Jan Delay im Interview

"Wenn schon, denn schon!"

25.05.2021, 06.57 Uhr
von Felix Förster

Auf seinem neuen Album "Earth, Wind & Feiern" kehrt Jan Delay zurück zu seinen musikalischen Wurzeln. Mit dem Album gelingt ihm nach siebenjähriger Solopause ein gelungenes Comeback. prisma hat mit dem Hamburger gesprochen.

Moin, Moin in den hohen Norden, viele Grüße aus Düsseldorf. Im Text Deines Eröffnungssongs des neuen Albums wird Düsseldorf explizit genannt. Was verbirgt sich dahinter?

Jan Delay: Düsseldorf kommt bei mir in fast jedem Text vor (lacht). Nein, im Ernst, auf dem Song "Showgeschäft" auf der Bahnhof-Soul-Platte habe ich die Stadt schon einmal erwähnt, wenn ich singe "Von Düsseldorf bis Bitterfeld". Düsseldorf bietet sich immer an, denn ich mag die Stadt sehr gerne aufgrund ihres kulturellen Reichtums, der natürlich auch nur eine Folge des Reichtums an sich ist, so wie in Hamburg auch (lacht). Auf der neuen Platte bezieht sich die Nennung der Stadt im Song "Intro" auf Kraftwerk. Ich wollte da das musikalische Potpourri der Platte beschreiben und nenne Amerika und Afrika und dann eben auch Düsseldorf als Originalstätte, wo etwas erfunden wurde. Das fand ich einen schönen Kontrast zu den Kontinenten, weil ja Kraftwerk eine der wenigen Bands weltweit ist, die wirklich behaupten kann, etwas erfunden zu haben.

Im selben Song singst Du von den "dunklen Wolken, die man vertreiben muss". Wie vertreibst Du Dir momentan diese Wolken?

Jan Delay: Indem ich so ein Album veröffentliche. Genau dafür habe ich es nämlich gemacht.

Du hast bereits vor einem Jahr in einem Interview von dem neuen Album und Tour-Plänen gesprochen. Kannst Du kurz erzählen, wie Deine Pläne dann durch Covid durcheinander geworfen wurden?

Jan Delay: Das kann sich ja jeder denken, man macht ein Album, denkt sich, ja geil, das kommt jetzt raus und dann kommt Corona und auf einmal gibt es keine Konzerte mehr. Dann guckt man in die Röhre, und daran hat sich ja bis heute nichts geändert. Keiner weiß, inwiefern sich das ändern und entwickeln wird, und solange das so ist, kann man einfach nur bangen und hoffen. Und das tue ich.

Du bist auf dem neuen Album sehr sozialkritisch und politisch, auch sehr sarkastisch teilweise. Ist das Covid geschuldet oder waren die Songs schon vorher fertig?

Jan Delay: Eigentlich waren alle Songs fertig. Im vergangenen Jahr sind nur zwei neue Songs dazu gekommen, und selbst die Ideen zu den Songs sind schon vorher entstanden. Also ich glaube, über das Thema Covid kann ich gar nichts schreiben, weil das viel zu frustrierend ist. Ich konnte die Situation nur perfekt dafür nutzen, in Ruhe im Studio an den Songs herum zu feilen.

"Earth, Wind & Feiern" ist wieder sehr funkig und jazzig, man hört Ska- und Reggae-Einflüsse. Du singst im ersten Lied auch von der "Rockplatte, auf die keiner Bock hatte" und beziehst Dich damit auf Dein Rock-Album "Hammer und Michel" von 2014. Ich persönlich mag die Platte sehr…

Jan Delay: Ich auch…

Welche Verbindung hast Du denn zu der Platte? War die ein Flop für Dich?

Jan Delay: Nein, letztlich ist das nur eine lustige, selbstironische Referenz und eine geile Zeile, über die jeder schmunzeln muss, inklusive mir. Natürlich hat mir damals weh getan, dass die Platte kritisiert wurde. Aber das ist sieben Jahre her, und ich bin jetzt voll easy damit. Ich liebe das Album und die Songs nach wie vor, kann jetzt aber auch viel besser verstehen, wieso die damals nicht bei allen so gut ankam. Es geht ja nicht darum, dass keiner das Album mochte, es geht einfach darum, dass ich vom typischen, normalen Jan-Delay-Fan nicht erwarten kann, dass der auf einmal verzerrte Gitarren und Rockmusik super findet. Der kommt wie ich beziehungsweise wie die Musik, die Jan Delay macht, aus der Reggae-, Funk-, Hip-Hop-, und Schwarzen Musik, die groovig ist. Nur weil ich diesen vielfältigen Geschmack habe, kann ich ja nicht von allen verlangen, dass sie das teilen und plötzlich Rock gut finden. Doch ich wollte das damals einfach so machen, gerade nachdem ich mit "Bahnhof Soul" Hits hatte, bei "Wetten, dass…?" aufgetreten bin und Riesen-Hallen gefüllt habe. Da wollte ich einfach so ein Anti-Ding machen, so ein "nicht-gefallen-wollen", so einen Mittelfinger. Aber ich kann ja dann nicht so eine Platte machen und mich danach darüber beschweren, dass das nicht genug Leute verehren (lacht).

