"Am Puls mit Mitri Sirin: Nicht ohne mein Auto!?": Freiheit, Liebe – und Hass
Warum sind wir in Deutschland so abhängig vom Auto? Mitri Sirin untersucht in seiner Reportage die psychologischen und gesellschaftlichen Gründe, die hinter unserer Liebe zum Auto stehen.
Zwischen Argumenten und Emotionen
Die ZDF-Reihe "Am Puls" ist das Reportage-Format für tiefgründigere Blicke in gesellschaftliche Trends und Fragen der Gegenwart. Diesmal kümmert man sich in "Am Puls mit Mitri Sirin: Nicht ohne mein Auto!?" ums Thema individuelle Mobilität, was sich erst mal viel weniger sexy anhört als "mein Auto". In der Tat können viele Deutschen offenbar nur sehr schwer loslassen von der Idee, dass man jederzeit mit dem Wagen spontan an fast jeden Ort fahren könnte, den man sich gerade im Kopf vorstellt. Dabei, so sagen manche, sollte doch das Auto, ja die gesamte individuelle Mobilität, eigentlich mal so langsam der Vergangenheit angehören. Klima- und Ressourcen-bewusste Denker werden jedenfalls nicht müde, sich so zu äußern. Und schließlich leiden wir ja alle unter den Blechlawinen: verstopfte Innenstädte, kilometerlange Staus und Umweltprobleme, die man am eigenen Leib spürt, sind kaum einem Deutschen fremd.
Auf der anderen Seite hat man es mit Fakten zu tun, die wider die Vernunft zu stehen scheinen: Niemals zuvor gab es so viele Autos hierzulande wie heute. Immer wieder legen die Menschen kürzeste Strecken mit dem Wagen zurück. Die KFZ-Neuzulassungen steigen stetig. Kann es sein, dass wir vom Auto abhängig sind? Um all dies zu ergründen, unternimmt Mitri Sirin, Jahrgang 1971, eine Reise in die eigene Vergangenheit – mit seinem ersten Auto, einem Renault R4. Es geht zu Allie Schramm, einer 29-jährigen Autotunerin, für die ihre Fahrzeuge pure Gefühlsmaschinen sind. Sind wir nicht alle ein bisschen Allie? Für den Bremer Yousuf Mirzad bedeutet sein Luxusauto ein "safe space", weil er keine eigene Wohnung hat. Absurd, aber wahr: sein Porsche Panamera ist sein Wohnzimmer.
Verschiedene Blickwinkel auf das Auto
Für Familie Hochstein im sächsischen Arzberg ist das Auto vor allem eine Notwendigkeit. Stellvertretend für viele Menschen, die auf dem Land leben, wird hier von Alltags-Problemen erzählt, die ohne Auto kaum zu lösen wären: Wie kommen die Kinder zur Schule? Sind Fahrgemeinschaften möglich? Auch viele älteren Menschen in der Region wären ohne Auto isoliert und hätten deutlich weniger Kontakte im Alltag. Immerhin: Es gibt einen ehrenamtlich organisierten Bürgerbus. In Berlin wird hingegen von einem Projekt berichtet, wie man mit weniger Auto besser leben kann: Im Kreuzberger Stadtteil Gräfekiez werden Parkplätze in Grünflächen verwandelt. Wo vor kurzem noch eine Kreuzung war, sitzen jetzt junge Leute mit Picknickdecken auf der Straße und trinken ein Feierabendbier. Klingt idyllisch, doch auch hier gibt es Widerstand – von anderen Bewohnern des Viertels.
Natürlich blickt die "Am Puls"-Reportage auch über den Tellerrand des Auto-Individuums hinaus. Wie geht es überhaupt der deutschen Autoindustrie, der man nachsagt, die Elektro-Revolution verschlafen zu haben? Sind wir als ewiges Land der Traum-Automobile bald schon passé? Nicht nur in Sachen Legende, sondern ganz konkret als einer der wichtigsten Wirtschaftsfaktoren des Landes? Zwischen Nostalgie, ökonomischer Bedeutung und ökologischer Notwendigkeit zeigt Mitri Sirin Films vor allem eines: Mit dem Auto sind große Gefühle verbunden. Es geht um Freiheit und Liebe, aber auch um Hass.
Am Puls mit Mitri Sirin: Nicht ohne mein Auto!? – Mo. 20.05. – ZDF: 19.20 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH