"Gefährliche Wahrheit"

Lisa Maria Potthoff: "Nachrichten sind ein extrem spannendes Feld"

25.04.2022, 09.12 Uhr
von Eric Leimann

Lisa Maria Potthoff spielt im ZDF-Thriller "Gefährliche Wahrheit" eine Lokalreporterin. "Ich war von diesem Drehbuch extrem begeistert", berichtet die Schauspielerin im Interview.

In der erfolgreichen ZDF-Krimireihe "Sarah Kohr" spielt Lisa Maria Potthoff eine Ermittlerin, die mit Fäusten und Fußtritten gegen das Verbrechen kämpft. Eine Rolle, die die Mutter zweier Kinder vor einigen Jahren zum Kampfsport brachte und ihr Leben nachhaltig veränderte. Im Journalismus-Thriller "Gefährliche Wahrheit" (Montag, 25. April, 20.15 Uhr, ZDF, lesen Sie hier die Filnkritik) verkörpert die 43-Jährige nun wieder einen sehr kämpferischen Charakter – allerdings heißen ihre Waffen diesmal Recherche, Hartnäckigkeit und messerscharfer Verstand.

Als investigative Einzelkämpferin versucht Sarah Kohr, die Umstände eines Wohnhausbrandes in einem sozialen Brennpunkt zu klären – während sich ihre Tageszeitung in einem Abnutzungskampf zwischen Finanznöten, Investoren-Einflussname und der Jagd nach Online-Klicks aufreibt. Ist das noch seriöser Journalismus – und wie könnte man diesen Eckpfeiler unserer Demokratie retten? Es sind Fragen wie diese, die der Film im Subtext seiner Thriller-Handlung durchaus klug verhandelt.

prisma: Waren Sie heute schon beim Kampfsport-Training?

Lisa Maria Potthoff (lacht): In der Tat habe ich das 2017 für mich entdeckt und mache gerade eine späte "Kampfkunst-Karriere". Eine, die Sie gerne in Anführungsstriche setzen können, weil ich natürlich keine wirklich gute Kampfkünstlerin bin. Trotzdem ist dieser Sport Teil meines Lebens geworden. Ich betreibe ihn mit großer Leidenschaft, und die Reihe "Sarah Kohr" gibt mir ja auch immer wieder einen Grund, mich zu verbessern und an neuen Zielen zu schrauben.

prisma: Sie haben früher mal fast jeden Tag trainiert. Wie sieht es momentan aus?

Lisa Maria Potthoff: Na ja, jeden Tag – in Spitzenzeiten zur Vorbereitung von "Sarah Kohr". Das schaffe ich aber nicht kontinuierlich. Aber zwei- bis dreimal die Woche soll es schon sein. Es ist auch immer davon abhängig, ob und wo ich gerade drehe. Wenn ich in Vorbereitung auf "Sarah Kohr" bin, dann ist es sicher mehr, sonst etwas weniger. Aber es fehlt mir durchaus, wenn ich nur wenig trainieren kann.

prisma: Hat Ihnen der Sport dabei geholfen, gut durch die Corona-Lockdowns zu kommen? Oder war es eher frustrierend, weil Sie nicht ins Studio gehen konnten?

Lisa Maria Potthoff: Gruppen-Kampfsport im Studio war damals in der Tat nicht möglich. Weil ich aber in die Vorbereitung eines Films gehen musste, begann ich, alleine mit meinem Trainer Yi-Chung Chen zu arbeiten. Das war natürlich sehr effizient. Im ersten Lockdown stand tatsächlich alles still, aber im zweiten – dem Winter 2020 auf 2021 – musste ich trainieren. Da hat mich das Einzeltraining wirklich weitergebracht – und zudem den Kopf freigemacht.

prisma: Sie meinen, weil Sie endlich mal jemanden außerhalb der eigenen vier Wände treffen konnten?

Lisa Maria Potthoff: Klar, zu Hause stand Home Schooling an. Dazu die Tristesse des kulturellen Nichtstun-Könnens. Da war das Kampftraining eine fantastische Möglichkeit, auf andere Gedanken zu kommen.

prisma: Wobei Schauspielerinnen wie Sie, die viel drehen, ja nicht so stark vom kulturellen Lockdown betroffen waren, denn ab Sommer 2020 wurde wieder enorm viel gedreht, oder?

