Neuer Ermittler bei "Nord Nord Mord"

Peter Heinrich Brix: "Die Schuhe, in die ich schlüpfe, sind groß"

von Eric Leimann

Peter Heinrich Brix ist ein norddeutsches Original. Nicht nur, weil er lange Zeit hauptberuflich Landwirt war, eher er sich für eine Karriere als Schauspieler entschied. Der knorrige 63-Jährige ("Jürgen – Heute wird gelebt") ist ein brillanter Menschenbeobachter, wie man an seinen durchaus feinen Charakterzeichnungen nordischer Zeitgenossen immer wieder bestaunen kann.

Nun übernimmt der gebürtige Flensburger einen Job an auf der anderen Seite der Küste. Als neuer Kommissar Carl Sievers in der äußerst erfolgreichen ZDF-Reihe "Nord Nord Mord" folgt er Robert Atzorn nach, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Atzorns letzte Folge im Januar 2018 sahen fast neun Millionen Zuschauer. Nun tritt Brix in "Nord Nord Mord: Sievers und die Frau im Zug" (Montag, 15.10., 20.15 Uhr, ZDF) in die großen Fußstapfen.

prisma: Sie sind der Nachfolger Robert Atzorns, der sich in den Ruhestand verabschiedete. Ein schweres Erbe?

Peter Heinrich Brix: Ja, durchaus (lacht). Die Schuhe, in die ich schlüpfe, sind groß. Ich freue mich aber auf die Aufgabe. Wir drehen ja gerade schon den zweiten und dritten Film mit meinem neuen Sylt-Kommissar Carls Sievers.

prisma: Sie sind zwar Norddeutscher, kommen als Flensburger aber von der anderen Seite der Küste. Wie gut kannten Sie Sylt vor dem Dreh?

Brix: So mittelgut. Ich habe vor 40, 45 Jahren öfter dort Fußball gespielt. Ich war in der Bezirksliga aktiv, die Sylt-Vereine spielten in unserer Staffel.

prisma: Wo haben Sie denn gekickt?

Brix: Bei einem Dorfverein namens TSG Scheersberg. Wir mussten auswärts unter anderem beim TSV Westerland antreten und auch in Tinnum. Damals gab es noch mehr Vereine auf der Insel.

prisma: Wie haben Sie Sylt damals erlebt?

Brix: Für mich als Jungen vom Bauernhof war es schon die große Welt. Damals vermutete man hinter jeder Fassade auch ein Gebäude. Erst mit der Zeit kam ich dahinter, dass auf Sylt vieles nur aus Fassade besteht.

prisma: Sie reden jetzt aber nicht von Gebäuden, oder?

Brix: Nein, nicht nur. Ich meinte es eher so, dass hinter manchem Maserati auch nur eine Zweizimmerwohnung steht.

prisma: Wie erleben Sie Sylt heute?

Brix: Ich bin einige Jahre älter und ich erkenne das, was in der übrigen Gesellschaft vor sich geht, natürlich auch hier. Alles ist schneller, und es gibt viel Geld zu verdienen. Das sieht man auch deutlich, wenn man die Bautätigkeit auf der Insel beobachtet.

prisma: Muss Sylt nicht aufpassen, dass es sein wichtigstes Pfund, die Natur, erhält?

Brix: Natürlich, man achtet schon darauf. Die Leute hier wissen, dass sie von weiten, endlosen Stränden, Brandung und einem unverstellten Blick leben. Aber es ist – wie an anderen Orten, wo die Natur schön ist – auch ein Spagat.

prisma: Kann "Nord Nord Mord" die Besonderheit der Insel als Steilvorlage nutzen?

Brix: Die Reihe arbeitet schon mit der Gegensätzlichkeit. Es ist problemlos möglich, sich auf Sylt eine Dorade für 45 Euro zu bestellen. Man kann sich aber auch anders ernähren. Es gibt Ecken, da wollen die Leute gesehen werden, und andere, da geht man hin, um selbst etwas zu sehen. Es ist ein spannender, ambivalenter Ort.

prisma: Wenn wir über Ihre Rolle reden, dann kommen Sie als Außenseiter aus Kiel nach Sylt. Weder gehen Sie freiwillig auf die Insel, noch sind Sie dort willkommen. Schließlich wollten Ihre Mitarbeiter den Chefposten selbst gerne haben ...

Brix: Klar, mit diesem Szenario arbeiten wir. Ich spiele einen knorrigen Typen, der zudem stark mit sich selbst beschäftigt ist. Doch über die Polizeiarbeit findet man sich – ein wenig. Aber keine Angst, der Typ wird schon noch ein wenig fluffiger. Wir arbeiten da gerade dran.

prisma: "Nord Nord Mord" ist eines der erfolgreichsten Krimi-Formate im deutschen Fernsehen. Wie lautet das Erfolgsrezept?

Brix: Das waren sicher erst mal die Leute, die vor der Kamera agiert haben. Dann ist es die Mischung aus ernsthafter Ermittlungsarbeit und Humor. Zum Dritten spielt die Insel eine Rolle. Sylt ist schon ein Sehnsuchtsort für viele. Es sorgt für schöne Bilder und viel Wetter. Und am Ende gibt es wie bei jedem besonders erfolgreichen Format Gründe, die wir beide nicht kennen und auch sonst keiner erklären kann.

prisma: Zum Teil schreiben und inszenieren die gleichen Kreativen, die auch für den Münsteraner "Tatort" verantwortlich sind.

