Tragikomödie in der ARD

"Now or never": Verliebt in den Sterbehelfer

von Wilfried Geldner

In einem Sterbehilfe-Hospiz an der Schweizer Grenze will die todkranke Rebecca Schluss machen. Doch dann verliebt sie sich ausgerechnet in ihren Sterbehelfer.

ARD
Now or never
Tragikomödie • 24.06.2020 • 20:15 Uhr

Die Situation ist so ernst wie skurril. Rebecca, eine junge Frau, hat sich in eine Sterbeklinik an der Grenze zur Schweiz begeben, um zu sterben. Sie ist an einem unheilbaren Gehirntumor erkrankt. Im Film liegt das Hospiz genau auf der Grenze: Die Vorbesprechungen werden auf deutschem Boden geleistet, das Sterben geschieht in einem Raum auf Schweizer Gelände – dort ist die aktive Beihilfe zum Sterben erlaubt. Doch bevor es für Rebecca wirklich so weit ist, verliebt sie sich in ihren Sterbehelfer, einen offenbar vom Leben gezeichneten zynisch gewordenen Menschen, einen Versager oder gar "Arschloch", wie ihn eingangs eine Off-Stimme nennt. "Now or never" (Regie: Gerd Schneider, Drehbuch: Belo Schwarz, beide Absolventen der Filmakademie Ludwigsburg) macht aus dem Phänomen Sterbehilfe eine Tragikomödie, die keine Lösungen in Form von Moral-Urteilen bieten will und stattdessen aus dem Zusammenprall zweier Menschen in Erwartung des Todes auf mitreißende Weise Funken schlägt.

Klar, es sind ein paar Gags, ein paar Bonmots zu viel, welche sich die weitgehend unbekannten Hauptdarsteller Tinka Fürst als Rebecca und Michael Pink als Sterbehelfer Henry gegenseitig an die Köpfe werfen. Wieder einmal wird den exquisiten Bildern (Kamera: Dominik Berg) zu wenig vertraut. Aber es gibt sie – ganz abgesehen vom genialen Tohuwabohu-Beginn in der Sterbeklinik mitsamt einer g'schaftlhuberischen Madame als Chefin dann ja doch: Beängstigender, trostloser, aber auch so Rocky-Mountains-like hat man die Schweizer Berge nie geseehen.

Rebecca, die in ihrer allerletzten Nacht noch einmal so richtig die Sau rauslassen will ("Die Ferkel füttern", wie sie sagt) verführt nämlich Henry nicht nur zu einem alkoholseligen Discogang, sondern am anderen Morgen auch noch zu einer Flucht in die Schweizer Berge. Angeblich hat sie im Radio von einem Wunderheiler gehört, der vielleicht ihr Leben retten kann. "Es ist dein Tod", sagt der nachgiebige Henry, der gekaufte Todesengel, aber auch ein Zorro mit Pokergesicht, der einem Western entstiegen sein könnte. Gemeinsam ergreifen Rebecca und ihr Henry eine mit mancherlei Abenteuern bestückte "letzte Chance". Auch in der Schweiz können Straßen nun einmal gefährlich sein.

Eine nicht unbedeutende Rolle spielt dabei ein Wiedergänger des Elvis Presley, der ein gigantisches Schweizer Freiluftfestival besuchen will. "Elvis lebt" wird zum etwas zu gern genommenen Slogan des Films. Nicht zufällig erscheint auf der Bildfläche aber auch Rebeccas Ehemann, den sie vor wenigen Tagen zum Sterben heimlich verlassen hat – ein Eisenfresser, der an den Schweizer Suizidhelfern und deren Geschäften kein gutes Härchen lässt. Gemeinsam mit Benno, einem Kollegen Henrys (Johannes Allmayer), setzt er sich auf die Spur des suizidalen Pärchens. Mit der Elvis-Kopie im Fond nimmt dann ein Roadmovie seinen Lauf, das man in abgewandelter Form bereits von anderen Sterbefilmen kennt – von "Knockin' on Heaven's Door" bis "Und morgen mittag bin ich tot", mit Liv Lisa Fries. Übrigens geht der Sterbetourismus, das nur nebenbei, nach Verbesserungen in der Palliativbetreuung hierzulande inzwischen zurück.

Für jedes Filmende ist die Devise "Now or never" ein Glück. Das Ende ist bei drohender Verzettelung hier nun einmal unausweichlich. Es wird dann doch recht pathetisch – und eben ganz anders als in der Sterbeklinik vorgesehen – an einem einsamen Bergsee zelebriert. Ein Tod wie eine Jordantaufe, eine Wiedergeburt – und die Widerlegung des zuvor an Rebecca gerichteten Henry-Satzes: "Der Tod ist einfach das Ende von allem, was war. Er ist einfach nur nix." Die Liebe, und sei sie noch so kurz, überdauert eben alles.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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