Allrounder im Interview

Serdar Somuncu: "Mit dem Comedian-Dasein hatte ich immer Schwierigkeiten"

von Rupert Sommer

Der streitbare Kabarettist, Musiker, Schauspieler und Hitler-Rezitator Serdar Somuncu lässt gern Dampf ab – ob in der "heute-show" im ZDF, im Tele-5-Format "Serdars Kaffeepause" oder auf der Bühne.

Keine Angst vor der ganz großen Bühne: Mit seinem aktuellen Solo-Programm "GröHaZ – Der größte Hassias aller Zeiten" tourt Serdar Somuncu, der 51-jährige Kabarettist, Musiker, Schauspieler, Fernsehstar und Hitler-Rezitator, derzeit kreuz und quer durch Deutschland. Dabei kann der Alleinunterhalter, der einst Musik studierte, in seinen TV-Shows regelmäßig die Mächtigen auf Kreuz legt und 2017 auch schon als Kanzlerkandidat bei der Bundestagswahl antrat, viel Dampf ablassen. Denn der Druck im Kessel steigt. Und Somuncu kann gerne auch mal ziemlich laut werden. Wer keine Tickets mehr ergattern kann: In der ZDF-Satireshow "heute-show" darf er natürlich nicht fehlen. Und im Internet zieht er unter anderem regelmäßig in dem TELE-5-Format "Serdars Kaffeepause" vom Leder.

prisma: Herr Somuncu, Sie sind derzeit viel auf deutschen Bühnen unterwegs. Und das mit einem heftigen Programm, zu dem auch Brüllen und Aus-der-Haut-Fahren gehört. Können Sie die Emotionen aus der Rolle privat halbwegs kanalisieren?

Serdar Somuncu: Das schaffe ich. Außerdem gibt es an dem Programm auch viele andere Aspekte. Wer es schon kennt, weiß ja, dass ich immer auf eine Mischung aus Aufklärung, Comedy und Kabarett setze. Der Mix ist bei mir halt gerne mal etwas drastischer, als das sonst andere Kollegen handhaben.

prisma: Das geht bis hin zur "GröHaZ"-Uniform, mit der man Sie überall auf den Tourplakaten sieht. Erschrickt man im Angesicht dieses Bildes nicht selbst ein wenig?

Serdar Somuncu: Ich bin ja Schauspieler und habe oft Kostüme getragen. Eine Uniform hilft mir auf jeden Fall, um in die Rolle zu kommen. Aber sie macht mich nicht besser oder schlechter.

prisma: Das hört man oft: Ein Kostüm kann wie eine Stütze wirken.

Serdar Somuncu: Bruno Ganz hat das ja beim "Untergang" gesagt. Sobald er in der Hitler-Uniform steckte, spürte er eine Art Verwandlung. Ich will das aber gar nicht positiv beschreiben. Es kann auch sehr negativ sein. Die Uniform hilft mir auf jeden Fall. Aber sie macht mich nicht besser in der Rolle. Als Mensch schon gar nicht.

prisma: Sie haben tatsächlich viele Rollen, waren lange auch mit Lesungen unterwegs, machen auch viel Musik und haben bereits das dritte Album herausgebracht. Was würden Sie denn in die Zeile schreiben, in der "Berufsbezeichnung" steht?

Serdar Somuncu: "Künstler". Ganz einfach. Ich habe zum Glück so viele Talente, dass ich mir aussuchen kann, wann ich was mache. In der Regel mache ich Theater, bin also eher Schauspieler. Aber ich habe Musik studiert, das war meine Basis. Und jetzt kehre ich zu ihr zurück.

prisma: Warum jetzt erst?

Serdar Somuncu: Musik ist eine sehr brotlose Kunst. Man hat kaum eine Chance, damit Geld zu verdienen. Man muss mucken, in Bands spielen. Daher habe ich mir gesagt: Wenn ich irgendwann mal, erfolgreich bin, dann nehme ich mir die Zeit, Musik zu machen. Weil ich damit kein Geld verdienen muss.

prisma: Wie leicht fiel es Ihnen, über die Jahre hinweg in die Kabarett-Rollen zu schlüpfen?

