Kritik zur 5. Staffel

"The Crown": 1992 – das Schreckensjahr der Royals

08.11.2022, 11.14 Uhr
von Elisa Eberle

Die fünfte Staffel der Netflix-Serie "The Crown" wurde schon vor ihrer Ausstrahlung scharf kritisiert. Sie thematisiert die frühen Neunziger – eine schwere Zeit für die Royals. Die glänzenden Darsteller sind über jeden Zweifel erhaben.

Es ist makaber, aber nüchtern betrachtet war der Tod von Queen Elizabeth II. die wohl beste Marketingkampagne für "The Crown": Im Vereinigten Königreich stiegen die Abrufzahlen der Netflix-Serie von Peter Morgan in den ersten drei Tagen nach dem Tod der Queen am 8. September um mehr als 800 Prozent. Auch in anderen Ländern kletterte die Serie im Ranking der beliebtesten Netflix-Titel weit nach oben. Die mit Spannung erwartete fünfte Staffel erscheint am Mittwoch, 9. November, fast auf den Tag genau zwei Monate nach dem Todesdatum.

Selten wurde eine Serienstaffel noch vor ihrem Erscheinen in den Medien derart heiß diskutiert: Der ehemalige britische Premierminister John Major rief zum Boykott der Serie auf, weil eine besonders heikle Szene der ersten Episode so nie stattgefunden habe: Major (dargestellt von Jonny Lee Miller) wird darin von Prinz Charles (Dominic West) aufgefordert, die Queen (Imelda Staunton) zur Abdankung zu bewegen. Die Oscar-Preisträgerin Judi Dench forderte in einem Gastbeitrag für die britische Tageszeitung "The Times" Netflix dazu auf, vor jede Episoden einen Disclaimer zu setzen, der darauf hinweist, dass es sich um eine Fiktionalisierung handle. Den Warnhinweis – man mag es kaum glauben – gibt es nun tatsächlich. Doch ist das wirklich nötig?

Zweifellos sind die Ereignisse der frühen 1990er, die im Zentrum der fünften Staffel stehen, höchst dramatisch: Die Ehe von Charles und Diana (Elizabeth Debicki) ist am Ende. Neben Charles' andauernder Affäre mit Camilla Parker-Bowles (Olivia Williams) sind es vor allem die Tonbandaufnahmen, in denen Diana unter anderem von Suizidgedanken berichtet, die einen entscheidenden Teil dazu beitrugen. Hinzukommen ein deutlicher Popularitätsverlust der Monarchie in Großbritannien und der Brand in Windsor Castle im November 1992.

Claire Foy mit Gastauftritt

All diese und weitere negative Ereignisse hat es tatsächlich gegeben. Sie mögen zugunsten der Spannung wohl ein wenig überdramatisiert worden sein, aber man darf auch nicht vergessen, dass die echte Queen jenes Jahr 1992 in einer Rede als "Annus horribilis" ("Schreckensjahr") bezeichnet hatte. Überhaupt können die Frage, wie das Leben hinter den Mauern von Buckingham Palace tatsächlich aussieht, nur recht wenige Menschen mit Sicherheit beantworten.

Statt ausschließlich über inhaltliche Schnitzer zu schimpfen, ist es also vielmehr angebracht, die schauspielerische Leistung zu loben: Es ist fast schon erschreckend, wie sehr Elizabeth Debicki der von ihr verkörperten Prinzessin Diana ähnelt. Mit einer Körpergröße von 1,90 Meter überragt sie die 1997 verstorbene Mutter der Prinzen William und Harry zwar um rund 20 Zentimeter, dennoch schafft sie es, den stets schüchtern wirkenden Blick Dianas perfekt zu imitieren. Auch Imelda Staunton füllt die Rolle der inzwischen knapp 70-jährigen Queen gut aus – entgegen all der Befürchtungen, denen "Harry Potter"-Fans im Vorfeld Ausdruck verliehen (in der Fantasy-Reihe verkörperte sie die diabolische und vom Publikum gehasste Lehrerin Dolores Umbridge).

Wer die vergangenen vier Staffeln "The Crown" mochte, wird auch an dieser Gefallen finden. Gleich zu Beginn gibt es einen kurzen Gastauftritt der ersten Queen-Darstellerin Claire Foy. Hin und wieder lassen absurde Reden der Queen einen schmunzeln: "Dieser hochmoderne Molkereikomplex ist der Beweis für die anhaltende Vitalität der britischen Euter" ist so ein Beispiel.

Doch am Ende schwingt auch etwas Wehmut mit, wenn die Queen Balmoral als ihr "zweitliebstes Zuhause" bezeichnet. Auf dem Schloss in den schottischen Highlands ist die Monarchin gestorben. Die Dreharbeiten zur finalen Staffel sechs sind bereits in vollem Gange. Ein Ausstrahlungstermin steht noch nicht fest.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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