht, um aufzubauen, was Aenne Burda mit ihrem Verlag geleistet hat. Oder es gab in Wirklichkeit drei Anläufe und nicht nur einen. Aber ich finde, das ist eben die Freiheit des Films. Wir haben ja keine Dokumentation gedreht.

prisma: Hubert Burda zu treffen: War das unheimlich für Sie? Es gilt zwar als liebenswürdiger Mann. Aber er hätte ja am ehesten sagen können, was ihn stört und was nicht ganz stimmt.

Katharina Wackernagel: Vor der Begegnung hatte ich tatsächlich die meiste Angst. Zum Glück war sie unbegründet. Es wäre aber schlimm gewesen, wenn wir uns gegenüber gesessen wären und er hätte gesagt: Das ist alles in eine falsche Richtung gelaufen. Aber das hatte ich dann doch auch nicht so erwartet. Soweit ich weiß, kannte er das Drehbuch. Und es gab auch mit der Regisseurin im Vorfeld schon einen Austausch. Ich finde aber toll, dass er gar nicht beim Dreh dabei sein wollte und nicht die Muster kontrollieren wollte. Hubert Burda wollte dem Ganzen freien Lauf lassen. Er war mir gegenüber sehr aufgeschlossen und positiv gestimmt. Er hat mich nicht spüren lassen, dass er kritisch beäugt, was ich da gemacht habe.

prisma: Sie sind in der Begegnung mit ihm aber nicht in der Rolle seiner Mutter aufgetreten?

Katharina Wackernagel: (lacht) Nein. Das wäre auch ein wenig kurios gewesen.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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