Christoph Maria Herbst im Interview über marode Beziehungen und die Vorliebe für speziele Figuren
Christoph Maria Herbst geht mit der turbulenten Trennungsgeschichte "Merz gegen Merz" mit Annette Frier in die nächste Runde, diesmal vor dem Hintergrund der Hochzeit des Sohnes. Im Interview berichtet Herbst über marode Beziehungen, seine Vorliebe für "schief ins Leben gebaute Figuren" und verlorene Rollkoffer im Outback.
Er ist ein Mann der Vielfalt. Seine Rollen als Schauspieler, seine Interessen und nicht zuletzt seine Sprache. Wer sich mit Christoph Maria Herbst unterhält, lässt sich schnell anstecken von seiner Begeisterung für die Dinge, von denen er erzählt, indem er aus seinem überaus reichen Wortschatz, der jeden Deutschlehrer entzücken würde, am liebsten die Superlative ausgräbt. Was er erlebt, ist nicht nur "schön", sondern "unvorstellbar", "atemberaubend" oder "wahnsinnig". Der Schauspieler, der sich auf kein Genre festlegen lässt und Kinder als Herr Ärmel in "Jim Knopf" ebenso begeistert wie Erwachsene als der legendäre Versicherungsegozentriker "Stromberg", legt im Gespräch den gewohnten Wortwitz, aber auch eine Tiefgründigkeit an den Tag, die Lust machen, sich immer weiter erzählen zu lassen. Von Australien etwa, das eine große Leidenschaft des 57-Jährigen ist. Er liebt Herausforderungen – unvergessen sein Auftritt bei "Klein gegen Groß", als er für eine unglaubliche Gedächtnisleistung ein Schachbrett zweckentfremdete.
"In Sachen Drehbuch halte ich lieber die Klappe"
prisma: Herr Herbst, wie war es für Sie, nach drei Staffeln der Serie "Merz gegen Merz" nochmals den Erik zu spielen?
Christoph Maria Herbst: In der Frage schwingt mit, dass es das ja jetzt gewesen sein muss. Das hoffe ich nicht. Es ist ja immer ein Klassen-oder Familientreffen. Wir sehen uns alle Jahre wieder, und das ist von großer Wiedersehensfreude und Respekt geprägt, natürlich vor dem Hintergrund der tollen Texte, die uns Ralf Husmann immer schreibt. Erik ist ein Mosaiksteinchen in diesem großen Kosmos, und es macht mir nach wie vor sehr viel Spaß, ihn zu spielen (lacht).
prisma: Also dann: Wird es weitergehen?
Herbst: Das glaube ich schon. Das ZDF weiß um das Pfund, das es mit diesem großartigen Ensemble hat, mit tollem Autor und dem Regisseur, der schon für die meisten Folgen der Serie verantwortlich zeichnete. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Lerchenberg sich das entgehen lässt. Zumal der Film große Wellen geschlagen hat und prima ankam auf dem Filmfest in Ludwigshafen, wo er gerade lief.
prisma: Sie würden also wieder mitspielen?
Herbst: Natürlich. Das geht gar nicht, so etwas anzuschieben und dann zu sagen, so, lass mal die Jüngeren ran (lacht). Ich bin ja immer für Nachwuchsförderung, aber wenn so eine Figur gesetzt ist, dann sollte man sie bitte auch weiterspielen.
prisma: Spekulieren Sie mal: Was könnte Anne, die von Annette Frier gespielt wird, und Erik in der nächsten Folge passieren?
Herbst: Das kann ich nicht. Da würde ich ja Leuten, die es von Beruf machen, sich solche Dinge zu überlegen, vorgreifen und mir anmaßen, es besser zu können als die. Aber genauso wenig, wie ich wollen würde, dass der Autor Ralf Husmann sich als Schauspieler verdingt in einem 90-Minüter, der "Merz gegen Merz" heißt, so wenig möchte er, glaube ich, dass ich jetzt hier fröhlich rumpitche.
prisma: Bringen Sie Ideen ins Drehbuch ein?
Herbst: Wir kennen uns seit dem seligen Stromberg, und ich habe zu oft schon erlebt, dass ich nebenbei im Aufzug eine Idee geäußert habe und dann las ich zwar in seinen Augen, dass es keine schlechte Idee ist, aber die wurde niemals umgesetzt. Insofern habe ich schon zu einem frühen Zeitpunkt gelernt, dass ich lieber die Klappe halte.
prisma: Anne und Erik hängen trotz allem noch immer aneinander, was anrührend zu sehen ist. Haben Sie einen Ratschlag für die Beiden?