Serdar Somuncu: Gute Frage, ich habe mir damit durchaus schwergetan. Mit dem Comedian-Dasein hatte ich immer Schwierigkeiten, weil zunächst mein Metier ja nie Fernsehen war. Als ich Erfolg hatte und dann auch erste Preise gewann wie unter anderem 2004 den Prix Pantheon, geriet ich ins Blickfeld der Fernsehsender. Und die denken natürlich anders. Sie brauchen zunächst einmal etwas sehr Oberflächliches. Entweder man spielt den Türken. Oder man spielt den Aggressiven. Eben dem, was das Klischee, was das Fernsehen transportieren möchte, entspricht. Damit tat ich mir natürlich schwer. Und deswegen habe ich immer gegen den Strich gebürstet.

prisma: So kann man das, vorsichtig ausgedrückt, wohl sagen.

Serdar Somuncu: Ich musste mich durchsetzen mit meiner Art. Manchmal blieb das auch erfolglos, weil die Sender mir sagten: Das geht nicht. Dann haben sie mich einfach zensiert und Teile meiner geplanten Programme komplett gestrichen. Aber letztlich bin ich froh, dass ich die Ausdauer hatte, das nicht allzu ernst zu nehmen. Hätte ich darauf geschielt, oder wäre ich noch darauf angewiesen gewesen, von diesen Leuten anerkannt zu werden, dann wäre vieles ganz anders gekommen. Deswegen habe ich schon sehr früh gesagt: Ne, ich lass das mal lieber. De facto finde ich auf allen großen Veranstaltungen und Preisverleihungen nicht statt – und das, obwohl ich meinen Job seit 35 Jahren mache. Und gleichzeitig werden auf solchen TV-Events Leute, die noch nie zuvor prämiert wurden, plötzlich für ihr Lebenswerk ausgezeichnet. Dieser Kelch ist – Gott sei Dank – bislang an mir vorbeigegangen. Ich möchte auch nicht von Leuten, denen ich mich nicht zugehörig fühle, etwas bekommen.

prisma: Ihre "So!muncu Show" auf n-tv hat auch mit den Gegebenheiten einer klassischen Talkshow gespielt.

Serdar Somuncu: Es war der Reiz, aber auch der Auftrag, zu zeigen, dass es auch anders geht. Das war ungewöhnlich. Und es war auch ein Experiment. Aber im Nachhinein betrachtet ein sehr erfolgreiches Experiment, das gute Quoten holte und Nominierungen für den Fernseh- und den Grimme-Preis bekam. Der Sender hat aber entschieden, dass er damit nicht weitermachen möchte. Am Ende steht man dann da wie jeder andere auch, der in einem kommerziellen Betrieb arbeitet. Man muss sich damit abfinden – und nach vorne schauen.

prisma: Wenn Sie sich einmal ein bisschen in Fernseh-Verantwortliche reindenken: Sind Sie für solche Menschen einfach eine entsicherte Kanone, die stets losgehen könnte?

Serdar Somuncu: Ach was, da gibt's viel Schlimmere. Ich bin Teamplayer genug. So weiß ich, dass man die Leute, die mir einen Auftrag geben, nicht unnötigerweise vor den Kopf stoßen sollte. Aber ich habe mich immer vehement gewehrt, wenn Leute angefangen haben, in meine künstlerische Freiheit einzugreifen. Ich finde es okay, wenn ich bei Fernsehsendern stattfinde. Wenn nicht, dann muss ich einen anderen Weg finden. Ich habe weiterhin viel mit TELE 5 zu tun. Meine Eitelkeit ist zur Genüge befriedigt.

prisma: Senderchef Kai Blasberg von TELE 5 kennt keine Angst?

Serdar Somuncu: Nein. Er ist mit Sicherheit einer der mutigsten Fernsehmacher, den wir in Deutschland haben. Er ist aber auch ein sperriger Typ, mit ihm muss man schon umgehen können. Aber in diesem Punkt stehen wir beide uns in nichts nach. Es gibt zwischen uns gute Schnittmengen. So lange die kreative und konstruktiv sind, haben wir beide etwas voneinander. Außerdem bin ich natürlich weiterhin im Ensemble der "heute-show". Das ist schön so. Und das reicht mir dann auch. Aber wer weiß: Es gibt so viele Sender. Und so viele Ideen, die man noch umsetzen könnte.

Aller Termine seiner aktuellen "GröHaz – Der größte Hassias aller Zeiten"-Tour findet man auf seiner Website unter https://somuncu.de/.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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