Brix: Ja, wobei die dort schon noch ein wenig stärker auf Klamauk aus sind. Bei uns wird der Humor eher zart drübergepudert. Aber auch da müssen wir sehen, in welche Richtung wir etwas verändern werden.

prisma: Nun sind die Dreharbeiten gerade schwierig wegen des Wetters. Ist das ein Risikofaktor für eine Filmproduktion, die auf Sylt stattfindet?

Brix: Nun, wir drehen zwei Folgen mitten im Herbst an der Nordseeküste. Wer da stabiles Wetter erwartet, ist ein großer Optimist. Wir müssen mit dem Wind arbeiten. Wenn er natürlich zum Orkan wird, können wir wenig machen. Andererseits haben wir Bilder bei starkem Sturm gedreht, die eine besondere Atmosphäre ausstrahlen. Man darf das Wetter nicht weg inszenieren, man muss es mitspielen.

prisma: Was ist das größere Problem beim Drehen – Wind oder wechselnden Lichtverhältnisse?

Brix: Ganz klar, der Wind. Und natürlich der Regen. Wenn die Windstärke gegen acht tendiert, dazu ständig Regenschauer hereinwehen, hat man bei den engen Drehplänen heutzutage schnell ein Zeitproblem.

prisma: Kann man bei Regen überhaupt drehen?

Brix: Mittlerweile schon. Früher hat man drei Tage gesessen und auf besseres Wetter gewartet. Heute hat die Kamera einen Regenabweiser. Trotzdem gibt bei uns schon auch Szenen, bei denen man sieht, dass es regnet.

prisma: Der ständige Wetterwechsel ist kein Problem?

Brix: Nein, dass es in einer Szene regnet und im nächsten Moment die Sonne scheint – das gibt es ja wirklich an der Küste. Insofern kann man es in die Szenen einbauen. Am schlimmsten ist das Drehen mit Schnee. Da gibt es Filme, wo die Protagonisten durch eine Schneelandschaft fahren, das Auto um die Ecke biegt, und dann ist da nichts Weißes mehr. Nun, dieses Problem wird uns auf Sylt aber eher selten begegnen, denke ich.

prisma: Was tun Sie auf der Insel, wenn Sie drehfrei haben?

Brix: Das gleiche wie meine Figur. Ich fahre viel Rad. Meine Tage hier sind lang. Es ist ein langer Törn, wir drehen zwei 90-Minuten-Filme hintereinander. Am Wochenende ist deshalb Regeneration angesagt. Neben dem Radfahren gehe ich dann abends öfter an den Strand. Das Handy ist dann natürlich ausgeschaltet. Und von Social Media halte ich mich ohnehin fern. Ich muss nicht posten, wie ich ein Fischbrötchen esse. Die Welt dreht sich auch ohne das Wissen darum weiter.

prisma: Es gibt Schauspieler, die suchen nach Drehschluss die Geselligkeit, um vom hohen Erregungs-Level herunterzukommen. Andere müssen alleine sein. Sie gehören eher zur letzteren Fraktion?

Brix: Mittlerweile vielleicht schon – auch wenn ich das nicht bewusst mache. Alle Leute haben heute irgendwie mehr Stress. Das ganze Leben ist schneller. Ich erinnere mich, als ich früher mit Ottfried Fischer "Pfarrer Braun" drehte, haben wir oft abends zusammengesessen. Otti war einer, dem es wichtig war, das Team nach Drehschluss zu bündeln. Nun hatte ich dort nicht so viel zu tragen wie hier. Mir ist es schon wichtig, gute Arbeit abzuliefern, und darauf muss ich mich konzentrieren. Außerdem war ich damals ein bisschen jünger. Ich brauche heute auch mal acht Stunden Schlaf. Man kann sich ausrechnen, wann ich ins Bett gehen muss, um die zu bekommen.

prisma: Ihr Vorgänger Robert Atzorn hat sich, was Schauspieler selten tun, freiwillig in die Rente zurückgezogen. Er will nie mehr spielen. Können Sie sich vorstellen, irgendwann auf die gleiche Weise zu verschwinden?

Brix: Ich kenne Robert Atzorn nicht. Wir haben uns tatsächlich nie getroffen, auch das gibt es in der Branche noch. Insofern sind seine Beweggründe nicht bekannt. Ich hoffe, dass ich die Kurve kriege und irgendwann selbst merke, wenn ich aufhören sollte. Dann nämlich, wenn ich nicht mehr funktioniere. Eines weiß ich sicher: Es wird niemanden geben, der es mir sagt, dass es besser wäre aufzuhören. Diese Erfahrung mache ich – als Beobachter – immer wieder. Ansonsten sehe ich keinen Grund, über ein Ende nachzudenken. Ich weiß natürlich nicht, wie es mir in zehn Jahren geht. Momentan ist die Rente noch keine Option für mich. Der Mensch spielt aus Freude – und die habe ich, wenn ich meinem Beruf nachgehe.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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