Neue Staffel

Weissensee: Über allem ein Klicken

29.09.2015, 08.35 Uhr
Liebe, nicht ohne Misstrauen: Florian Lukas und Lisa Wagner in "Weissensee".
Liebe, nicht ohne Misstrauen: Florian Lukas und Lisa Wagner in "Weissensee".  Fotoquelle: ARD/Julia Terjung

9. November 1989. Mit der dritten Staffel erreicht die Serie Weissensee ihren Kulminationspunkt.

Der 9. November 1989 in Ost-Berlin beginnt eisig kalt. Der Morgen ahnt nichts von dem, was der Abend bringen wird, wie sollte er? Aber die Proteste der vergangenen Wochen, dieses zarte Pflänzchen demokratischen Aufbruchs, haben Spuren hinterlassen. Überall.

"Wir haben Anweisung von ganz oben", verkündet der stramme DDR-Karrierist Falk Kupfer (Jörg Hartmann) am Frühstückstisch, "immer und überall die Dienstwaffe zu tragen."

Die neue Staffel von "Weissensee" blendet in gleichsam dokumentarischen Schnipseln von Schauplatz zu Schauplatz.

Im Betrieb von Falks Bruder Martin (Florian Lukas) sind die benötigten Schrauben wieder nicht eingetroffen: "Dann müssen wir es eben ohne Schrauben versuchen."

Ronald Zehrfeld als Pfarrer Robert Wolff trotzt im Verhör der Stasi: "Die Zeiten haben sich geändert. Und Ihre Zeit ist abgelaufen."

Unterdessen wird im Ministerium für Staatssicherheit an der Normannenstraße nach wie vor Allmacht zelebriert, als wäre man noch Herr im Haus und könnte Demonstranten vom Tisch fegen: "85.000 Subjekte aus dem Verkehr ziehen!" Und zwar um sie, sollte man wohl ergänzen, in ein "Lager" zu stecken ... Über allem liegt das Ticken des Unheils, ein Ticken, das von keiner Uhr herrührt, sondern von der Kamera des Stasi-Agenten Rothals (Michael Schenk), dessen verbeamtete Schattenexistenz stets von Unheil kündet.

Die Stasi-Akte brennt

Rothals' Kamera funktioniert noch analog, die Telefone wiegen granatenschwer, auf Transparenten steht "Misstrauen ist jetzt erste Bürgerpflicht". Oma Kupfer (Ruth Reinecke) macht, als ihr zum Hochzeitstag eine Uhr geschenkt wird, eine Erfahrung. "Automatik. Die brauchst du nicht mehr aufzuziehen, Oma", klärt ihre Enkelin sie auf.

Der 9. November in all seiner Unfassbarkeit geht vorüber, und spätestens in Folge 3 der neuen Staffel werden die Verwerfungen spürbar, die mit diesem Tag über die festgezurrte Welt der alten DDR hereingebrochen sind.

An der Seite von Martin Kupfer (Florian Lukas) lebt jetzt die West-Journalistin Katja Wiese (Lisa Wagner). Deren Kamera, ebenfalls analog, klickt storyhungrig gegen das unvermindert waltende Rothals-Exemplar an.

Mit Gewinn nach Amerika verhökert

DDR-Alltagskram wird neuerdings mit Gewinn nach Amerika verhökert, und im Wohnzimmer von Dunja Hausmann (Katrin Sass) endet eine Spitzelvergangenheit durch Verbrennen der Akte in einer Schale.

"Weissensee" bietet auch in seinen neuen drei Doppelfolgen schrecklich schöne Zeitgeschichte. Unbeleckt vom Serienstil des 21. Jahrhunderts führt Friedemann Fromm Regie, aber vielleicht passt das so zum Deutschland jener Jahre.

"Weissensee", ab Dienstag, ARD, 20.15 Uhr. Jeweils zwei Doppelfolgen am 29. und 30. September sowie am 1. Oktober.

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