Free-TV-Premiere bei ProSieben

"Doctor Sleeps Erwachen": Der kleine Junge aus"Shining" ist erwachsen geworden

24.04.2022, 10.16 Uhr
von Jan Treber

Was wurde eigentlich aus dem kleinen Jungen aus "Shining"? "Doctor Sleeps Erwachen" erzählt von einem gebrochenen Mann, der mit seinen Dämonen zu kämpfen hat. ProSieben zeigt den Film als Free-TV-Premiere.

ProSieben
Doctor Sleeps Erwachen
Horror • 24.04.2022 • 22:55 Uhr

Es gehört zum Wesen des Kapitalismus, eine Nachfrage nach Dingen zu schaffen, von denen wir bislang gar nicht wussten, dass wir sie benötigen. In Hollywood ist das ähnlich: Hier werden seit Jahren mit schöner Regelmäßigkeit Fragen beantwortet, die eigentlich niemand gestellt hat. Auch der Horrorfilm "Doctor Sleeps Erwachen" (2019), den ProSieben nun als Free-TV-Premiere zeigt, präsentiert dem Publikum die Antwort auf eine eher selten gestellten Frage: Was ist eigentlich aus Danny geworden, dem Jungen aus "Shining"?

Stephen Kings Buch (1977) und Stanley Kubricks meisterhafte Verfilmung (1980) desselben endeten offen. "Doctor Sleep" setzt unmittelbar nach den Ereignissen ein. Danny (Roger Dale Floyd) lebt mit seiner Mutter (Alex Essoe) in einer kleinen Wohnung, wird von düsteren Erinnerungen geplagt und lutscht Daumen. Dick Hallorann (Carl Lumbly), der einst Koch im Overlook war und am Ende von Kubricks Verfilmung starb, im Roman aber überlebte, erklärt Danny, wie er seine Dämonen bändigen kann: In seinem Geist steckt er sie in große Schachteln; doch dort bleiben sie nicht lange.

Jahre später ist Dan, den nun Ewan McGregor spielt, ein gebrochener Mann, arbeitslos, Alkoholiker, drogensüchtig. Als er in einem schnuckeligen Neuenglandörtchen aufschlägt, nimmt ihn ein Fremder unter die Fittiche, schleift ihn zu den Anonymen Alkoholikern und besorgt ihm eine Wohnung, später sogar einen Job. Dan arbeitet in einem Hospiz, wischt hier die Böden, begleitet bald aber auch die Bewohner beim Übergang in den Tod. "Doctor Sleep" nennen sie ihn hier, weil er den Todkranken beim Eintauchen in den allerletzten Schlaf helfen kann wie sonst keiner. Denn Dan besitzt noch immer die Fähigkeit des Shining, kann also telepathisch mit anderen Menschen kommunizieren

Damit ist er nicht alleine: Auch das Mädchen Abra (Kyliegh Curran) hat das Shining. Sie nimmt Kontakt mit Dan auf, über eine Schultafel, die in dessen Zimmer hängt. "Redrum" liest Dan im Spiegel, "Murder" also, so wie einst in Kubricks Film. Abra hat Furchtbares im Geiste mitansehen müssen. Eine Gruppe, die sich True Knot nennt, spürt Kinder auf, um sie zu töten und sich von ihrem Shining zu ernähren. Angeführt werden sie von Rose (Rebecca Ferguson), die wie die anderen Mitglieder ihrer Sekte nach der Unsterblichkeit trachtet. Zusammen mit Abra beschließt Dan, Rose und ihren Konsorten den Garaus zu machen.

Sein Film, hat Regisseur Mike Flanagan in mehreren Interviews erklärt, sei einerseits die Verfilmung von Stephen Kings 2013 veröffentlichtem Roman "Doctor Sleep", erzähle aber auch Kubricks Film weiter. Tatsächlich erweist die Fortsetzung dem Original immer wieder die Reverenz. Das beginnt beim Soundtrack und geht so weit, dass Flanagan einige Schlüsselszenen aus "Shining" gar neu gedreht hat – mit Schauspielern, die den Darstellern von einst ein bisschen ähneln. Da taucht dann auch die runzelige Lady aus dem berüchtigten Zimmer 237 wieder auf und darf der junge Danny im Dreirad durch die Gänge des Overlook rasen.

Kaum Raum für Fantasie

Das Ergebnis ist dann aber doch mehr King als Kubrick: grell statt subtil, Horror statt Psychodrama. Und bisweilen sogar etwas trashig. Immer wieder aber findet Regisseur Flanagan auch fantastische Bilder. Etwa, wenn True-Knot-Anführerin Rose wie ein Satellit die Erde umkreist, um die kleine Abra zu finden. Über weite Teile seiner zweieinhalb Stunden ist "Doctor Sleep" allerdings überraschend konventionelles (wenngleich durchaus effektvolles) Gruselkino. Wer das Original nicht kennt, dürfte daran seine Freude haben.

Denn der neue Film nimmt, indem er kaum mehr Fragen offenlässt, dem Original einen Teil seines Zaubers. Das Tolle an "Shining" war ja, dass Dannys Fähigkeiten so geheimnisvoll erschienen, ihm selbst und auch dem Publikum. Mit seiner Erklärwut lässt die Fortsetzung nun kaum mehr Raum für Fantasie, für ein Was-wäre-wenn. Außer dann, wenn man ihr nicht folgen kann, weil man schlichtweg nichts versteht. Absicht war das allerdings wohl kaum.

Doctor Sleeps Erwachen – So. 24.04. – ProSieben: 22.55 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

Das könnte Sie auch interessieren