Lisa Maria Potthoff: Das stimmt, es wurden schnell Hygiene-Konzepte entwickelt, und es ist in der heftigeren Corona-Zeit erstaunlich viel an Filmen und Serien entstanden. Ich habe tatsächlich sehr viel gedreht, beruflich war es für mich eine gute Zeit. Den freien Theaterschauspielern, die nicht auftreten konnten, den Musikern, der gesamten Veranstaltungsindustrie ging es viel schlechter.

prisma: Woran lag es eigentlich, dass beim Drehen sehr schnell schon wieder viel erlaubt wurde?

Lisa Maria Potthoff: Ich glaube, der Punkt war, dass ein Film- oder Fernsehset keine Veranstaltung, sondern eine Betriebsstätte ist. In diesem kleinen, aber markanten Begriff lag der Unterschied zwischen Arbeiten-dürfen und Zur-Untätigkeit-verdammt-sein. Es war natürlich kein so schönes Arbeiten wie vor Corona – mit Dauertesten, permanenter Vorsicht und viel Maskentragen – aber darüber möchte ich mich keinesfalls beschweren. Es war einfach toll, arbeiten zu dürfen.

prisma: Nun sind die meisten Corona-Maßnahmen gefallen. Wie hat sich das auf die neuesten Dreharbeiten ausgewirkt?

Lisa Maria Potthoff: Ich kann das noch gar nicht sagen, weil die Entwicklung noch zu frisch ist. Ich drehe gerade eine internationale Serie in Budapest. In Ungarn sind die Maßnahmen lockerer als bei uns. Ich glaube, man setzt nun eher auf Freiwilligkeit, was Schutzmaßnahmen betrifft. Weil wir aber aktuell einige Corona-Fälle im Team hatten, ist die aktuelle Vereinbarung zwischen Produktion und Team, dass beim Arbeiten Masken getragen werden – es sei denn, man steht vor der Kamera und spielt.

prisma: Ihr neuer Film "Gefährliche Wahrheit" erzählt im Gewand eines Kriminal-Thrillers die aktuelle Krise des Journalismus, der durch Digitalisierung und Social Media unter wirtschaftlichem Druck steht. Kommt die Botschaft für Sie an?

Lisa Maria Potthoff: Ich war von diesem Drehbuch extrem begeistert, weil es am Beispiel einer Tageszeitung erzählt, wie man im selben Medienhaus fundierten, klassischen Journalismus mit Social-Media-artigen Aktivitäten, die auf viele Klicks angelegt sind, unter einen Hut bringen will. Während die Alt-Redakteure klassische Recherche betreiben, macht die junge Online-Redakteurin Umfragen, wer denn einen Brand gelegt haben könnte, bei dem Menschen zu Tode kamen. Ein schönes Beispiel für typische Spannungsfelder, die sich heute im Nachrichtengeschäft auftun.

prisma: Wie sieht dieses Spannungsfeld genau aus?

Lisa Maria Potthoff: Der Film erzählt von der Verantwortung, die man hat, wenn man mit Nachrichten umgeht. Nachrichten sind, gerade jetzt in Zeiten des Krieges, ein extrem spannendes Feld: Welche Nachricht stimmt? Wie kann man sie belegen? Was ist Recherche und was verdeckte Meinung? Das alles ist hochinteressant und eine der wichtigen Fragen, mit denen wir uns gerade jetzt unbedingt auseinandersetzen müssen.

prisma: Haben Sie durch den Film Dinge über Journalismus erfahren, die Sie vorher nicht wussten?

Lisa Maria Potthoff: Es waren eher Erkenntnisse, die ich theoretisch wusste, die einem hier aber noch einmal plastisch vor Augen geführt werden. Zum Beispiel, wie viel Geld es kostet, seriös zu recherchieren. Also weniger Geld als Zeit – aber Zeit ist eben in einem Job, der von hochqualifizierten Menschen gemacht wird, nichts anderes als Geld.

prisma: Was ist im Film vom journalistischen Arbeitsalltag zu sehen?

