ZDF-Krimi

"Stralsund – Doppelkopf": perfides Spiel eines Möchtegern-Frauenmörders

von Wilfried Geldner

Eine Frau wird im Ostseebad tot aufgefunden. Er sei der Mörder, beteuert Peter Thies. Doch ihm fehlt ein Motiv. Welches Spiel treibt er mit den Polizeibeamten?

ZDF
Stralsund – Doppelkopf
Krimi • 23.11.2019 • 20:15 Uhr

Schwer genug ist es wohl, glaubhaft einen Mörder zu spielen. Aber einen Täter spielen, der einen Mörder spielt, ohne womöglich einer zu sein? Der Schauspieler Simon Schwarz, schütteres rötliches Haar – man kennt ihn aus vielen Filmen – kriegt das hin. Spielend, möchte man kalauernd sagen. Schwarz ist in der Folge "Doppelkopf" des ZDF-Samstagskrimis "Stralsund" ein wahrhaft geheimnisvoller Typ. Er gibt den Zuschauern ebenso wie den vier Dienst habenden Beamten vom Stralsunder Revier ziemlich harte Nüsse zu knacken, will er doch unbedingt der Mörder jener leicht bekleideten Dame sein, die man im Ostseebad tot aufgefunden hat.

Peter Thies, so heißt der Möchtegern-Frauenmörder im Film, sitzt seelenruhig auf dem Gang des Polizeireviers und wartet auf sein Verhör. Er hat immer ein Lächeln auf den Lippen. Erst recht, als er sagt: "Ich habe Susanne Richter getötet!" Die Details der Tat kennt er aus dem Effeff. Er serviert sie wie ein guter Kellner, der die Zutaten einer Kürbissuppe beschreibt: "Niedergeschlagen. Auf sie gesetzt. Nase und Mund zu gehalten." Zu allem Überfluss fragt er dann noch: "Könnte ich bitte was zu essen haben?" Da hat er die Rolle vom Kellner zum Gast gewechselt.

Zuvor hat man Thies als stummen Betrachter im gestreiften Strandkorb unter einem trüben Ostsee-Himmel erlebt. Ein Familienvater ist offensichtlich von einer hübschen Frau angetan, während ihn die Ehefrau fortwährend nervt. Doch seine Anmache misslingt. Kein Wunder, dass er fast genauso traurig ist wie der Kommissar Karl Hidde (Alexander Held), der soeben im Briefkasten seine baldige Versetzung und Degradierung vorgefunden hat. Hidde hat bei dem von seiner Vorgesetzten angezettelten Tauglichkeitstest versagt, weil er plötzlich Phantomschmerzen bekam.

Das passt ins betrübliche Bild. Eiskalt ist die Stimmung zwischen dem Strandehepaar. Man ist dabei, wenn Thorsten Weber (Patrick von Blume) unter der Bettdecke an sich manipuliert, während Monika, die Ehefrau (Dagmar Leesch), heimlich zu ihm herüber äugt. Das Drehbuch spielt alle Facetten der Liebe (und vor allem der verlorenen Liebe) durch, bis hin zum Serienmord. Es hat vor der jüngsten Tat noch weitere Morde gegeben. Den letzten vor wenigen Jahren. Peter Thies lässt lässig den Namen der Toten fallen – und beschreibt auch hier jedes Detail mit einem Insider-Wissen, das nur der Täter haben kann.

Der Mörder wäre also gefasst. Es gibt viele Indizien, jedoch kein Motiv. Andere wollten beweisen, dass sie es nicht waren, dieser unternimmt alles, um zu belegen, dass er es war. Ein Mensch mit Geltungsdrang, ein eitler Psychopath? Oder doch gekränktes Mannestum, ein Racheakt? Thies behält sein Lächeln auf – ein Joker, der an seinem Spiel sichtlich Freude hat. "Sie stellen immer die selben Fragen", sagt er zur Kommissarin Nina Petersen (Katharina Wackernagel), seiner skeptischen Antipodin von Anbeginn, die seinem Geständnis keinen Glauben schenken mag.

Des Rätsels Lösung ist zum Teil vorhersehbar – und doch ergreifend. Noch einmal wird mit verschiedenen Protagonisten die ganze Palette der Liebe und der Einsamkeit durchgespielt. Wie schon zu Beginn hört noch einmal das Lied eines Männerchores vom "schönsten Wiesengrunde", in dem das Liebchen "die Treu' gebrochen hat". Sentimentalität darf sein, zumal sich zuletzt Nina, die Kommissarin, und ihr Kollege (Johannes Zirner) beim Küssen finden und zur Freude Karls die für ihn fatale Chefin (Therese Hämer) den Dienst quittiert.

In seiner komisch-zynischen Konzentration, seinem atmosphärischen Timing und den nie nassforschen Faustkampf-Dialogen ist dies ein Krimi, der (fast) alles andere um Längen schlägt. Ein kleines Meisterwerk, das da der Drehbuchautor Andreas Kanonenberg und der Regisseur Thomas Durchschlag geschaffen haben.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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