Herbst: Das ist schwierig. Einen Kummerkasten habe ich bislang noch nicht aufgemacht. Wenn ich das könnte, hätte ich längst etwas in Richtung Therapie studiert. Natürlich sollte jeder erst mal vor seiner eigenen Haustür kehren, und die zwei haben einfach viele Scherben zerbrochen. Ich weiß nicht, ob die noch mal miteinander könnten. Ich lese in den Augen von Anne eher eine stille Sehnsucht nach dem, was mal war, und ich lese in Eriks Augen eine stille Sehnsucht nach dem, was ihrer beider gemeinsame Zukunft noch erbringen könnte. Er hängt noch mehr an dem gehabten Leben, zumal er kein gegenwärtiges Leben hinbekommt, schon gar nicht mit irgendeiner anderen Frau, als umgekehrt. Es ist Eriks größtes Problem, dass er nicht loslassen kann. Wenn ich ihm einen Ratschlag geben müsste, dann den, dass er es hinkriegen muss, einen Cut zu machen, der auf der anderen Seite längst gemacht wurde.
Premiere als Moderator bei "Terra X"
prisma: Im Wettstreit um den gelungeneren Neustart ist sie fein raus, weil sie einen neuen Partner hat ...
Herbst: Das ist natürlich typisch männlich, aus dem Ganzen so ein Battle zu machen. Der Phantomschmerz ist einfach viel zu stark, wenn man immer noch etwas hinterhergeifert, was eigentlich schon längst tot ist. Das Tote soll man ruhen lassen, und die Annette, äh Anne hat hier wirklich einen Schlussstrich gezogen, was Erik einfach nicht zulassen kann. Emotional ziemlich verkrüppelt. Husmann schreibt mir halt gerne solche Figuren.
prisma: Was ist Ihr Rezept für eine gelingende Partnerschaft?
Herbst: Liebe soll helfen, und Kommunikation halte ich auch für wichtig. Anne und Erik reden ja so dermaßen derbe aneinander vorbei und hatten so unterschiedliche Vorstellungen von Gegenwart und Zukunft, dass sich hier kaum Schnittmengen ergeben haben. Die sind in einer Beziehung, die funktionieren soll, schon wichtig.
prisma: In einem früheren Gespräch sagten Sie, Sie suchten sich immer gern Figuren aus, die möglichst weit von Ihnen persönlich entfernt sind. Wie ist das bei Erik?
Herbst: Genauso. Mir machen solche Figuren, die mir von Hause aus eigentlich fremd sind, am meisten Spaß zu spielen. Weil ich in dem Moment etwas sein darf, was ich in meinem eigentlichen Leben nicht bin. Das finde ich kurzweilig, und ich bin immer davon ausgegangen, dass, wenn ich etwas im Spiel kurzweilig finde, es die Menschen beim Gucken auch kurzweilen wird. Andersrum wird natürlich auch ein Schuh draus, wenn ich nur mich spiele mit einem anderen Namen, muss das die anderen auch langweilen. Mit Erik und seinen ganzen Defiziten habe ich tatsächlich nicht mich gemeint. Umso toller ist es, so jemanden zu spielen, der derart schief ins Leben gebaut ist, es einfach nicht auf die Kette kriegt und sich so in seine Arbeit flüchtet. Dem irgendwelche Maschinen wichtiger sind als Menschen, wie Anne es auf den Punkt bringt, wenn sie ihren Ex-Mann beschreibt.
prisma: Lassen Sie uns über Australien sprechen. Im Dezember wird es eine "Terra X"-Folge mit Ihnen geben, war beim ZDF zu lesen. Dafür waren Sie in down under und haben viel erlebt. Waren Sie zum ersten Mal da?
Herbst: Nee, ich glaube es war das dritte Mal. Die Anfrage kam überraschend, und ich habe nicht lange gezögert, da zuzusagen, weil Australien ein fantastisches Land und Kontinent ist. Und für "Faszination Erde" mal den Host zu geben, war eine ungeheure Ehre für mich, wie auch immer die Redaktion da auf mich kam. Es war die tolle Möglichkeit, das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden, weil ich beim australischen Black Summer 2019/20 einige Projekte in Australien mit angeschoben habe. Wie wohl allen Menschen tat es mir total weh zu sehen, was da mit Mensch und Tier und Umwelt passiert bei diesen unsäglichen Bränden, die die da hatten. Im Zuge dessen konnte ich jetzt sehen, was daraus geworden ist, und eine Stippvisite machen.
