Schauspielerin im Interview

Lavinia Wilson – Mitten in der Rushhour des Lebens

von Maximilian Haase

Von der Femme fatale zur Kommissarin im Allgäu: Lavinia Wilson über ihre neue Rolle, die bayerische Heimat und das Leben als Schauspielerfamilie.

Von ihrem Durchbruch mit dem Drama "Allein" (2004) über die Charlotte-Roche-Verfilmung "Schoßgebete" (2012) bis zu ihrem ersten selbst produzierten Film "Hey Bunny" im vergangenen Jahr: Schauspielerin Lavinia Wilson assoziierte man bisher vor allem mit der kunstvollen Darstellung kaputter, gestörter und fataler Frauen. So scheint es auf den ersten Blick ungewöhnlich, dass die gebürtige Münchnerin und Wahlberlinerin in ihrer neuen Rolle inmitten des idyllischen Allgäus als Kriminalerin im Einsatz ist: Im ZDF-Krimi "Mordkommission Königswinkel" (Montag, 10.7., 20.15 Uhr) spielt die 37-Jährige erstmals eine Kommissarin - eine, die bei passender Quote ihre Arbeit demnächst in einer Reihe fortsetzen könnte. Was die Rolle von ihren bisherigen unterscheidet, was Heimat für sie bedeutet und wie es sich in einer Film- und Schauspielerfamilie lebt, gibt Lavinia Wilson im Gespräch preis.

prisma: Bislang waren Sie ja eher für dramatische, fatale Frauenrollen zuständig. Wie hat es Sie denn als Kommissarin ins Allgäu verschlagen?

Lavinia Wilson: Das ZDF kombiniert ja ohnehin gerne Krimis mit schöner Landschaft. Aber ich verbinde mit dem Allgäu auch persönliche Erinnerungen: Meine Eltern hatten einen Bauernhof, ein Wochenendhaus in der Nähe von Kaufbeuren. Dort verbrachte ich immer viel Zeit und mochte das gern. Seit wir das Haus dann Mitte der 90er-Jahre verkauften, war ich nicht mehr dort. Als dann die Anfrage kam, im Allgäu ein Projekt zu machen, hat mich das sofort gefreut. Ein schönes Fleckchen Erde.

prisma: War das für Sie als gebürtige Bayerin also eine Art Rückkehr in die Heimat?

Wilson: Es war in jedem Fall eine Rückkehr in die Kindheit. Ich fuhr auch in das Dorf von damals, wo ich direkt ein paar Leute von früher erkannte, die mich dann auch in ihr Haus einluden. Das war eine schöne Erfahrung.

prisma: Aber eigentlich sind Sie als gebürtige Münchnerin schon länger echte Berlinerin?

Wilson: Ich will nirgendwo anders mehr wohnen als in Berlin. Doch nach München kehre ich immer wieder gern zurück, meine Eltern leben noch dort. Und in meinem alten Zuhause wohne ich auch, wenn ich dort drehe, so wie kürzlich erst. Ich mache gern Ausflüge nach Bayern - je länger ich weg war, desto lieber komme ich zurück.

prisma: Ist es denn etwas anderes, zumindest in der Nähe der Heimat zu drehen?

Wilson: Meine Familie kam mal zu Besuch, aber im Grunde war es ein ganz normaler Arbeitsplatz. Ich schalte da in den Profimodus - doch ich muss sagen, ich fühle mich sehr wohl, wenn ich Berge um mich habe. Ich könnte nicht auf dem Land wohnen, aber wenn man die Möglichkeit hat, dort zu arbeiten, ist das total schön. Ein bisschen wie Ferien. Letztlich ist es aber wurscht, wo man dreht, Hauptsache, ich finde das Projekt und die Rolle spannend.

prisma: Bei "Mordkommission Königswinkel" schien das der Fall gewesen zu sein. Sie spielen zum ersten Mal eine Kommissarin - wollten Sie einfach mal ermitteln?

Wilson: Ich wollte das ausprobieren. Spannend fand ich die Figur, weil sie nicht gefallen will. Zugleich hat sie diesen großen Hang zum Luxus - das hat mir viel Spaß gemacht. Ich finde es immer dann interessant, wenn es einen doppelten Boden gibt. Wenn man als Schauspielerin etwas ausloten kann. Das klappt mal mehr und mal weniger.

prisma: Was war anders als bei ihren sonstigen Rollen?

Wilson: Leichter war es nicht. Anders vielleicht dahingehend, dass man die Moral mal auf seiner Seite hat. Sonst bin ich doch eher für die Abgründe zuständig. Hier sind es eher die Abgründe der anderen.

prisma: Machen Sie sich Gedanken darüber, welches Image sie als Darstellerin besitzen?