Lisa Maria Potthoff: Man sieht, wie bei Journalistinnen und Journalisten die Entscheidung fällt, mit einer Nachricht rauszugehen. Auch die Frage, inwiefern mal schon mal eine Headline raushaut und damit Gefahr läuft, eine Information zu verbreiten, die noch nicht wirklich verifiziert ist, ist Thema des Films. Wie unterscheide ich zwischen Nachricht und Meinung? Gerade in der aktuellen politischen Lage mit dem Krieg in der Ukraine ist das wieder hochaktuell. In der Corona-Pandemie war und ist es das natürlich auch.

prisma: Durch das Web 2.0 ist der Mitmach-Journalismus entstanden. Nachrichten sind kein einseitiger Prozess vom Journalisten zum Konsumenten mehr, sondern es wird öffentlich in alle Richtungen kommuniziert. Ein Problem?

Lisa Maria Potthoff: Ich zitiere da unseren Bundespräsidenten, der sagte: "Eine Demokratie ist auch die Verpflichtung zur Debatte". Ich finde es richtig, dass wir eine Debattenkultur akzeptieren. Wir müssen sie sogar fördern, sodass unterschiedliche Meinungen Gehör finden. Wir haben in der Corona-Zeit gelernt: Zu jeder Studie gibt es eine Gegenstudie. Man muss Daten und Argumente prüfen und gewichten lernen. Letztendlich ist genau diese Freiheit ein Geschenk. In Russland und anderswo sieht man, wie politische Systeme aussehen, in denen das nicht erlaubt ist.

prisma: Sind wir denn gute Diskutanten in dieser neuen Welt?

Lisa Maria Potthoff: Grundsätzlich haben wir diese Kultur gut gelernt. Was aber in den letzten Jahren, seit es die sozialen Medien gibt, leider überhandgenommen hat, ist die Aggressivität, mit der diskutiert wird. Es passiert zu viel unter der Gürtellinie. Wir täten gut daran, freundlicher miteinander umzugehen. Aufeinander loszugehen nützt niemandem etwas. Es schafft nur ein ungesundes Lebensklima – für den Angegriffenen, aber auch den Angreifenden. Für mich ist gutes Umgehen miteinander eine große Herausforderung, die wir meistern und unseren Kindern, also der nachfolgenden Generation mit auf den Weg geben müssen.

prisma: Sie sprechen aus eigener Erfahrung?

Lisa Maria Potthoff: Ja, durchaus. Ich versuche meinen eigenen Kindern immer wieder beizubringen, dass sie nicht jede Nachricht glauben dürfen. Dass man alles kritisch hinterfragen muss und vor allem schauen soll: Woher kommt eine Nachricht und was möchten jene, die sie äußern, eventuell damit erreichen.

prisma: Im Film wird der wirtschaftliche Druck einer Tageszeitung geschildert, die in den neuen digitalen Zeiten ums Überleben kämpft. Manche sagen, eine freie Presse müsste über kurz oder lang über öffentliche Gelder finanziert werden. Fänden Sie das gut?

Lisa Maria Potthoff: Das ist eine komplizierte Debatte, und ich bin keine Expertin. Ich finde aber, dass Journalismus nicht nur aus der Privatwirtschaft kommen sollte. Wo im Medienbereich private Interessen im Spiel sind, kann – subtil oder weniger subtil – die Meinung des Investors natürlich eine Rolle spielen. Andererseits: Staatliche Medien, die versuchen meinungsbildend zu dominieren und neben denen kein kritischer Journalismus existieren darf, bergen natürlich ein Risiko, das sehen wir gerade in Staaten wie Russland. In einer Demokratie, zu der Pressefreiheit zwingend dazugehört, ist ein Mix aus öffentlichen und privaten Medien ideal. Wir haben in Deutschland eine vielfältige Medienlandschaft und damit die Chance, uns breit und vielfältig zu informieren. Wir sollten dankbar dafür sein und uns bloß nicht über unsere komplexe Welt beschweren.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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