Ohne Koffer im Outback
prisma: Was waren das für Projekte?
Herbst: Das war einmal "Friends For Koalas", die sich der Tiere dort angenommen haben, die sonst aufgrund der unfassbaren Brände nicht überlebt hätten. Zum anderen war es ein Aufforstungsprojekt. Dass da Bäume zwischendurch brennen, ist ein sehr natürlicher Vorgang, weil nur auf diese Weise Samenkapseln aufbrechen und und die Samen meterweit weggesprengt werden, um dann dort wieder neu auszutreiben. Aber was hier stattgefunden hat, war schlicht Vernichtung. Diese Projekte hatte ich mit unterstützt, und spannenderweise kommen sie auch im Film vor, aber viele andere Dinge auch, mit denen ich niemals gerechnet hätte. Ich konnte zum Beispiel mit dem australischen Seelöwen tauchen, den es nur da gibt, und habe dort Moderationen aus dem Wasser heraus gemacht (lacht). Das war für mich etwas sehr Neues, und für den eingefleischten "Terra X"-Fan wird es auch etwas Neues sein, mich auf einmal in so einem Zusammenhang zu sehen. Ich hoffe, am Ende haben alle etwas davon.
prisma: Waren Sie schon vorher"Terra X"-Fan?
Herbst: Ja, auf jeden Fall. Das ist das Doku-Flagschiff des öffentlich-rechtlichen Fernsehens, völlig zu Recht. Ich habe das immer wahnsinnig gerne geguckt und tue das bis heute, weil die dort nicht mit erhobenem Zeigefinger arbeiten, es aber trotzdem sehr lehrreich ist, ohne dass es so telekollegig rüberkommt. Dann ist das Ganze auch noch gespickt ist mit diesen fantastischen Bildern. Das hat mich immer schon fasziniert, ja.
prisma: Jetzt stand in besagtem Pressetext: "Christoph Maria Herbst entdeckte in Australien neue Seiten an sich". Das ist natürlich eine Steilvorlage! Welche waren das denn?
Herbst: Den Text habe ich nicht geschrieben (lacht). Ich weiß nicht, was damit gemeint ist. Es ist für mich ein absolutes Novum gewesen, mal zu moderieren und dann auch noch für eine Reisesendung und für dieses Format. Ich muss ehrlicherweise sagen: Ich habe Blut geleckt! Vielleicht meinte der Pressetext aber auch, dass ich lernen musste, ohne Unterhosen, Hemden und Socken zurechtzukommen, weil mein Koffer verlorengegangen war.
prisma: Wie bitte?
Herbst: Wir sind zwar mit kleinem Team da hin, hatten aber 32 Gepäckstücke, darunter wahnsinnig viel Kameraequipment und Drohnen im Wert von fünfstelligen Eurobeträgen. Jedes Gepäckstück, auch bei inneraustralischen Flügen, kam an, nur vom Herrn Herbst der kleine Rollkoffer nicht. Der ist bis heute nicht aufgetaucht. Und trotzdem musste ich ja irgendwie arbeiten in der Pampa. Da lernte ich die Seite an mir kennen, dass es auch ohne all dies klappt und auch nicht sehr viel schlechter. Wir machten dann so eine Art Sharing: Ich habe mal ein Hemd getragen vom Tonmann, mal die Hose vom Kameramann. Es ging auch (lacht).
prisma: Sehen wir Sie in Zukunft häufiger als Moderator?
Herbst: Da ist nichts geplant, aber wenn den Menschen das gefallen sollte, Stichwort Einschaltquote, und wenn sich die Redaktion das noch mal mit mir vorstellen könnte, wäre ich der Letzte, der nein sagen würde, wenn ich das zeitlich einrichten kann, denn es ist recht zeitintensiv. Wenn da die Koordinaten stimmen, wäre ich schön blöd, nein zu sagen.
prisma: Könnten Sie sich auch eine Spielshow vorstellen, "Wetten dass ..?" oder Ähnliches?