Wilson: Davon muss man sich frei machen. Das ist überall so - und in der Filmbranche besonders. Dass viele denken, sie müssten sich ein Urteil bilden. Wir stehen mit den Figuren ja auch in der Öffentlichkeit, es gehört dazu, sich der Kritik preiszugeben. Aber wenn einen die Figur interessiert, sollte es egal sein, was die Leute darüber schreiben oder sagen. In strategischen Entscheidungen bin ich jetzt nicht der Profi. Dafür hab ich aber eine ganz gute Agentur (lacht)!

prisma: Wie sehr prägt denn der Beruf Ihren Familienalltag mit zwei kleinen Kindern? Ihr Freund Barnaby Metschurat ist ja ebenfalls Schauspieler.

Wilson: Wenn wir nicht mit den Kindern spielen, dann drehen wir entweder oder sitzen im Kino oder machen selbst einen Film. Ich finde, das ist doch das schönste Leben überhaupt! Wir kommen ja trotzdem noch zum Reisen. Und es ist ja auch nicht so, dass uns jemand gezwungen hat - wir haben uns das schon ausgesucht (lacht).

prisma: Glauben Sie, dass deshalb die Zukunft Ihrer beiden Jungs aus einer Schauspielerfamilie eigentlich schon vorbestimmt ist?

Wilson: Ich hoffe nicht! Es ist mir wirklich egal, was die machen. - Hauptsache, sie werden glücklich dabei. Da hab ich keinerlei Erwartungshaltung. Subtil ist die bestimmt irgendwo versteckt, aber ich gebe mir Mühe. Sie sollen ihr eigenes Leben führen.

prisma: Derzeit brauchen fordern die beiden aber sicher noch jede Menge Aufmerksamkeit ...

Wilson: Ich habe mein Magisterstudium in Philosophie abgeschlossen, weil ich wusste, man kann Filme machen und Kinder haben - aber etwas Drittes geht dann nicht. Die Jahre zwischen 30 und 40 nennt man ja gerne die Rushhour des Lebens - und die schlägt gerade schon voll zu bei uns.

prisma: Viel Zeit für anderes finden Sie also nicht?

Wilson: Man kann es auch anders sehen: Für meine nächste Rolle etwa stehe ich auf dem Tennisplatz. Und bald lerne ich, wie man sich als Zahnärztin verhält, mein Zahnarzt freut sich schon auf die Einweisung. Das Schöne an unserem Beruf ist ja, dass man immer Neues lernt. Von dieser Plattform aus eröffnet sich ja eine ganze Welt.

prisma: Die Welt der Kommissare etwa: Haben Sie sich vorher mit anderen Krimirollen auseinandergesetzt, auch privat?

Wilson: Ich schaue eigentlich überhaupt keine Krimis. Was ich aber machte, war Schießtraining - so dass das natürlich rüberkommt. Die Vorstellung, so ein Machtinstrument in der Tasche zu haben, macht etwas mit einer Figur. Außerdem las ich ein paar Bücher von echten Kommissaren. Die beschreiben, wie das Grauen zum Alltag wird - das ist ja oft tausendmal schlimmer als im Krimi.

prisma: Humorvollere Krimi-Elemente enthält auch der erste von Ihnen und Ihrem Freund produzierte Film "Hey Bunny". Machten die Reaktionen darauf Lust auf mehr eigene Filme?

Wilson: Da gehen wir ganz vorsichtig ran, die Schauspielerei steht im Vordergrund. Aber wir bekamen dafür schönes Feedback. Finanziell lohnte es sich nicht, was bei dem schrägen Film auch nicht unsere Prämisse war. Vielmehr ist es unsere Visitenkarte für die Filmbranche, zudem konnte ich unglaublich viel lernen dabei. Vom Dreh bis zur Postproduktion.

prisma: Sie können sich also vorstellen, das weiter zu verfolgen?

Wilson: Unbedingt. In der Form allerdings - selbstfinanziert und unter Selbstausbeutung - kann man das genau ein Mal machen. Meine Freunde würden mir an die Gurgel gehen, wenn ich sie nochmal frage, ob sie Brötchen schmieren könnten (lacht)! Aber Barnaby schreibt schon am nächsten Film. Als Co-Regie-Team hat das ganz gut funktioniert. Das ergab sich recht intuitiv, da wurde nicht viel diskutiert. Der Vorteil ist, dass wir uns schon so wahnsinnig lange kennen.

prisma: Wie wirkt sich die Zusammenarbeit denn auf Ihr persönliches gemeinsames Leben aus?

Wilson: Es gibt doch nichts Schöneres, als mit dem Menschen zu arbeiten, den ich am gernsten habe. Wir sehen uns mehr, als wenn wir viele Flugkilometer voneinander entfernt drehen. Das war schon auch ganz pragmatisch gedacht. Bei Richard Burton und Elizabeth Taylor hat es nicht so gut funktioniert - aber das Ergebnis war auch toll (lacht)! Wir wurden viel gefragt, ob wir uns nicht Sorgen machen, dass es negative Auswirkungen auf die Beziehung hat. Aber wenn man die Idee zu einem Projekt hat und sich dann entscheidet, es nicht zu tun, weil es Probleme geben könnte - dann hat man ja schon vorher verloren.


Quelle: teleschau - der mediendienst

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