Honecker und der Pastor: Ein Kapitel der Wendezeit




Nach dem Fall der Mauer 1989 fanden Erich und Margot Honecker Zuflucht bei einer Pastorenfamilie. Jan Josef Liefers hat diese Episode in 'Honecker und der Pastor' verfilmt.
Es ist eine der bemerkenswertesten Episoden der Wendezeit – und war bislang doch weitgehend unbekannt: Nachdem der Mauerfall 1989 das Ende der DDR besiegelt hatte, fanden sich der ehemalige Machthaber Erich Honecker und seine Frau Margot plötzlich auf der Straße wieder. Nur einer zeigte Erbarmen, wortwörtlich: Ausgerechnet ein evangelischer Pastor gewährte im Januar 1990 jenen Unterkunft, die jahrzehntelang auch für die Unterdrückung der Kirche verantwortlich waren. Die Geschichte, wie die gläubige Familie die überzeugten Sozialisten im brandenburgischen Pfarrhaus aufnahm und damit vor dem weltgeschichtlichen Chaos draußen beschützte, hat kein Geringerer als Jan Josef Liefers in "Honecker und der Pastor" nach einem Buch von Fred Breinersdorfer verfilmt. Nun zeigt 3sat den Fernsehfilm, der im März 2022 erstmals im TV zu sehen war, als Wiederholung.
"Wie ein Märchen" sei ihm die Episode erschienen, lässt sich der "Tatort"-Star zitieren, der in der Produktion für ARTE und das ZDF Regie führte. Und ein wenig märchenhaft hat Liefers seinen Film auch inszeniert: als unterhaltsames wie informatives Kammerspiel, das in seinen komischen Momenten als Familien-Dramedy und in seinen düsteren als historischer Thriller funktioniert. Die Besetzung ist dabei überaus dankbar: Edgar Selge verkörpert einen glaubhaften Honecker, den er bis ins Detail studiert zu haben scheint und nur an den richtigen Stellen überzeichnet. Immer, wenn der Film ins Karikaturhafte abzugleiten droht, bekommt er wieder die Kurve. Herausragend auch Barbara Schnitzler als Margot Honecker, deren gefürchtete Strenge den Zuschauer bisweilen zittern lässt.
Keine klaren Gewissheiten
All das funktioniert auch deshalb so gut, weil die Kontraste film- und unterhaltungsgerechter kaum sein könnten: Die gescheiterten Machthaber am Abendbrottisch des Pfarrhauses im Norden von Berlin; die strammen Sozialisten, die dem Gebet des Pastors beiwohnen müssen; die Spaziergänge am einsamen See vor der Christusstatue, bei denen über Politik, Moral, Schuld und die Verhältnisse in der DDR diskutiert wird. Hans-Uwe Bauer gibt einen zweifelnden und doch von seinem Handeln überzeugten Pfarrer Holmer, den tatsächlich vor allem eines angetrieben zu haben schien: "Wenn wir Barmherzigkeit predigen, müssen wir sie auch leben." Das nimmt man ihm übel: Der Film zeigt, wie die Presse das Haus belagert, sondern auch, wie der Pastor Morddrohungen erhält.
"Honecker und der Pastor" zeichnet, auch das ist gewagt, ein ziemlich differenziertes Bild der geschassten und verhassten Machthaber. Dämonisiert wird kaum, bisweilen menschelt es sehr. Zwischen Familiendrama, historischem Thriller und einer angemessenen Portion Humor gibt sich "Honecker und der Pastor" an den meisten Stellen klug und informiert, klare Gewissheiten bekommt man indes nur selten vorgesetzt.
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Honecker und der Pastor – Fr. 09.08. – 3sat: 20.15 Uhr
Quelle: teleschau – der mediendienst GmbH