Herbst: Nein (lacht). Jetzt schon mal noch gar nicht. Dafür rede ich mit Ihnen viel zu gerne über fiktionale Projekte. Vielleicht lege ich mich in irgendeinem non-fiktionalen Projekt irgendwann mal ab, aber noch bin ich nicht so weit.
Ein Umzug nach Australien? Durchaus denkbar!
prisma: Nochmal szum Thema Reisen: Wie sehen Ihre Urlaube aus? Sind Sie der Abenteurer am Lagerfeuer, der Camper, der Rucksacktourist?
Herbst: Ich schnappe mir tatsächlich den Rucksack, fahre drauflos und gucke, was passiert. Man nennt das wohl Abenteuer oder Mikroabenteuer. Ich begebe mich nicht ohne alles in irgendeinen Regenwald und hoffe, dass mich die Ureinwohner finden, so weit würde ich nicht gehen. Aber alles total durchzuplanen, ist nicht mein Ding. Ich bin schon jemand, der mit gepacktem Rucksack und einer Menge Zeit drauflosfährt und vor Ort guckt: Was geht hier?
prisma: Welche Gegend mögen Sie besonders?
Herbst: Australien hat mir unfassbar viel Freude bereitet. Einmal ist die Weite dort unglaublich inspirierend, das Hirn kann da einfach mal ausschalten, denn wohin man guckt, ist Natur und der Horizont ist so weit und es hält einen dort nichts auf, auch im übertragenen Sinne. Hinzu kommt die Mentalität der Menschen dort, die ich unglaublich mag. Ich habe schon das Gefühl, dass der durchschnittliche Australier nochmals ganz anders ins Leben schaut und mit einer ganz anderen Eistellung sein Leben bewältigt, Stichwort Herzlichkeit oder Aufgeschlossenheit. Das sind Sachen, die ich sehr faszinierend finde. Ich will auch nicht ausschließen, mittel- oder langfristig mal ganz umzusiedeln nach Australien. Joachim Fuchsberger hat das vorgemacht, das geht schon.
prisma: Was war Ihr spannendstes Abenteuer im Ausland?
Herbst: Prekäre oder schwierige Situationen habe ich nie erlebt. Spontan fällt mir ein, bei einem Trip durch Laos und Kambodscha, wie unglaublich aufgeschlossen und hilfsbereit die Menschen dort sind. Das ist nicht so wahnsinnig spannend, das zu erzählen, aber es ist bei mir hängengeblieben. Die haben so eine unfassbare Herzlichkeit da, das ist atemberaubend. Da kann man sich gerade als Deutscher eine große Scheibe von abschneiden.
prisma: Zieht es Sie eher in die Natur oder in die großen Städte?
Herbst: Die Mischung macht's. Das eine geht nicht ohne das andere. Man setzt sich ja eh erst in einen Flieger und kommt in einer Stadt an. Es ist nicht so, dass ich aus dieser Stadt dann gleich fliehen würde, da gucke ich mir auch gerne kulturelle Errungenschaften an. Aber ich ertappe mich schon dabei, wie es mich überwiegend in die Natur zieht. Da sind mir dann alle Elemente lieb und teuer, das kann sowohl zu Fuß sein mit langen Wanderungen, aber auch zu Wasser. Ich möchte mich jetzt nicht als Wasserrate bezeichnen, aber ich tauche sehr gerne. Die Welt ist einfach zu vielfältig, als dass man nur eine Sache machen sollte.
prisma: Noch eine andere Frage, stellvertretend für einen Achtjährigen, der Sie als Herr Ärmel in den "Jim Knopf"-Filmen gesehen hat: Sind Sie zu Hause auch so witzig?
Herbst: Ich weiß gar nicht, ob ich immer so witzig bin (lacht). Mit Herrn Ärmel habe ich auch nicht allzu viel zu tun, aber diese Figur hat mir unglaublichen Spaß gemacht: Vor allem war es eine wahnsinnige Ehre, bei diesen beiden tollen Kinofilmen überhaupt mitspielen zu dürfen. Ich wache nicht morgens auf und erzähle mir als erstes einen Witz, den ich bislang noch nicht kannte, aber ein gehöriges Potenzial an guter Laune wurde mir schon in die Wiege gelegt. Das hat mich bisher immer ganz gut durch mein Leben begleitet, und ich hoffe, dass das auch so bleibt.
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH