Rod Stewart

"Die #MeToo-Debatte war lange überfällig"

von Katja Schwemmers

Mit 73 Jahren veröffentlicht Rod Stewart sein 30. Studioalbum "Blood Red Roses", auf dem auch aktuelle gesellschaftliche Themen zum Tragen kommen. Beim Treffen in Berlin erklärt er unter anderem: "Die #MeToo-Debatte war lange überfällig."

"Ich habe meine Tochter Renee mitgebracht, damit hier alles nach Fair Play abläuft", witzelt Rod Stewart, als er die Suite des Grand Hyatt Hotels in Berlin betritt. Statt Interviews zu geben, würde er wahrscheinlich viel lieber draußen weiter bummeln gehen. Aber es nützt ja nichts: Mit "Blood Red Roses" gibt es ein neues Album, und die Welt soll davon erfahren. Andererseits: Über Stilfragen und die Liebe kann man eigentlich auch immer reden.

Rod Stewart ist spät dran. Um fast eineinhalb Stunden verspätet er sich, um genau zu sein. Er zog es am Morgen vor, mit seiner Tochter Renee (26) in der Berliner Innenstadt shoppen zu gehen. Auf sein Eierfrühstück verzichtete er trotzdem nicht. "So viel Zeit muss sein", meint der Rock- und Pop-Veteran, der sich seit Ende 2016 auch Sir nennen darf. "Ich habe einen schönen Mantel für 135 Euro gekauft für meinen langjährigen Tourmanager. Dazu noch Kleinkram wie Hoodys und Shirts. Ich liebe es, shoppen zu gehen."

Dabei sollte man annehmen, dass es für jemanden wie Rod Stewart geeigneter wäre, inkognito im Internet einzukaufen, oder? "Ach, nein. Ich bin altmodisch. Ich habe Spaß an der Erfahrung. Ich mag es, einen Laden zu betreten und mir meine Sachen selbst zu besorgen", erklärt der in den USA lebende Brite. Früher befolgte er eine eiserne "Drei Outfits pro Tag"-Regel. "Die gibt es immer noch. Manchmal sind es sogar mehr", grinst er.

An diesem späten Morgen sei er allerdings nach wie vor beim ersten Outfit – ein weißes Sakko mit schwarzen Streifen zur weißen Jeans. "Ich habe Kleidung und Mode schon immer als Erweiterung meiner Persönlichkeit gesehen. Und wie heißt es so schön? Moden kommen und gehen. Stil bleibt für immer." Die Aussage lässt sich auch auf Stewarts neues Album anwenden: "Blood Red Roses" ist Stewarts 30. Studio-Werk und klingt immer unverwechselbar nach ihm, trotz der beachtlichen klanglichen Bandbreite. Mal ist es Folk, mal fingerschnippender Motown-Sound, Rock'n'Roll oder auch eine Herzschmerz-Ballade. "Farewell" klingt gar wie ein hochemotionales Liebeslied an einen Mann. "So habe ich das noch gar nicht gesehen, aber es stimmt", nickt Stewart.

Das Stück hat er für seinen Freund Ewan Dawson geschrieben, mit dem er in den 60-ern, noch bevor er berühmt war, gerne abhing. "Er starb vor vier Jahren. Er war ein Held für mich. Ich erweise ihm mit dem Song die letzte Ehre", erklärt Stewart und räumt ein: "Es ist ein komisches Gefühl, dass es nun ein Lied von mir gibt, dass wohl häufig auf Beerdigungen gespielt werden wird."

In der Single "Didn't I" erhebt der achtfache Vater indes den Zeigefinger. "Es mag nicht sehr viel Rock'n'Roll darin sein, vielmehr mahnt das Stück zur Vorsicht im Umgang mit Drogen – aus der Perspektive der Eltern. Man kann seinen Kindern nur davon abraten. Was sie daraus machen, ist ihre Sache." Dabei hatte Stewart in seinem Leben selbst etliche feucht-fröhliche Nächte. "Einmal war ich so betrunken, dass ich in einer Telefonzelle eingeschlafen bin. Es war Winter. Zum Glück bin ich vor lauter Kälte selbst aufgewacht", erinnert er sich.

Dass viele der neuen Songs sich anhören, als würden sie von vergangenen Beziehungen handeln, hat nichts mit der eigenen Biografie zu tun, beteuert der Mann, der seit 2007 in dritter Ehe mit Penny Lancaster verheiratet ist. "Die Leute denken immer, man muss verliebt sein, um ein Liebeslied zu schreiben, und entliebt, um einen Herzschmerz-Song hinzukriegen. Das ist Quatsch", erklärt Stewart. "Wenn ich an 'You're In My Heart' von 1977 zurückdenke, ist mir ein wundervoller Liebessong gelungen, obwohl ich damals niemanden an meiner Seite hatte."

Das ist mittlerweile anders. Penny Lancaster ist die Frau seines Lebens – da ist er sich sicher. "Erst einmal musste ich diejenige finden, die ich lieben will und ihr Liebe geben. Das hat seine Zeit gedauert, aber ich war nie in einer schöneren Situation als jetzt. Ich bin einfach sehr verliebt in Penny. Wir sind erst seit gestern räumlich getrennt, und ich vermisse sie und die Kids jetzt schon ganz schrecklich."

Obwohl Stewart immer noch als idealistischer Romantiker unterwegs ist, ist auch die #MeToo-Debatte nicht spurlos an seinem neuem Album vorrübergegangen. Sein Tipp an die Männer: "Look In Her Eyes". "Ich sage mit dem Titel: 'Tritt einen Schritt zurück und nimm dir Zeit. Nur weil eine Frau dir ein Augenzwinkern schenkt, heißt es nicht, dass Sex zwingend passieren muss. Es bedarf immer eines tiefen Blicks in die Augen einer Frau", erklärt der Experte und schießt hinterher: "Die #MeToo-Debatte war lange überfällig."

Auch wenn Stewart lange Zeit ein Ruf als Weiberheld anhaftete, ein Macho war er nie. "Ich bin stolz auf meine feminine Seite", so Rod The Mod. "Das macht aus mir einen besseren Partner und lässt mich Frauen verstehen. Es mag lange gedauert haben, bis ich begriffen habe, wie sie ticken, aber ich habe da viel gelernt. Auf der anderen Seite bin ich aber genauso stolz auf die Tatsache, dass ich Fußball spiele und danach mit den Spielern einen trinken gehe. Ich habe wirklich das Beste aus beiden Welten."

Noch so ein Hobby von ihm: seine Modelleisenbahn. Nach 23 Jahren hat er die Arbeit an der Anlage, die auf einer Streckenlinie der amerikanischen Ostküste von 1945 basiert, endlich abgeschlossen. "Ich habe einen Film darüber gemacht. All meine Kinder werden darin vorkommen." Tochter Renee mischt sich in das Gespräch ein und erzählt, wie sie im Kindesalter die Jalousien und Vorhänge an die Fenster der Gebäude anbrachte. "Ich habe ihr 20 Dollar die Stunde dafür gegeben", lacht Stewart. "Aber das ist lange her. Jetzt geht es nur noch um Instandhaltung."

Noch mal ein neues Modelleisenbahn-Projekt anfangen will er nicht. "Oh nein", winkt Stewart ab. "Das wäre so, als hätte ich den größten Film der Welt gedreht und würde nun versuchen, das zu wiederholen." Im Alter von 73 und nachdem er im Laufe seiner Karriere Grammys eingesackte, zum Ritter geschlagen und zweifach in die "Rock And Roll Hall of Fame" aufgenommen wurde, wünscht sich Stewart nur noch eins: "Gesundheit für meine Kids, für meine Frau und für mich. Das ist das Wichtigste. Ich habe ein wundervolles Leben."


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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