Serie von Nicolas Winding Refn

"Too Old To Die Young": Schöner sterben bei Amazon

Nicolas Winding Refn ("Drive", "Only God Forgives") darf bei Amazon seinem Fetisch für Gewalt und schöne Bilder frönen: In seiner ersten Serie "Too Old To Die Young" schickt er einen düsteren LA-Cop durch ein zehnteiliges Kaleidoskop der Abscheulichkeiten.

Nicolas Winding Refn all seine stilistische Selbstverliebtheit zuzugestehen, ist ziemlich mutig von Amazon. Immerhin mutet der Streaminganbieter dem Publikum zehn Episoden von "Too Old To Die Young" zu, in denen Refn seinen Gewaltfetisch in expliziten Bildern und sinnlichen Farben auslebt. Der nächtliche Großstadthorrorthriller (ab 14. Juni bei Prime Video) berauscht sich an seiner Brutalität, und die Kerle in diesem Neon Noir in Serienform unterbrechen ihr Schweigen nur für knappe, aber markige Sprüche. Immerhin sieht das Kaleidoskop der Abscheulichkeiten gut aus.

"Too Young Too Die Old" ist ein Nachtschwärmer von Serie. Die Dunkelheit wird spärlich erhellt von Reklamelichtern und einsamen Leuchtstoffröhren, die grünes oder oranges Licht in die Nacht flackern. Als wäre die Nacht nicht dunkel genug, schickt Nicolas Winding Refn seinen einsamen Protagonisten explizit in die düstersten Ecken von Los Angeles: Martin Jones arbeitet tagsüber als Detective im LAPD und verbringt seine Freizeit damit, als Auftragskiller den Abschaum der Stadt zu beseitigen.

Miles Teller spielt diesen smarten Schweiger. Er starrt viel ins Leere, redet wenig und lässt Ryan Gosling, der für Refn in "Drive" und "Only God Forgives" ziemlich apathisch vor der Kamera stand, wie ein hyperaktives Kind aussehen. So apathisch Tellers Antiheld etwa in einer ziemlich skurrilen Dienstbesprechung, die zu einem Pep-Talk für Neonazis wird, wirkt, so kompromisslos geht er seinem Hobby nach. Für seine blutige Mission Selbstjustiz wurde Jones von einem anderen Dunkelmann (John Hawkes) rekrutiert. Gemeinsam meucheln sie Vergewaltiger und jagen Pornohändler.

Dass sich die erste Serie des streitbaren Dänen ("Pusher"-Trilogie, "Drive", "Only God Forgives") visuell lohnen würde, ist wenig überraschend. Er erfüllt die Erwartungen mit extrem durchgestylten Bildern, wie man es von Refn nicht anders akzeptieren würde nur allzu gerne. Seine Figuren leben im Schatten, er beobachtet sie mit langsamen Kamerafahrten, die oft zu einer Art narrativer Slow-Motion führen. Die ganze Serie scheint in Zeitlupe um ihre erzählerisches Zentrum zu kreisen: Gewalt und Zerstörung. Das zeigt Refn weniger explizit, als befürchtet, wohl aber mit Konsequenz.

Refns unbedingter Stilwille nimmt freilich schnell autoritäre Züge an. Als wolle er kaschieren, dass "Too Old To Die Young" inhaltlich enervierend langweilig ist. Zumindest in den beiden Folgen, die Amazon vorab zeigte und die auch bei den Filmfestspielen in Cannes zu sehen waren. Dass Refn für die Preview entgegen aller Gepflogenheiten die Episoden vier und fünf freigab, darf man durchaus als Ausdruck eines gesunden Selbstbewusstseins verstehen. Oder eines übersteigerten Egos.

Faszinierend ist allerdings, dass man auch in der vierten Folge einsteigen kann, ohne das Gefühl zu haben, etwas verpasst zu haben. Die beiden Episoden – zusammen stattliche 138 Minuten lang – funktionieren, ohne wissen zu müssen, was vorher war und was später kommt. Darin liegt freilich auch eine ziemliche Absurdität. Man hat zu keinem Zeitpunkt das Gefühl, irgendetwas verpasst zu haben.


Quelle: teleschau – der Mediendienst

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