Und ganz zufällig hast Du auf der Platte eine echte Hymne veröffentlicht: "St. Pauli". Einen Deiner größten Erfolge.

Jan Delay: Ja, volles Brett. Aber es ist ja trotzdem so gewesen, dass sehr viele Leute auf dieser Platte herumgehackt haben. Und das weiß ja auch jeder, deshalb muss auch jeder über diese Zeile im neuen Song schmunzeln.

Die neue Platte ist eine Club-Platte. Im Internet sind nun Tournee-Daten aufgetaucht. Wie aktuell ist das?

Jan Delay: Das sind diese Strandkorb-Open-Airs. Das sind Konzerte, die in der Pandemie schon geplant wurden, damit man das mit Hygienekonzept corona-konform durchziehen kann. Da gibt es dann eine Open-Air-Fläche, auf der tausende Strandkörbe stehen. Jeder Korb hat ein markiertes Feld, in dem sich zwei aufhalten. Und die dürfen dann auch – soweit ich das verstanden habe – aufstehen und vor ihrem Strandkorb tanzen (lacht). Das ist dann ein Versuch, in diesen Zeiten Konzerte machen zu dürfen.

Wie sehr fehlt Dir denn der Kontakt zu den Fans? Oder gibt es momentan überhaupt welchen?

Jan Delay: Es gibt keinen, nur so wie wir jetzt per Zoom. Oder irgendwelches "live gehen" auf Instagram oder irgendwelche Kommentare und Nachrichten. Das ist alles.

Erleichtert Dir der Video-Chat denn die PR-Arbeit momentan?

Jan Delay: Überhaupt nicht, das ist scheiße. Ich habe nur dieses kleine Fenster in die Welt und raus aus der Welt. Ich will Musik machen, ich will raus gehen.

"Alexa", ein neuer Song auf dem Album, nimmt die ganze virtuelle Welt auf die Schippe. War der auch vorher schon fertig oder hast Du ihn aufgrund der momentanen Situation aufgenommen?

Jan Delay: Nein, der war vorher schon fertig.

Wie siehst Du diesen Umgang mit den neuen Medien? Du bist selbst Vater. Wie findest Du das, wenn man da vor dem Kind ständig das Smartphone oder Tablet in der Hand hat?

Jan Delay: Einer Sache wie Alexa stehe ich schon kritisch gegenüber, sonst würde ich ja nicht so ein Lied machen. Beim Handy und der Technik der neuen Medien ist es einfach der Gang der Zeit, und früher haben sich meine Eltern auch nicht einen Kopf darüber gemacht, ob sie jetzt telefonieren, wenn ich in der Nähe bin. Wieso soll ich das machen? Ich fand das Telefon damals genauso interessant wie mein Kind heute das Handy interessant findet.

In "Saxofon" ist die Ironie auf die Spitze getrieben, Du kritisierst darin die "Öko-Bourgeoisie". Der Titel bezieht sich dann auf Deinen Vater, durch dessen Saxofon Du die Musik kennen gelernt hast.

Jan Delay: Das Schöne ist, meine Eltern haben diese Öko-Bourgeoisie auch immer schon kritisiert und sich darüber lustig gemacht. Meine Eltern sind eher Kunst-Typen, sie sind natürlich auch Linke und politisch, aber diese ganze Birkenstock-Wollsocken-Diskussions-Fraktion kam denen immer aus den Ohren heraus. Ich bin in einem kollektiven, alternativen Wohnprojekt groß geworden, das ehemals besetzt war, und das war wie so ein Sammelbecken für alle Strömungen damals, deshalb kann ich zusammen mit meinen Eltern über das ganze Ding Witze machen. Wir haben natürlich auch sehr viel Empathie dafür, weil das ja auch unsere Welt gewesen ist und wir würden tausend mal eher mit denen abhängen als mit irgendwelchen Spießern oder sonstigen anderen Leuten. Aber trotzdem gibt es da bei denen auch viele Kritikpunkte und was einem auf den Sack geht. Deshalb habe ich so ein schönes selbstreflektiertes Betrachtungsbild zu dieser Welt. Ich glaube und hoffe, das kommt in dem Song auch rüber. Ich zeige nicht mit dem Finger auf die, denn ich zähle mich auch dazu. Ich bin super froh, dass ich so aufgewachsen bin und habe dadurch beide Welten kennengelernt: In Eppendorf zwischen diesen ganzen Hockey- und Tenniskindern, aber dann auch das besetzte Haus. Ich kann mich in beiden Lagern bewegen, und das ist cool. Ich fühle mich ebenso bei den Leuten in einem besetzten Haus wohl, als auch im Club an der Alster, wo alle nur Polohemden tragen und Papa Eppendorfer Popper ist. Auch da habe ich ein Gefühl von Heimeligkeit, weil ich das alles kenne. Ich bin so aufgewachsen.

Beim neuen Song "Tür'n knallen" fällt der gelungene Perspektivwechsel zwischen Mann und Frau auf. Er lässt da die Plattitüden vom Stapel, sie rechnet damit ab. Wie gehst Du an so einen Song ran? Fließen da eigene Erfahrungen ein?

Jan Delay: Ja natürlich, ohne eigene Erfahrungen kannst Du so einen Song nicht schreiben. Ich glaube, gar keinen Song (lacht). Ich hatte zuerst diese Zeilen für den Refrain, und ich konnte passend dazu eine gute Strophe schreiben. Dann wurde mir aber klar, dass der Song nur funktioniert, wenn ich ein weibliches Feature habe, das die zweite Strophe übernimmt. Dafür die Richtige zu finden, die gut ist, war nicht so leicht. Es gibt inzwischen zwar echt sehr viele gute Rapperinnen, doch die kenne ich nicht so gut. Zudem wusste ich nicht, ob die meine Vorstellungen dann so umsetzen können, wie ich es möchte. Dann wäre es mir auch peinlich gewesen, zu kritisieren. Aber dann bin ich glücklicherweise auf Lary gekommen, die vergangenes Jahr den tollen Song "Taxi" veröffentlicht hat, auf dem sie auch rappt. Sie ist ja eigentlich eine Sängerin, die nicht rappt. Aber "Taxi" hat mich so umgehauen, und ich habe gemerkt, wie gut sie texten kann. Ich habe sie dann gefragt, sie hatte Lust und hat das toll gemacht. Besonders, dass sie sich dann auch noch in ihrer Strophe auf meine bezieht und sagt „Nach dieser miesen Szene laberst du noch irgendwas von Nieselregen, du hörst dich selbst einfach am liebsten reden“. Das schließt so geil den Kreis, und das war genau das, was ich wollte. Mir war immer klar, wenn ich kein weibliches Feature für den Song bekomme, kann ich den nicht herausbringen. Der ist nur dann gut, wenn ich diese andere Perspektive habe, sonst macht der keinen Sinn. Da bin ich ihr sehr dankbar, das war ja erst ihr zweiter Rap-Song, obwohl sie seit 15 Jahren Musik macht.

Einige Songs erinnern stark an Nile Rodgers und Daft Punk. Ist das eine Nummer, die Du jetzt neu entdeckt hast, oder etwas, das Du immer schon einmal unbedingt machen wolltest?

Jan Delay: Ich bin ein großer Fan von Nile, seit ich ein kleines Kind bin, und finde es lustig, dass alle kommen und sagen: Hey, das ist ja wie Daft Punk. Ich habe meiner Band jetzt nicht gesagt, ich möchte einen Daft-Punk-Song machen, sondern ich habe zu meiner Band gesagt – was Daft Punk auch zu Nile Rodgers gesagt haben – wir wollen einen Chic- und Sister-Sledge-Song machen, einen Boogie-Song. Ich wollte einfach die Musik auf der Platte machen, die ich mag, und da gehören Boogie, Disco und Funk dazu. So einen Song hatten wir noch nicht und so haben wir angefangen und ab einem gewissen Punkt merkst Du eben, das ist richtig geil, und der eine Rhythm erinnert ja auch ein bisschen an "Get Lucky" und, dann packst Du extra noch den Arpeggio mit rauf. Wenn schon, denn schon.

Ist das ein Sample oder live eingespielt?

Jan Delay: Das hat der großartige Lorenz Rhode eingespielt, das ist der Leiter vom Rundfunk-Tanzorchester Ehrenfeld von Jan Böhmermann. Den kenne ich schon lange, weil wir uns wegen unserer Passion für Elektro-Funk aus den 80ern kennengelernt haben und er zu unseren Shows gekommen ist. Mit "Disco No. 1" hatten wir auf jedem Album einen Elektro-Funk-Song, und so haben wir uns kennengelernt, und dann hat er Remixe für mich gemacht. Ich frag ihn schon seit Längerem, wenn ich einen Song habe, bei dem ich denke, das passt, dann schicke ich ihm den. Bei der Platte hat er bei "Eule" diesen Daft-Punk-Arpeggio gespielt, und auch bei "Spaß" das Ende mit dem Clavinet, das ist alles er. Das komplette Ende hat er arrangiert.

