Kritik zur Amazon-Serie

"Die Ringe der Macht": Das Böse bedroht die Märchenwelt

31.08.2022, 16.26 Uhr
von Elisa Eberle

Mit Spannung aber auch Skepsis erwarten "Herr der Ringe"-Fans das Prequel "Die Ringe der Macht". Nach den ersten beiden Folgen lässt sich sagen: Dieser Serie darf man durchaus eine Chance geben.

Als Mitte Februar der erste Trailer zum neuen Amazon Prime Original "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" (Start: 2. September) veröffentlicht wurde, war das Geschrei unter den Hardcore-Fans von J. R. R. Tolkien groß: Die Serie sei zu glattbügelt, hieß es. In manchem Social Media Kommentar fiel sogar das Wort "billig". Doch schon die ersten beiden von insgesamt acht Episoden, die nun wöchentlich erscheinen, dürften selbst Puristen und Hardcore-Fans versöhnen. Der Presse standen sie vorab zur Verfügung. Hier eine Kritik.

"Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" folgt mehreren Erzählsträngen. Der erste und vermutlich auch wichtigste widmet sich der jungen Elbin Galadriel (Morfydd Clark). Nachdem ihr Bruder (Will Fletcher) im Kampf gegen Sauron gefallen ist, sieht sie es als ihre Aufgabe an, das Böse zu jagen. Doch nach vielen erfolglosen Jahren schwindet nach und nach die Überzeugung ihrer Verbündeten, dass das Böse weiter existiert. So kommt es, dass Galadriel die Suche nach Sauron gegen den Willen des Elbenkönigs Gil-galad (Benjamin Walker) allein fortsetzt, ehe sie per Zufall einen ungeahnten Verbündeten findet ...

Auch die junge Haarfüßerin Elanor Brandyfoot, genannt "Nori" (Markella Kavenagh) verhält sich unangepasst: Sie träumt von einem Leben jenseits der ihr bekannten Grenzen. Als sie eines Nachts einen mysteriösen Fremden (Daniel Weyman) vom Himmel auf die Erde stürzen sieht, begegnet sie ihm eher mit Neugier als mit Angst. Der Wald-Elb Arondir (Ismael Cruz Córdova) wiederum war bislang zur Bewachung der Menschen abbestellt. Nun, da das Böse verschwunden zu sein scheint, wird er jedoch in seine Heimat beordert. Vorher will er noch einmal seine Geliebte, die menschliche Heilerin Bronwyn (Nazanin Boniadi), aufsuchen. Von der Beziehung der beiden halten sowohl Bronwyns Sohn Theo (Tyroe Muhafidin) als auch die restlichen Menschen wenig. Dann aber machen Arondir und Bronwyn, aber auch Theo unabhängig voneinander einige düstere Entdeckungen ...

Das Böse schleicht sich in die friedliche Welt

Es sind eben jene Szenen, in denen sich das Böse langsam in die friedlichen Welten von Elben, Menschen und Harfüßern einschleicht, die die Spannung von "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" ausmachen. Die Tatsache, dass gleich zu Beginn der Serie düstere Gestalten wie Orks oder ein Schneetroll auftauchen, stellt einen guten Kontrast zu der vielleicht zu Recht als glattgebügelt oder auch als kitschig bezeichneten Anfangsszene, in der von der Zeit des Friedens berichtet wird, dar. Natürlich hat eine Fantasy-Serie, die im zweiten Jahrzehnt des 21. Jahrhundert entsteht, nicht mehr den gleichen Wow-Effekt wie Peter Jacksons Kinofilm "Der Herr der Ringe: Die Gefährten" aus dem Jahr 2001. Damals steckte die moderne Computeranimation noch in den Kinderschuhen. Heute, nach animatorischen Meilensteinen wie "Avatar" (2009) oder "Der König der Löwen" (2019), ist dies anders.

Auch stellt sich die Frage, was genau sich die Fans der Bücher von J. R. R. Tolkien erwarten: Nur eine packende und dem Originalwerk getreue Handlung oder auch einen tieferen Einblick in die von Tolkien erfundene fantastische Welt? Letzteres erfüllt die Serie dank ihrer zahlreichen auf den Punkt inszenierten Szenen allemal. Man ahnt, wie viel der 465 Millionen US-Dollar, die die Serie bislang gekostet haben soll, in Ausstattung und Spezialeffekte geflossen sein muss.

Zwergenprinzessin Disa hat das Zeug zum Publikumsliebling

Doch auch die Darstellerinnen und Darsteller, die hierzulande teils noch eher unbekannte Gesichter sind, erfüllen ihren Auftrag gut. Die walisische Darstellerin Morfydd Clark schafft es, das Innenleben Galadriels mit minimalen mimischen Regungen auszudrücken. Markella Kavenagh steckt mit der kindlichen Naivität Noris sofort an. Eine der sympathischsten neuen Figuren ist jedoch die Zwergenprinzessin Disa (Sophia Nomvete), die entgegen der literarischen Vorgabe Tolkiens, keinen Bart trägt, dafür aber ein großes Herz hat und ihren Gatten, den Zwergenprinz Durin IV (Owain Arthur), liebevoll in die Schranken weist. Beide dürften, ebenso wie der Elb Celebrimbor (Charles Edwards) im weiteren Verlauf der Handlung, wenn es um das Schmieden der titelgebenden "Ringe der Macht" geht, von größerer Bedeutung sein.

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Der erste Eindruck von "Der Herr der Ringe: Die Ringe der Macht" unter Regie von Charlotte Brändström, J.A. Bayona und Wayne Che Yip überzeugt: Neben den erwähnten märchenhaften Szenen fließt bereits in den ersten beiden Episoden viel Blut, und es tauchen manche bisher unbekannte Wesen aus den Textsammlungen Tolkiens, auf denen die Serie lose basiert, auf. Jene, die kritisieren, dass die Serie nicht den Vorstellungen des 1973 verstorbenen Autors entspreche, seien an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass Tolkiens Enkel, der britische Schriftsteller Simon Tolkien, als Berater der Produktion (Showrunner J.D. Payne und Patrick McKay) tätig war.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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