Film bei 3sat

"Die Spiegel-Affäre": ein Hauch von "Mad Men"

04.11.2022, 08.09 Uhr
von Eric Leimann

Duell zweier Alpha-Rüden: Der Zoff zwischen Verleger Rudolf Augstein und Verteidigungsminister Franz Josef Strauß gipfelte in der "Spiegel-Affäre". Der herausragende Film zum Thema ist nun erneut bei 3sat zu sehen.

3sat
Die Spiegel-Affäre
Drama • 04.11.2022 • 20:15 Uhr

Die Spiegel-Affäre, 1957 bis 1962, ist eine Geschichte aus der noch jungen Bundesrepublik Deutschland. Eine Zeit, als Politik und Medien noch mit Testosteron gemacht wurden. Von Kerlen wie dem linken Verleger Rudolf Augstein (Sebastian Rudolph) oder einem aufstrebenden Politiker namens Franz Josef Strauß (Francis Fulton-Smith). Nach dem historisch verbürgten, derben Besäufnis in Augsteins Villa – Strauß war dort zu Gast – beschloss der "Spiegel"-Macher: "Dieser Mann ist gefährlich. Er darf niemals Kanzler werden." Fortan schoss Augstein mit seinem Polit-Magazin aus allen Rohren auf Strauß.

Das Duell zweier Alpha-Rüden endete 1962 mit der polizeilichen Besetzung der Spiegel-Redaktion, einer zeitweisen Inhaftierung Augsteins und dem Rücktritt von Strauß als Verteidigungsminister. Den herausragenden ARD-Film von 2014 wiederholt 3sat zum 60-Jahre-Jubiläum des Artikels "Bedingt abwehrbereit", der schließlich zur Spiegel-Affäre führte, als Redakteure des Magazins zwei Wochen nach dem Erscheinen des Textes verhaftet wurden. Ein Angriff auf die Pressefreiheit im demokratischen Deutschland.

Warum die Spiegel-Affäre erst mehr als 50 Jahre nach ihrem ereignisreichen Finale zum Film wird, könnte an der komplexen, im Wortsinne ziemlich papierenen Story liegen. Immer wieder gab es Ende der 50-er hasserfüllte Artikel über Strauß im Spiegel zu lesen. Jenen Mann, dem das Blatt ein "Gesicht wie einen Maßkrug" attestierte. Der Politik betrieb wie einst J.R. Ewing seine Ölgeschäfte: Hahlbohm Affäre, Lockheed-Skandal, FIBAG-Affäre. Die bajuwarischen Amigo-Geschäfte des aussichtsreichen Kronprinzen von Kanzler Adenauer bieten der jungen, Kette-rauchenden Redaktion vom Hamburger Speersort eine willkommene Angriffsfläche. Augstein fürchtet sich vor einem Atomkrieg. Strauß hingegen verfolgt die Strategie, seine Bundeswehr atomar aufzurüsten.

Parallel zur Kuba-Krise, die den gesamten Globus so nah an eine nukleare Katastrophe heranführt wie nie zuvor, spitzt sich 1962 auch der Kampf Augstein gegen Strauß zu: Unter dem zweifelhaften und von Strauß initiierten Vorwurf des Landesverrats wurde die Spiegel-Redaktion am 26. Oktober 1962 besetzt und Rudolf Augstein, der sich in der Wohnung seiner Geliebten Maria Carlsson (Nora von Waldstätten) versteckte, per Haftbefehl gesucht. Auch Redakteur Conrad Ahlers (David Rott), dessen akribisch recherchierter Artikel "Bedingt abwehrbereit" über Schwachstellen der Bundeswehr die Eskalation der Auseinandersetzung Medium gegen Staatsmacht auf die Spitze trieb, wurde an seinem Urlaubsort durch spanische Polizisten verhaftet.

Francis Fulton-Smith glänzt als Strauß

Nachdem sich immer mehr Widerstand gegen die radikale Beschneidung der Pressefreiheit im Jahre 17 nach Ende des Dritten Reiches formiert hatte, wurden die inhaftierten Spiegel-Männer entlassen. Das Magazin durfte seine Arbeit wieder aufnehmen und Strauß musste – letztlich – als Verteidigungsminister zurücktreten. Drehbuchautor Johannes Betz ("Der Tunnel", "Die weiße Massai") und Regisseur Roland Suso Richter ("Mogadischu") ist es zu verdanken, dass der (Film)kampf Augstein gegen Strauß weit mehr wurde als nur eine plakative Heldenstory um Demokratie und Pressefreiheit. Augstein – stark gespielt vom Hamburger Theaterstar Sebastian Rudolph – wird als getriebener, arroganter Dandy gezeichnet, dessen Ego zwischen Ängsten und Selbstherrlichkeit schwankt und der Strauß auf fast schon krankhafte Weise hasst.

Die größte Überraschung dieses Films heißt jedoch Francis Fulton-Smith. Der damalige Schmonzetten-Spezialist ("Familie Dr. Kleist"), futterte sich für seine Rolle damals fast 20 Kilo Mehrgewicht an und gibt einen Strauß zwischen brillanter Geistesschärfe, polterndem Wahnsinn und menschlicher Verletzlichkeit. Sogar weinen darf dieser Strauß einmal im Film – und das ist überhaupt nicht peinlich. Neben dem fein gezeichneten Duell zweier spannender Antagonisten hat "Die Spiegel-Affäre" aber noch weitere Stärken: etwa die lebendig geschilderte Stimmung in der jungen Spiegel-Redaktion zwischen Hurra-wir-leben-noch Euphorie des Nachkriegs-Deutschlands und arrogant-machistischer Hybris. Für diese Qualität sorgen stark besetzte Nebenrollen, unter anderem David Rott, Johann von Bülow, Max Hopp und Franz Dinda.

Ein Hauch von "Mad Men" – diese Assoziation kommt von Drehbuchautor Johannes Betz selbst – umweht diese Szenerie des Aufbruchs an der Schwelle zwischen bundesrepublikanischen 50-ern und 60-ern. Selten wurde ein Zeitgeist so stark in einer wohl nur durchschnittlich teuren deutschen TV-Produktion dfes Jahres 2014 eingefangen – immerhin schon acht Jahre alt. Historien-Fernsehen ohne Goldkante und Weichzeichner – es geht also, auch beim Öffentlich-Rechtlichen.

Die Spiegel-Affäre – Fr. 04.11. – 3sat: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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