Bei "Maybrit Illner"

Hape Kerkeling über Witze von Horst Schlämmer: "Ich habe nichts zurückzunehmen"

23.07.2023, 10.21 Uhr

Ein seltener Polittalk-Gast gesellte sich in die Runde von "Maybrit Illner". Hape Kerkeling diskutierte am Donnerstagabend über seine Rolle Horst Schlämmer. Kann man heute die alten Herrenwitze noch bringen? Und wann überschreiten Gags die Grenzen der Diskriminierung? 

"Maybrit Illner" gönnt sich eine mehrwöchige Sommerpause, und gewiss kommt die nicht ungelegen. Wie auch Talk-Kollege Markus Lanz am späteren Donnerstagabend sorgt sich die ZDF-Moderatorin um den verhärteten Zustand der deutschen Debattenkultur. Anschauungsmaterial hat sie ja zur Genüge Woche für Woche.

In der vorerst letzten neuen Ausgabe ihres ZDF-Talks lautete die Frage des Abends: "Freiheit nur für meine Meinung – müssen wir das Streiten wieder lernen?" Erörtern sollten sie der Komiker Hape Kerkeling, die Queer-Botschafterin Leonie Plaar, die Autorin Düzen Tekkal und der Philosoph Julian Nida-Rümelin.

Gibt es neue Grenzen – auch für Humor?

Gerade die Anwesenheit Kerkelings, kein allzu oft gesehener Gast in Polit-Talks, versprach erleichternde Erheiterung, und der Comedian enttäuschte die Hoffnung nicht. Ein Einspieler, in dem der heute 58-Jährige vor über zehn Jahren in seiner Paraderolle als Lokalreporter Horst Schlämmer bei "Wetten, dass ..?" eine Zuschauerin mit den Worten "Ich bin Organspender. Brauchst du was?" anbaggerte, diente als Aufhänger für die Diskussion: Was ist in Zeiten von Gleichberechtigung, Minderheitenschutz und Genderdiskurs noch angemessen? Gibt es neue Grenzen – auch für Humor?

"Ob das heute noch so funktionieren würde als Horst Schlämmer, wage ich zu bezweifeln", überlegte Kerkeling. Er müsse aber betonen, dass er in dieser Rolle Witze mache, die er privat nicht so sagen würde. Er ist sich sicher: "Ich glaube, den Leuten würde heute das Lachen im Halse stecken bleiben". Philosoph Julian Nida-Rümelin sieht das Kernproblem beim Publikum: "Manchmal hat man auch den Eindruck, dass die ironische Sprache gefährlicher geworden ist, weil die Leute die Ironie nicht verstehen". Die Empfindlichkeiten hätten zugenommen, hat der frühere Kulturstaatsminister registriert. Humor habe es heute schwerer als noch vor ein paar Jahren.

Wird der Korridor das Sagbaren also tatsächlich schmaler? Kerkeling bekräftigte: "Horst Schlämmer ist garantiert der Prototyp des 'alten weißen Mannes'." Da er selbst als Künstler aber nicht diesem Bild entspreche, habe er das Gefühl, sich über die "alten weißen Männer" lustig machen zu dürfen, ja zu müssen. Ähnlich geht es der Aktivistin Düzen Tekkal: "Ich darf das Wort 'Kanake' benutzen, weil ich selbst Diskriminierungserfahrungen gemacht habe", stellte sie fest. Schließlich gehe es bei Humor nicht in erster Linie darum, Menschen lächerlich zu machen. "Ich glaube, dass Humor ein wichtiges Ventil ist", betonte die 44-Jährige.

Hape Kerkeling: "Warum soll ein Mann keine Frau spielen dürfen?"

Auf Illners Frage, ob es Witze gebe, die er heute nicht mehr machen würde, weil er Angst vor einem Shitstorm habe, antwortete Kerkeling selbstsicher: "Ich habe eigentlich nichts zurückzunehmen." Angst vor einem Shitstorm habe er nicht – schließlich sei er weder bei Facebook noch bei Twitter aktiv. Selbst Queer-Botschafterin Leonie Plaar ist der Meinung, dass nicht hinter jedem Witz eine Diskriminierung stecke, wie Illner in den Raum warf: "Wenn ein Witz nur funktioniert, wenn ich Minderheiten diskriminiere, dann bin ich vielleicht nicht so lustig, wie ich denke."

Humor ziele nicht immer darauf ab, Ausländer, Frauen oder Homosexuelle zu demütigen. Auch hier habe sich in den vergangenen Jahren einiges getan, konstatierte wiederum Kerkeling, der 1991 von Filmemacher Rosa von Praunheim in einer Fernsehsendung geoutet worden war. "Dass wir aufmerksamer werden, auf unsere Sprache achten und schauen: Wo gibt es Diskriminierungen, die wir früher nicht wahrgenommen haben, das ist auf jeden Fall sehr wertvoll".

Sprengen von Grenzen gehöre zum Schauspiel

Im Rückblick auf seine Figuren, die er in den letzten rund 40 Jahren erfand, sinnierte der Komiker: "Was habe ich in den letzten 30, 40 Jahren gespielt? Heterosexuelle Männer." Das sei zwar der Tatsache geschuldet, dass ihm eine schwule Figur nach eigener Aussage wahrscheinlich um die Ohren geflogen wäre – aber: "Warum sollte nicht auch umgekehrt ein Heterosexueller einen Schwulen spielen dürfen – und auch können?"

Auf diese rhetorische Frage gab es zustimmendes Nicken von seinen Sitznachbarn. "Ich würde sogar sagen: Warum soll ein Mann keine Frau spielen dürfen?" Gerade das Sprengen von Grenzen mache den Beruf des Schauspielers aus, betonte Kerkeling.


Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH

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