Krimi aus Frankfurt

"Tatort: Kontrollverlust": Was steckt hinter dem Tod einer Gamerin?

26.12.2023, 08.20 Uhr
von Eric Leimann

Ein etwas schwieriger Heranwachsender steht unter Mordverdacht. Seine Mutter Annette Baer (Jeanette Hain), eine Künstlerin, versucht mit besonderen Mitteln, ihren Sohn zu schützen. Die Frankfurter Ermittler Janneke (Margarita Broich) und Brix (Wolfram Koch) nehmen den Fall in der neuen "Tatort"-Folge "Kontrollverlust" auf. 

ARD
Tatort: Kontrollverlust
Kriminalfilm • 26.12.2023 • 20:15 Uhr

Hat Lucas etwas mit dem Tod der jungen Frau zu tun?

Schauspielerin Jeanette Hain hat derzeit gut zu tun. Nicht nur in der deutsch-schweizerischen Historien-Serie "Davos 1917" (ARD) ist sie die große, geheimnisvolle Strippenzieherin. Nun ist die 54-Jährige auch im Weihnachts-"Tatort" dabei – natürlich in ihrer Paraderolle als mysteriöseste Frau des deutschen Fernsehens. Im Frankfurter "Tatort: Kontrollverlust" spielt sie die bildende Künstlerin Anette Baer, die mit ihrem 20-jährigen Sohn Lucas (Bela Gábor Lenz) zusammenlebt.

Unterm gemeinsamen Dach arbeiten die Baers an der jeweils eigenen Kunst. Anette ist eine gestandene Bildhauerin und werkelt an sehr besonders ausschauenden Homunkulus-Figuren. Sie formt sich sozusagen kleine Menschen. Nebenan sitzt ihr deutlich weniger "cool" und ausgeglichen wirkender Sohn über seinen Zeichnungen und scheint sich in seiner Haut nicht ganz wohl zu fühlen. Vor allem eines Nachts nicht, als ihn die Mutter mit blutverschmiertem T-Shirt vorfindet. Lucas schwört, er habe nichts getan – aber eine junge Frau, die er kennt, sei tot.

Das geschickte Ablenkungsmanöver der Künstlerin

Jene Frau, "Gamerin" Cara (Viktoria Schreiber), wird dann tatsächlich tot aufgefunden. Paul Brix (Wolfram Koch) und Anna Janneke (Margarita Broich) erfahren vom schwurblerischen jungen Hausmeister (Franz Pätzold), der einen "Aufwachen!"-Sweater trägt, dass Cara regelmäßig Besuch – und Streit – mit einem jungen Mann hatte. Da Lucas zuletzt viel Zeit mit Cara verbrachte, ist es nur eine Frage der Zeit, dass die Ermittler dem "jungen Künstler" auf die Spur kommen. Anette Baer, die der alternde Single-Kommissar Brix ziemlich attraktiv findet, schafft es durch geschickte Ablenkungsmanöver, ihren Sohn für eine Weile aus der Verdachtslinie zu halten. Doch da gibt es noch Psychologiestudentin Denise (Mina-Giselle Rüffer), die Lucas von früher kennt, und die auch eine engere Beziehung zum schwierigen jungen Mann zu haben scheint. Wie weit wird die Mutter gehen, um ihren geliebten Sohn zu schützen?

Gradliniger Krimi, glänzende Darsteller

Regisseurin und Co-Drehbuchautorin Elke Hauck (ebenfalls Drehbuch: Sven S. Poser) pflegt eine besondere Beziehung zum Frankfurter Schauspieler Wolfram Koch. Ihr gemeinsamer TV-Film "Gefangen", eine WDR-Produktion über einen traumatisierten Polizisten, dem sein Leben entgleitet, wurde 2022 für einen Grimme-Preis nominiert. Koch spielt darin die Hauptrolle. Überhaupt gilt Elke Hauck, 1967 in Sachsen geboren, als psychologische Filmemacherin, die sich gern dem Thema Ostdeutschland widmet. Beides findet sich nun auch in ihrem ersten "Tatort" wieder: der Ost-Aspekt in Form einer jungen "Gamerin", die es aus der sächsischen Provinz nach Frankfurt verschlagen hat und eines Hausmeisters, der das Ausbluten des Ostens moniert. Dazu kommt die psychologisch spannende Konstellation einer scheinbar "coolen" Mutter, die das Leben ihres erwachsenen Sohnes weiter "managen", ja kontrollieren möchte.

Das Problem dieses ziemlich geradlinig erzählten Krimis ist, dass die Storywendungen und Themen der Erzählung so offen auf dem Tisch liegen, dass der Fall und auch das Drama dahinter wenig Spannung erzeugen. Sicher gibt es herausragende Krimis, in denen der Mörder von Anfang an bekannt ist, aber die Jagd auf ihn mitfiebern lässt. Im "Tatort: Kontrollverlust" hält sich dieser Sog für den Zuschauer, der stets etwas mehr zu wissen scheint als die Ermittler, doch ziemlich in Grenzen. Das Drehbuch ist nicht raffiniert genug, als dass die guten Darsteller – zuvorderst Jeanette Hain als Künstlermutter – so glänzen könnten, wie es ihre Begabung und Aura grundsätzlich ermöglichen würden.

Details, die den Krimi besonders machen

Blieben von einem eher mittelprächtigen Fall noch ein paar Details, die den Film dann doch besonders machen: Da wäre zum einen die Gestaltung der Künstlerwohnung, die mit realen Homunkulus-Figuren der Frankfurter Künstlerin Birgit Brinkmann aufwartet, die ihre Kunst für den "Tatort" zur Verfügung stellt. Geschickt ist auch die Wohnung der Baers als zentraler Handlungsort gestaltet. Während die souverän wirkende Mutter ihre Werke in einem lichtdurchfluteten Ateliertrakt erschafft, haust der Sohn in einem dunklen Loch neben dem ebenso dunklen Eingangsbereich der Wohnung.

Untermalt wird das Szenario von der künstlerisch ebenfalls ambitionierten Filmmusik Bertram Denzels und Max Knoths, die vom hr-Sinfonieorchester eingespielt wurde. Die Zutaten stimmen also, aber das Rezept geht nicht ganz auf. Daran sieht man mal wieder, dass ohne ein wirklich gutes Drehbuch beim Film wenig "geht". Nach dem herausragenden Nacht-"Tatort: Erbarmen. Zu spät." vom September steht deshalb ein arg durchschnittlicher Frankfurt-Fall auf dem (Weihnachts)programm.

Tatort: Kontrollverlust – Di. 26.12. – ARD: 20.15 Uhr


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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