Kritik zum ARD-Film

"Check out": Eine Pflegerin steigt aus

21.09.2022, 08.01 Uhr
von Wilfried Geldner

Die Arbeit auf der Demenzstation zehrt an den Kräften, auch die Ehe wird zunehmend zur Belastung. Also macht sich Pflegerin Caro auf einen Selbstfindungstrip, der manchmal auch komisch ist.

ARD
Check out
Komödie • 21.09.2022 • 20:30 Uhr

Psychologen propagieren das ja: Einfach mal loszuziehen, ganz allein, und im Wald übernachten. Es könnte einen vom Ballast des Alltags befreien und von überflüssigen Lebensängsten. Caro, die Krankenschwester im HR-Film "Check out", die sich vor allem um alte Menschen mit Demenz kümmern muss, ist erschöpft von ihrer Arbeit. Doch Frau Rumi, ihre Lieblingspatientin, die soeben das Zeitliche segnet, gibt ihr den Tip, einfach mal abzuhauen und sich allen Zwängen zu widersetzen.

Frau Rumi (Klara Höfels als sanfter Engel) wird fortan Caros ständige Begleiterin sein. Egal, ob Caro in einem dunklen Bergsee baden will oder mit dem Bus der Taunus-Hochstraßenlinie, Frau Rumi ist immer schon da und gibt Anweisungen wie ein Psychocoach: "Du schaffst das! Auf zum Gipfel!" feuert sie Caro an bei ihrer Wanderschaft. Wenn Caro im Bergsee schwimmen will, prustet sie ihr ihre Aufmunterung zu, und Caro schmeißt sich daraufhin halbbekleidet ins Wasser, sodass es einem selber eiskalt eiskalt über den Rücken läuft. Zweifellos ist diese Rumi die schönste Erfindung in diesem Roadmovie, das wirkt wie ein nettes Nebenprodukt. Zuletzt hat die Regisseurin Nana Neul mit Josef Bierbichler, Birgit Minichmayr und Alexandra Maria Lara den Kinofilm "Töchter" gemacht – auch ein Roadmovie, zwei Frauen auf sperriger Vatersuche.

Wandertag und Ehekrieg

Der Ausbruch aus dem Alltag erweist sich als Aneinanderreihung schöner Nummern. Dabei rückt immer mehr das Ermatten einer 20-jährigen Partnerschaft in den Mittelpunkt. Fast noch mehr als am aufreibenden Job nämlich leidet Caro an Markus, ihrem hingebungsvollen Mann (Trystan Pütter), der als einstiger Inhaber einer Bar nicht mehr in die Gänge kommen will und sich ersatzweise längst ganz Caro und ihrem Wohlergehen widmen will. Markus, die Nervensäge, taucht auch dann wieder auf, als ihn Caro längst abgehängt wähnt. Er löst gewissermaßen Frau Rumi ab. Ihn aus dem roten Einfrau-Zelt zu schmeißen, nützt da gar nichts, ebenso wenig, ihm seine Selbstgefälligkeit vorwurfsvoll an den Kopf zu werfen.

So wird aus dem "sehr schönen, langen Wandertag", als den die Regisseurin die Dreharbeiten im Beiblatt beschreibt, ein Ehekrieg im Freien, eine Zimmerschlacht im deutschen Tann. Ätsch! sagt Markus, als Caro Hunger hat und hält den Daumen auf zwei Packungen Pizza, die er ganz alleine mampft. Aber das Drehbuch (Kristl Philippi, David Ungureit) will es, dass die beiden irgendwann zusammenkommen – sei es beim slapstickhaften Forellenfang oder beim Zeche prellen im Ausflugsrestaurant samt polizeilicher Verfolgungsjagd. Das alles hat teils den Charme eines Kinder- und Jugendfilms, teils spürt es aber auch existenziellen Problemen nach. Wer es nicht sieht, hat nichts versäumt. Wer es aber sieht und ein wenig Ausdauer mitbringt, denkt einmal mehr über den Sinn des Lebens nach und darüber, ob man sich wirklich in Gegenstände anstelle von Menschen verlieben kann, wie es im Film der Schafshirte Vinzent (Hans-Jochen Wagner) tut. Einer von vielen skurrilen Einfällen, von denen es in dieser "Melanchomödie" nicht wenige gibt.

Check out – Mi. 21.09. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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