Für mich ist "Spaß" musikalisch der Höhepunkt des Albums…

Jan Delay: … ja.

… das hast Du Deinen alten Freund Denyo von den Beginnern reaktiviert, überhaupt sind einige Gäste auf dem Album vertreten. Wie läuft das bei den Kooperationen in der Hip-Hop-Branche ab? Sagt Jan Delay dann, "hey, ich hab Bock auf den und den, den ruf ich jetzt mal an"?

Jan Delay: Ich weiß nicht, wie das bei den anderen läuft, aber ich mache das ja schon sehr lange selbst. Da, wo ich herkomme, war das schon immer so. Man hat selbst eine Idee und fragt dann nach: Wollen wir nicht einen Song zusammen machen? So habe ich das eigentlich bis heute gehandhabt. Natürlich ist man dann irgendwann ein bisschen größer und hat auch Lust, etwas mit internationalen Leuten zu machen. Dann geht das natürlich über die Plattenfirma oder irgendwen, den man kennt. Aber das hat bei mir noch nie geklappt. Ich habe das bei der Platte auch wieder extrem versucht, es aber nicht hinbekommen (lacht). Und dann bin wieder dazu zurück gekehrt, selbst zu fragen…

Du hast Marteria aus Rostock bei der Single "Eule" mit dabei. Du singst da: "Nachts kommen sie aus ihren Käfigen". Du bist selbst ein Nachtmensch. Was fasziniert Dich daran?

Jan Delay: Die Ruhe und sich vollkommen auf etwas fokussieren und gehen lassen zu können. Alles andere ist egal, tagsüber gibt es soviel, was einen ablenkt, was einem Energie klaut, was nervt, was stört, was einen davon abhält, das zu tun, was man eigentlich tun will. Nachts ist man einfach frei und unbeobachtet. Man kann so sein, wie man will, machen was man will. Es hält einen nichts davon ab und es guckt auch keiner zu, hört zu oder reguliert oder kritisiert. Man ist so frei, und ich finde dieses alleine sein und diese Ruhe ist diese wertvolle, brachliegende Energie. Am Tag ist sie auch da, aber alle wollen sie haben, und nachts liegt die da so herum und man muss sie sich nur nehmen.

So, letzte Frage von meinem siebenjährigen Sohn: Ist mit dem Rabe Socke nochmal was geplant? Du hast ihn ja bereits in drei Kinofilmen gesprochen.

Jan Delay: Ja klar, ich sitze auf heißen Kohlen (lacht). Wenn das Telefon klingelt, bin ich da. Das war übrigens die letzte Kinopremiere, auf der ich war. Das war im Dezember 2019 beim dritten Teil, noch vor Covid. Aber so ein Film ist ein sehr langer Prozess: Die rufen mich an, ich komme ins Studio, da sind dann so popelige Bleistiftskizzen, bei denen teilweise noch nicht einmal die Münder auf und zu gehen, und ich muss die Figur dann sprechen. Daraufhin wird auf meine Stimme richtig gezeichnet, das wird dann nach Asien ausgelagert, kommt dann zurück und die legen das dann hier an. Da ist dann mittlerweile schon ein Jahr vergangen. Und dann muss ich alles korrigiert sprechen, und die anderen sprechen ihre Rollen auch ein. Und bis das dann fertig ist, vergehen zwei Jahre. Also, das heißt, wenn der nächste Rabe-Socke-Film kommt, dann interessiert sich Dein Sohn schon nicht mehr dafür (lacht).

Aber er hört dann Deine Musik. Vielen Dank für das Gespräch, Jan Delay!

VERLOSUNG

Jan Delays eues Album "Earth, Wind & Feiern" ist ab sofort im Handel erhältlich.

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*0,50 Euro/Anruf a. d. dt. Festnetz/Mobilfunk abweichend. Die Preise wurden prisma von den Kooperationspartnern unentgeltlich zur Verfügung gestellt. Keine Barauszahlung der Preise möglich. Rechts- und Postweg sind ausgeschlossen. Das Mindestalter beträgt 18 Jahre. prisma-Mitarbeiter und deren Angehörige dürfen nicht teilnehmen. Teilnahmebedingungen auf www.prisma.de/agb. Gewinner werden schriftlich benachrichtigt. Die Erhebung von Daten erfolgt ausschließlich zur Gewinnerziehung. Informationen zum Datenschutz unter www.prisma.de/datenschutz

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